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Gesicht strahlte Güte und Herzenswärme aus.

      »Na, Bruderherz, da staunst du, was?« erklärte sie lächelnd, als Dr. Daniel sie nur sprachlos anstarren konnte. »Irene! Wie… wie kommst du denn hierher?« brachte er nach Minuten des Schweigens endlich hervor.

      Irene Hansen schmunzelte. »Es gibt schon seit etlichen Jahren… wenn nicht gar Jahrzehnten, eine gute Zugverbindung von Kiel nach München.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Du weißt genau, was ich meine.«

      »Also weißt du, Robert, ein bißchen herzlicher könntest du mich schon begrüßen«, hielt Irene ihm vor.

      Und jetzt konnte Dr. Daniel plötzlich lächeln. »Irischen.« Liebevoll schloß er sie in die Arme. »Du hast ganz recht. Ich bin ein richtiger Flegel geworden.« Er schwieg kurz, dann bekannte er: »Es ist schön, daß du hier bist.«

      Arm in Arm betraten sie das Wohnzimmer und setzten sich. »Sag mal, kommst du jeden Tag so spät aus der Praxis?« wollte Irene wissen. »Ich dachte schon, du würdest dort übernachten.«

      Dr. Daniel seufzte, dann fuhr er sich mit einer müden Handbewegung durch das dichte blonde Haar. »Was soll ich denn zu Hause tun? Die Wände anstarren?« Er schüttelte den Kopf. »Da arbeite ich schon lieber.«

      »Karina hat recht«, entgegnete Irene energisch. »Es ist höchste Zeit, daß sich jemand um dich kümmert.«

      In diesem Moment sah Dr. Daniel klar. »Ach so, Karina hat dich also alarmiert.«

      »Ja, und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt.« Irene hob drohend den Zeigefinger. »Mein lieber Robert, du läßt dich ganz schön gehen.«

      Dr. Daniel winkte ab. »Ach, was weißt du denn…« Dann fiel ihm ein, daß Irene vor etlichen Jahren dasselbe durchgemacht hatte. Schon in jungen Jahren war sie Witwe geworden, und obwohl ihre Ehe kinderlos gewesen war und sie nach dem Tod ihres Mannes völlig allein dagestanden hatte, hatte sie sich nie aufgegeben.

      »Entschuldige, Irene«, murmelte Dr. Daniel. »Du weißt natürlich am allerbesten, wovon du sprichst.« Er seufzte wieder. »Alles war nur halb so schlimm, als Stefan und Karina noch hier waren, aber…« Er zuckte die Schultern.

      Tröstend griff Irene nach der Hand ihres Bruders und drückte sie sanft. »Ich weiß schon, Robert, nach Christines Tod waren die Kinder dein ein und alles, aber du mußt einsehen, daß sie jetzt erwachsen werden. Sie können nicht ewig bei dir bleiben – auch wenn es dir noch so weh tut.« Dann lächelte sie. »Und jetzt hast du ja mich. Ich habe meine Zelte in Kiel endgültig abgebrochen und werde bei dir bleiben – vorausgesetzt, du willst mich überhaupt hier haben.«

      Impulsiv nahm Dr. Daniel seine Schwester in die Arme. »Ob ich dich hier haben will? Wie wagst du es, eine solche Frage überhaupt zu stellen? Ich bin doch glücklich, daß du bei mir bist – vor allem jetzt.« Für einen Augenblick senkte er den Kopf, dann sah er Irene wieder an. »Ich werde nach Steinhausen zurückkehren.«

      Irene lächelte. »Das ist eine gute Entscheidung, Robert. Du hast deine Praxis schon viel zu lange allein gelassen. Und glaub mir – gemeinsam werden wir einen neuen Anfang schaffen.«

      *

      Schon seit Stunden lag Kerstin Wenger wach im Bett. Neben sich hörte sie die gleichmäßigen Atemzüge ihres Mannes, und für einen Augenblick bereute sie, daß sie ihm nichts von dem Gespräch mit Dr. Daniel erzählt hatte. Jetzt war sie mit ihrer Angst völlig allein.

      Andererseits brauchte Helmut seine ungestörte Nachtruhe. Er hatte es in der CHEMCO schwer genug, vor allem seit er Vorsitzender des Betriebsrates war.

      Mit einem leisen Seufzer wälzte sich Kerstin auf die andere Seite. Im nächsten Moment spürte sie Helmuts tastende Hand.

      »Was ist los, Liebling? Kannst du nicht schlafen?« fragte er leise.

      Mit einem heftigen Aufschluchzen warf sich Kerstin in seine Arme.

