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den wissenschaftlichen Sinn, welchen es den Griechen verdankte, einzubüßen.

      Zum Erziehungswesen. – In Deutschland fehlt dem höheren Menschen ein großes Erziehungsmittel: Das Gelächter höherer Menschen; diese lachen nicht in Deutschland.

      Nicht zu vergessen, dass militärische Privilegien den Zuviel-Besuch der höheren Schulen, das heißt ihren Untergang, förmlich erzwingen. – Es steht niemandem mehr frei, im jetzigen Deutschland seinen Kindern eine vornehme Erziehung zu geben: Unsre »höheren« Schulen sind allesamt auf die zweideutigste Mittelmäßigkeit eingerichtet, mit Lehrern, mit Lehrplänen, mit Lehrzielen. Und überall herrscht eine unanständige Hast, wie als ob etwas versäumt wäre, wenn der junge Mann mit 23 Jahren noch nicht »fertig« ist, noch nicht Antwort weiß auf die »Hauptfrage«: welchen Beruf? – Eine höhere Art Mensch, mit Verlaub gesagt, liebt nicht »Berufe«, genau deshalb, weil sie sich berufen weiß … Sie hat Zeit, sie nimmt sich Zeit, sie denkt gar nicht daran, »fertig« zu werden, – mit dreißig Jahren ist man, im Sinne hoher Kultur, ein Anfänger, ein Kind. – Unsre überfüllten Gymnasien, unsre überhäuften, stupid gemachten Gymnasiallehrer sind ein Skandal: Um diese Zustände in Schutz zu nehmen, wie es jüngst die Professoren von Heidelberg getan haben, dazu hat man vielleicht Ursachen, – Gründe dafür gibt es nicht.

      Die Erfahrung des Sokrates. – Ist man in einer Sache Meister geworden, so ist man gewöhnlich eben dadurch in den meisten andern Sachen ein völliger Stümper geblieben; aber man urteilt gerade umgekehrt, wie dies schon Sokrates erfuhr. Dies ist der Übelstand, welcher den Umgang mit Meistern unangenehm macht.

      Ein Mensch mit Genie ist unausstehlich, wenn er nicht mindestens noch zweierlei dazu besitzt: Dankbarkeit und Reinlichkeit.

      Zunahme des Interessanten. – Im Verlaufe der höheren Bildung wird dem Menschen alles interessant, er weiß die belehrende Seite einer Sache rasch zu finden und den Punkt anzugeben, wo eine Lücke seines Denkens mit ihr ausgefüllt oder ein Gedanke durch sie bestätigt werden kann. Dabei verschwindet immer mehr die Langeweile, dabei auch die übermäßige Erregbarkeit des Gemütes. Er geht zuletzt wie ein Naturforscher unter Pflanzen, so unter Menschen herum und nimmt sich selber als ein Phänomen wahr, welches nur seinen erkennenden Trieb stark anregt.

      Talent. – Das Talent manches Menschen erscheint geringer als es ist, weil er sich immer zu große Aufgaben gestellt hat.

      Begabung. – In einer so hoch entwickelten Menschheit, wie die jetzige ist, bekommt von Natur jeder den Zugang zu vielen Talenten mit. Jeder hat angeborenes Talent, aber nur wenigen ist der Grad von Zähigkeit, Ausdauer, Energie angeboren und anerzogen, so dass er wirklich ein Talent wird, also wird, was er ist, das heißt: es in Werken und Handlungen entladet.

      Lieben lernen. – Man muss lieben lernen, gütig sein lernen, und dies von Jugend auf; wenn Erziehung und Zufall uns keine Gelegenheit zur Übung dieser Empfindungen geben, so wird unsere Seele trocken und selbst zu einem Verständnisse jener zarten Erfindungen liebevoller Menschen ungeeignet. Ebenso muss der Hass gelernt und genährt werden, wenn einer ein tüchtiger Hasser werden will: sonst wird auch der Keim dazu allmählich absterben.

