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die „Isabella“ bei achterlichem Wind rückwärts.

      Langsam drehte er sich um, während sein zernarbtes Gesicht anzuschwellen schien.

      „Ferris, hast du das gehört?“ fragte er und zweifelte immer noch an seinem Verstand. „Diesen Armleuchter hier interessiert gar nicht, was der Seewolf befiehlt, er will statt dessen ...“

      In Carberry schoß die Wut explosionsartig hoch. Er riß einen Tampen aus der Nagelbank und zog dem Mann mit dem Geiergesicht blitzschnell ein paar über. So gekonnt und so kräftig, daß der senkrecht in die Luft sprang und einen lauten, schrillen Schrei ausstieß, der über alle Decks schallte.

      Aber Carberry war jetzt nicht zu bremsen.

      „Was?“ brüllte er, und Ferris Tukker hatte das Gefühl, als müsse jeden Augenblick die Großrah vom Mast herabkommen. „Du dreimal geteerter Affenarsch bist immer noch nicht auf der Kuhl? He, warum haben wir dich nicht bei den Spaniern gelassen, die hätten dich am offenen Feuer geröstet! Solche Typen wie dich haben die Dons besonders gern. Mann, wenn du jetzt nicht verschwindest und dich beim Seewolf persönlich meldest, dann ziehe ich dir die Haut in Streifen ab, falls du dann überhaupt noch welche hast!“

      Wieder pfiff der Tampen durch die Luft und traf klatschend die Kehrseite des Geiergesichtigen. Er vollführte abermals einen Luftsprung, sauste dann aber wie ein geölter Blitz über das Hauptdeck zwischen den Culverinen hindurch und befand sich Sekunden später schon auf der Kuhl, hinter sich den immer noch brüllenden und tampenschwingenden Carberry.

      Der Seewolf flankte über die Schmuckbalustrade. Dann packte er mit der einen Hand den Neuen, mit dem anderen Arm blockte er Carberry ab.

      „Was geht hier vor?“ fragte er scharf. „Ed, bist du total verrückt geworden? Warum prügelst du diesen Mann quer über Deck? Antwort, verdammt noch mal!“

      Die eisblauen Augen des Seewolfs hatten sich zornig zusammengezogen, er funkelte Carberry an.

      Aber der Profos dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.

      „Was hier los ist, fragst du?“ brüllte er. „Dieser Dreckskerl sagt mir doch glatt ins Gesicht, daß ihn die Befehle des sogenannten Seewolfs nichts angingen. Im Gegenteil, wenn er ihm etwas mitzuteilen habe, dann möge er gefälligst zu ihm kommen! Das sagt mir dieser Kerl, als ich ihn aufforderte, deinen Befehl zu befolgen und zur Kuhl hinüberzugehen.“

      Carberry holte Luft.

      „Damit das klar ist, Hasard, ein für allemal: Solange ich an Bord dieses Schiffes bin, werden deine Befehle befolgt, und zwar blitzartig und ohne jeden Widerspruch. Wer das nicht tut, den holt der Teufel. Was denkst du lausige Kakerlake eigentlich, wer du bist?“ brüllte er den Mann mit dem Geiergesicht in einer Lautstärke an, daß sogar den Männern der „Isabella“-Crew, die sich ebenfalls auf der Kuhl versammelt hatten, das Grinsen augenblicklich verging. Sie alle wandten dem Fremden, den niemand von ihnen bisher kennengelernt hatte, ihre Blicke zu.

      Big Old Shane, der riesige Waffenmeister und Schmied von Arwenack, der ebenfalls zu den Befreiten gehörte, sagte mit seiner grollenden, dunklen Baßstimme in die momentan herrschende Stille hinein: „Carberry hat völlig recht, Hasard. Ich würde jetzt auch gern erfahren, was für eine hochgestellte Persönlichkeit wir denn hier vor uns haben, wenn er glaubt, daß er deine Befehle nicht zur Kenntnis zu nehmen braucht! Also, Mister, haben Sie die Güte und stellen Sie sich uns mal vor!“

      Der Seewolf ließ Carberry los. In seinen Augen wetterleuchtete es.

      „Ich warte“, sagte er eisig. „Ich will jetzt wissen, wer Sie sind.“

      Der Geiergesichtige, dessen Züge noch immer schmerzverzerrt wirkten, versuchte, sich hoch aufzurichten.