      »Helmut, ich… ich glaube, ich habe Krebs«, platzte sie unter Tränen heraus.

      Helmut Wenger erschrak zutiefst. War er zuvor noch ein wenig schläfrig gewesen, so hatten Kerstins Worte ihn jetzt mit brutaler Grausamkeit wachgerüttelt.

      »Krebs?« wiederholte er fassungslos. »Aber… ich verstehe nicht… wieso glaubst du…«

      »Ich war heute bei Dr. Daniel«, begann Kerstin leise zu erzählen. »Er hat einen Abstrich genommen… die normale Krebsvorsorgeuntersuchung. Und bisher war auch nie etwas, aber heute… er hat gesagt, er muß es ins Labor schicken.«

      »Dann… ist es also noch nicht sicher.« Aus Helmuts Worten klang Hoffnung.

      »Nein, aber… ich habe Angst«, gestand Kerstin.

      Zärtlich nahm Helmut sie in die Arme. »Vielleicht solltest du nicht zu schwarz sehen, Liebes. Es kann doch wirklich ganz harmlos sein.«

      Kerstin nickte, doch sie dachte dabei an den besorgten Blick Dr. Daniels, und sie war sicher, daß er hinter dem veränderten Abstrich etwas Bösartiges vermutete.

      *

      Es tat Dr. Daniel richtig gut, von seiner Schwester ein bißchen verwöhnt zu werden. Er und Irene hatten sich ja immer gut verstanden, und so sah der Arzt ein wenig hoffnungsvoller in die Zukunft. Mit Irenes Hilfe würde alles einfacher werden.

      »Hast du mit der Wohnung alles geregelt?« wollte Irene wissen, als sie am Samstag nachmittag vor den gepackten Koffern stand.

      Dr. Daniel nickte. »Ich habe diesen Umzug von langer Hand geplant – auch wenn ich damals noch schreckliche Angst vor einem neuen Anfang hatte.« Er senkte den Kopf. »Und ich habe noch immer Angst. Schließlich kehre ich dorthin zurück, wo ich mit Christine so glücklich gewesen bin.«

      Mit einer liebevollen Geste streichelte Irene über seine Wange. »Du schaffst das schon, Robert, da bin ich ganz sicher.«

      Dr. Daniel seufzte. »Dann ist wenigstens einer von uns beiden davon überzeugt, daß ich das Richtige mache.«

      Das Hupen eines Lastwagens riß ihn in die Wirklichkeit zurück.

      »Ah, die Möbelspedition ist hier«, erklärte er. »Tja, dann gibt es ohnehin kein Zurück mehr.«

      Irene warf einen Blick in die Runde. »Wo willst du das ganze Zeug eigentlich unterbringen? Du hast dich hier doch vollkommen neu eingerichtet.«

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Vorerst werde ich wohl alles in den Keller stellen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Vielleicht ziehe ich dort hinunter, wenn die Erinnerungen zu erdrückend für mich werden.«

      Irene winkte ab, dann ließ sie die Männer der Möbelspedition in die Wohnung. Sie schienen über diesen Auftrag nicht sonderlich erfreut zu sein. Es war ja auch kein Vergnügen, sperrige Möbel über fünf Stockwerke und durch ein schmales Treppenhaus nach unten zu befördern.

      »Wir können Sie hier allein lassen, oder?« fragte Dr. Daniel.

      Der große, breitschultrige Mann, der offensichtlich das Kommando führte, nickte. »Klar, Herr Daniel. Wir kriegen das Zeug schon heil hinunter. Und den Weg nach Steinhausen kennen wir auch.« Er zögerte. »Sagen Sie, in Ihrem Haus… müssen wir da mit den Möbeln wieder ein paar Stockwerke hoch hinauf?«

      Dr. Daniel schüttelte lächelnd den Kopf. »Keine Angst, meine Herren, da müssen Sie nur in den Keller hinunter, und ich habe ein sehr geräumiges Treppenhaus.«

      Der Mann atmete sichtlich auf. »Das ist gut. Also, Herr Daniel, bis in drei oder vier Stunden sind wir dann bei Ihnen.«

      »Gut.« Dr. Daniel sah seine Schwester an. »Dann fahren wir beide schon mal los.«

      Die Fahrt in den kleinen Vorgebirgsort Steinhausen verlief nahezu schweigend, und je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr nahm Dr. Daniel das Tempo zurück.

      »Wenn du so weitermachst, dann kannst du gleich zu Fuß gehen«, meinte Irene mit einer Spur Sarkasmus,

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