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Wer aber dort etwas zu sehen erwartet, ist geleimt. Der Park des Bismarckschen Schlosses stößt zwar direkt an die Eisenbahnlinie; Mauern und dichte Baumschläge verbieten aber dem Auge jeden Einblick, und wo dem suchenden Wanderer sich ein Eingang zu öffnen scheint, hemmt eine mächtige Verbottafel den Eintritt.

      Wir umkreisten im Dunkel eines Eichwaldes das große Gut, klommen längs der Einfriedigung in die Höhe; aber nirgends bot sich eine Möglichkeit, etwas zu sehen. Endlich aber erreichten wir eine unverschlossene Pforte im Waldesdickicht, an welcher eine Verbotstafel fehlte. Unter meiner Führung drang die kleine unverschämte Schweizerkarawane ein und nach etwa 5 Minuten stehen wir plötzlich auf freiem Rasenplatze, direkt dem Bismarckschen Schlosse gegenüber und nur durch einen schmutzigen Teich von ihm getrennt. Das Gebäude sieht sehr anspruchslos aus, mit verschiedenen häßlichen Kaminen eigentlich eher wie ein Fabrikgebäude, denn ein fürstliches Palais.

      Nun aber kam die Strafe: „n’No, n’No, n’No, n’No, n’No! Was soll denn do wer’n?“ erschallte eine Stimme aus der Nähe, und es erschien ein wütender Gärtner, der mit erhobenen Armen und einer Sense unserm Vordringen wehrte, unterstützt durch eine keifende Frau, welche die Hände über dem Kopf zusammenschlug. „„Ja, wo sind wir denn? Wem gehört das Haus?““ „Das ist den Fürst’n sein Palä; da darf kein Mensch hin!“ „„Aber wir sind doch durch eine offene Thüre ohne Verbottafel eingetreten.““ „Da haben natürlich diese ekligen Hamburger wieder die Tafel weggerissen.“

      Wir wurden per Schub — unsrerseits in sehr vergnügter Stimmung — durch das nächste Thor „entleert“ und setzten unsern Rundgang weiter fort.

      Auf der andern Seite der Eisenbahnlinie, auf waldiger Anhöhe dem Schloßgarten gegenüber, liegt das Mausoleum, in welchem die irdischen Ueberreste des Gewaltigen ruhen. Eine steile Böschung verhindert den Zutritt. Trotz überall angebrachter Verbote finden sich aber doch ausgetretene Wege, denen wir folgten, so daß uns auch die von einer kleinen romanischen Kirche überbaute Gruft zu Gesichte kam und sogar photographisch von uns fixiert werden konnte.

      Ein halbstündiger Spaziergang durch herrlichen Eichwald — ein Stück des berühmten Sachsenwaldes — führte uns nach Station Aumühle, wo wir der heimatlichen Reminiscenz[1] und einer schönen Naturszenerie zuliebe in schattiger Veranda uns erfrischten, um dann mit dem nächsten Zuge nach Hamburg zurückzukehren.

      Bismarck-Mausoleum.

      Sonntag, den 2. Juli, mittags 1½ Uhr hatten wir uns, so lautete die Ordre, an Bord des Dampfers „Blankenese“ einzufinden, welcher uns auf die einige Stunden elbabwärts, bei Brunshausen verankerte „Auguste Viktoria“ führen sollte. Wir waren frühzeitig da und sahen sie nun in Scharen anrücken, welche für drei Wochen unsere Gesellschaft zur See sein sollten: Damen schienen vorherrschend, übrigens alle Altersstufen vertreten, vom „Säugling“ (zehnjährige Jungen) bis zum „Meergreise“ und vom Backfisch bis zur Urgroßmutter; laut ausgeteilter Passagierliste waren wir 360 Personen, in der Mehrzahl Amerikaner und Deutsche, wenig Franzosen, Engländer, an Eidgenossen außer uns noch drei Baslerherren. Auch das „Volk Gottes“ zeigte sich zahlreich und in ausgeprägtesten Formen, hauptsächlich Berliner Ursprungs. Immerhin soll auf der vorjährigen Fahrt das jüdische Element weit mehr vorgeherrscht haben, was folgende Anekdote illustriert: Ein deutscher Familienvater durchsucht die Weinkarte, ruft den Kellner und bestellt „für sich eine Flasche Laubenheimer, für seine Frau eine halbe Flasche Ingelheimer und für seinen Sohn eine halbe Flasche Hochheimer.“ „„Entschuldigen Sie, mein Herr; Sie haben da die Passagierliste erwischt,““ war die Antwort des Stewards.