      „Ich bin Baldwyn Keymis, Friedensrichter von Falmouth. Ich bin vom Lordkanzler in dieses Amt eingesetzt worden, und ich verlange von Ihnen, Kapitän, daß Sie diesen Mann hier, der es gewagt hat, gegen mich die Hand zu erheben, sofort in Eisen schließen lassen. Danach werden Sie mir eine Kammer im Achterkastell zuweisen, mir eine meinem Amt entsprechende Sonderverpflegung servieren lassen und die junge Dame da zu meiner persönlichen Bedienung abstellen. Sollten Sie meine Wünsche ignorieren, werden Sie in England erhebliche Schwierigkeiten zu erwarten haben. Außerdem verlange ich, daß Sie auf dem schnellsten Wege nach England segeln.“

      Keymis hatte das alles mit seiner arrogant schnarrenden Stimme mehr hervorgestoßen als gesprochen. Der Seewolf hingegen hatte sich nicht gerührt. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte.

      „Können Sie sich legitimieren, Mr. Keymis?“ fragte er statt dessen kalt, während die Männer seiner Crew bereits zu murren begannen. Aber mit einer Handbewegung brachte er sie zum Verstummen.

      „Legitimieren?“ schnarrte der Friedensrichter aufgebracht. „Sie selbst haben mich und die anderen aus dem Kerker der Spanier geholt und stellen dann solche dummen Fragen. Fragen Sie die Kerls, fragen Sie das Weibsbild da, die können Ihnen bestätigen, daß ich der vom Lordkanzler eingesetzte Friedensrichter von Falmouth bin. Das wird Ihnen dann ja wohl genügen!“

      Dan stand plötzlich vor dem Friedensrichter und hielt ihm seine Faust unter die Nase.

      „Hast du Schweinekerl eben Weibsbild zu meiner Schwester gesagt?“ fragte er drohend. „Und bedienen soll sie dich?“ fauchte er außer sich vor Wut. „Auf so was wie dich haben wir auf der ‚Isabella‘ gerade noch gewartet. Strecke auch nur den kleinen Finger nach meiner Schwester aus, du lausiger Federfuchser, dann kann dich dein Lordkanzler bei den Fischen suchen, kapiert?“

      Um Hasards Mundwinkel zuckte es. Er hatte Dan selten so wütend gesehen, und er selbst verspürte auch heftigen Ärger über diesen aufgeblasenen Kerl, der sich Friedensrichter von Falmouth nannte. Aber andererseits mußte er wirklich einen Teil seiner Wünsche respektieren, alles andere wäre höchst unklug gewesen. Auch wenn seine Crew ihn vielleicht nicht verstehen würde.

      Wieder murrten seine Männer, die inzwischen beinahe vollständig auf der Kuhl versammelt waren und die Neuen wie ein Kordon umgaben.

      Einer der fünf Fischer trat auf den Friedensrichter zu.

      „Es stimmt, du bist Baldwyn Keymis, der Friedensrichter von Falmouth. Aber das hat hier, an Bord der ‚Isabella‘, keine Bedeutung. Ich begreife nicht, warum du deinen Rand so aufreißt. Hast du eigentlich vergessen, daß der Seewolf und seine Männer uns vor dem sicheren Tode unter spanischer Tyrannei bewahrt haben? Wenn ich du wäre, würde ich das Maul halten und alles tun, damit wir sobald wie möglich wieder in England sind.“

      Der Mann trat zurück. Er hatte schon weißes Haar, und Hasard wußte, daß er George Garrett hieß. Seinen Worten folgte lautstarke Zustimmung, und Keymis warf giftige Blicke um sich. Aber er dachte gar nicht daran, dem Rat des Fischers zu folgen.

      „Also, was ist, erhalte ich nun endlich Antwort?“ schnarrte er. „Und wird dieser Kerl da“, er deutete auf Carberry, „jetzt in Ketten gelegt oder nicht?“

      Der Seewolf trat hart an den Friedensrichter heran.

      „Schluß jetzt mit dem Theater“, sagte er. Aber der Klang seiner Stimme ließ nicht den geringsten Zweifel daran, daß das Maß endgültig voll war. „Auf meinem Schiff wird kein Mann meiner Besatzung in Eisen gelegt, schon gar nicht, wenn er nichts verbrochen hat, was eine solche Maßnahme rechtfertigen würde.“

      „Nichts verbrochen?“ fuhr der Friedensrichter auf den Seewolf los. „Der Kerl da hat es gewagt, gegen mich die Hand zu erheben, er hat mich geschlagen, er hat ...“

      „Er hat genau das getan, was ich auch getan hätte, Mr. Keymis!“ donnerte Hasard ihn an, denn jetzt riß ihm endgültig die Geduld. „Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, Mr. Keymis, und mein Wort ist hier an Bord Gesetz! Meine Befehle werden befolgt, sofort und ohne Widerrede. Von allen, auch von Ihnen.“

      Hasard funkelte ihn an.

      „Dennoch werde ich Ihren Rang respektieren. Sie beziehen eine Kammer im Achterschiff und sind vom Dienst an Bord befreit. Extraverpflegung gibt es nicht, Sie werden haargenau das essen, was alle erhalten,

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