      Punkt 1½ Uhr setzte sich der dichtgefüllte und buntbewimpelte Dampfer in Bewegung und führte uns vorbei an Hunderten von Seglern und Dampf-Seefahrzeugen aller Größen in die freie Elbe. Etwa zwei Kilometer von Hamburg entfernt war die Route gesperrt durch einen stolzen schwedischen Dreimaster, den ein Wörmannscher Frachtdampfer Abends zuvor angerannt und zum Sinken gebracht hatte. Masten und Steuerteil des schwer befrachteten Schiffes überragten noch die gelbliche Wasserfläche, während der Vorderteil auf dem Grunde ruhte.

      Nach zweistündiger Fahrt erschien vor unsern Augen die majestätische „Auguste Viktoria“, mit Flaggen und Wimpeln reich und malerisch geschmückt; 200 Stewards und sonntäglich gekleidete Matrosen stunden in Reih und Glied; eine Kanonensalve erschütterte die Luft und unter dem Begrüßungsmarsche einer Blechmusikkapelle hielten wir unsern Einzug auf dem mächtigen Schiffe, das nun für drei Wochen unsere Wohnung sein sollte. Jedermann suchte seine Kabine, wo die Tags zuvor abgelieferten Koffer schon ihren Platz gefunden hatten, und nach weniger als einer halben Stunde hatte sich aus dem Wirrwarr eines aufgestörten Ameisenhaufens ein geordnetes Dasein entwickelt und man konnte dem schwimmenden Kolosse kaum mehr ansehen, daß ein Heer von fast 400 Menschen mit Kisten und Koffern und Plaids und Apparaten sich hinein ergossen hatte.

      Die Falltreppe wurde aufgezogen; das Kommando des Kapitäns ertönte; das eiserne Herz des Riesen fing zu schlagen an und unter den Klängen einer flotten Blechmusik setzte er sich in Bewegung, nordwärts, nordwärts dem Meere zu.

       Inhaltsverzeichnis

      Erste Stunden an Bord. — Bau der „Auguste Viktoria“. — Verpflegung. — Toiletten. — Schiffskapelle. — Norwegische Küste in Sicht. — Ankunft.

      An Bord der „Auguste Viktoria“ im Fjord von Romsdal vor Naes, 6. Juli Abends.

      Bei herrlichstem Wetter liegen wir hier vor Anker, um in zwei Stunden nach Trondhjem, der Wiege und Krönungsstadt des norwegischen Reiches, abzudampfen. Zurück nach der Elbemündung, wo mein erster Brief stehen geblieben ist!

      Die ersten Stunden an Bord entbehrten der Komik nicht. Allerdings waren zuvorkommende Stewards in Menge da, um den Passagieren die Kabinen anzuweisen; aber sobald man seinen Schlupfwinkel verlassen, sah man sich in einem wahren Labyrinth von Kreuz- und Quergängen, in welchen eine Orientierung vorläufig nicht möglich schien. Die Kabinen sind in drei Etagen über einander angebracht; steile Treppen stellen die Verbindung her und wer in den engen Korridoren umherirrt, täuscht sich anfänglich nach allen Richtungen der Windrose, ist rat- und thatlos. Letzteres eigentlich nicht, denn bald pufft er energisch mit einer daherstürmenden Lady zusammen oder fällt einem um die Ecke fliegenden Steward in die Arme — oder aber er sieht sich plötzlich in einer Sackgasse und muß ärgerlich den Rückzug antreten. Ich kenne Menschen, die im erhebenden Bewußtsein, ihre Sache trefflich zu machen und ausgezeichnete Pfadfinder zu sein, im Vorderteil des Schiffsrumpfes herumsuchten, während ihr Daheim doch 100 Meter davon entfernt gegen das Steuer zu lag.

      Einige Angaben über die Dimensionen unseres Schiffskolosses werden dies begreiflich erscheinen lassen. Die „Auguste Viktoria“ wurde seiner Zeit mit einem Aufwand von sieben Millionen Mark erbaut und hat in den letzten Jahren eine vollständige Umgestaltung erfahren, indem das gewaltige Schiff in der Mitte geteilt und durch Einfügung eines 15 Meter langen Mittelbaues vergrößert wurde — eine Ausgabe von weiteren 2 Millionen Mark. Sie ist ein sogenannter Doppelschraubendampfer, d. h. die bewegende Kraft ist auf zwei getrennte Maschinen und zwei Schrauben verteilt, sodaß bei etwaigem Schaden an einer Maschine die Bewegungs- und Manövrierfähigkeit des Schiffes nicht aufhört. Maschinen- und Kesselräume sind durch einen starken Längsschott unter der Wasserlinie in zwei Hälften geschieden, so zwar, daß wenn auch der eine Maschinenraum bei einer Kollision oder Explosion sich mit Wasser füllt, das Schiff deshalb weder sinken, noch unlenksam werden kann. Wasserdichte Querschotten, welche im Momente der Gefahr geschlossen werden, so daß dann das ganze Schiff aus 11 wasserdichten Abteilungen besteht, erhöhen die Sicherheit — auch für den Fall einer Kollision

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