      Aus einer Doktor–Promotion. – »Was ist die Aufgabe alles höheren Schulwesens?« – Aus dem Menschen eine Maschine zu machen, – »Was ist das Mittel dazu?« – Er muss lernen, sich langweilen. – »Wie erreicht man das?« – Durch den Begriff der Pflicht. – »Wer ist sein Vorbild dafür?« – Der Philolog: der lehrt ochsen. – »Wer ist der vollkommene Mensch?« – Der Staats–Beamte. – »Welche Philosophie gibt die höchste Formel für den Staats-Beamten?« – Die Kants: der Staats–Beamte als Ding an sich zum Richter gesetzt über den Staats–Beamten als Erscheinung. –

      Wundererziehung. – Das Interesse in der Erziehung wird erst von dem Augenblick an große Stärke bekommen, wo man den Glauben an einen Gott und seine Fürsorge aufgibt: Ebenso wie die Heilkunst erst erblühen konnte, als der Glaube an Wunderkuren aufhörte. Bis jetzt glaubt aber alle Welt noch an die Wundererziehung: Aus der größten Unordnung, Verworrenheit der Ziele, Ungunst der Verhältnisse sah man ja die fruchtbarsten, mächtigsten Menschen erwachsen: Wie konnte dies doch mit rechten Dingen zugehen? Eine Erziehung, welche an kein Wunder mehr glaubt, wird auf dreierlei zu achten haben: Erstens, wie viel Energie ist vererbt? Zweitens, wodurch kann noch neue Energie entzündet werden? Drittens, wie kann das Individuum jenen so überaus vielartigen Ansprüchen der Kultur angepasst werden, ohne dass diese es beunruhigen und seine Einartigkeit zersplittern, – kurz, wie kann das Individuum in den Kontrapunkt der privaten und öffentlichen Kultur eingereiht werden, wie kann es zugleich die Melodie führen und als Melodie begleiten?

       Alter, Krankheit und Tod

      Alter und Krankheit werden für Nietzsche dann zu einem Problem, wenn sie ein sinnvolles und schöpferisches Leben nicht mehr zulassen. Die aktive und bewusste Entscheidung, sein Leben zu beenden, zeigt die Größe des Menschen. Nietzsche spaltet den Mensch in seine (alternde, verfallende, oft kranke) Kreatürlichkeit und sein Selbst, sein Wesen. Den körperlichen Verfall musste Nietzsche bereits früh und lange vor seiner geistigen Umnachtung am eigenen Leib erfahren, doch konnte er trotz der physischen Einschränkungen intellektuell weiterarbeiten. Hätte er den Verlauf seines rapiden Verfalls vorausgeahnt, wäre der Suizid eine wahrscheinliche Konsequenz gewesen. Ganz ohne Schrecken und ohne Angst, denn für Nietzsche gehört der Tod zum Leben, »hüten wir uns zu sagen, dass der Tod dem Leben entgegengesetzt sei.« Er ist die einzige Gewissheit in der Zukunft, doch keine, vor der man Angst haben muss. Denn nach Nietzsche folgt auf den Tod das »reine Nichts« (Karl Jaspers); damit wird auch die aus dem Glauben resultierende Angst vor möglichen Strafen oder der Hölle obsolet. Nietzsche geht sogar noch weiter: Die Angst vor dem Tod ist nicht nur ein Zeichen von Schwäche und einer Existenz, die ihren Zweck – nämlich ein kreatives, volles Leben zu führen – verfehlt, sondern sie perforiert die Lebenslust und -kraft des Menschen. So gelangt Nietzsche zu der Überzeugung, dass nur der Freitod über den natürlichen Tod triumphiert und die wahre Größe eines Menschen offenbart.

      Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.

      Greis und Tod. – Abgesehen von den Forderungen, welche die Religion stellt, darf man wohl fragen: Warum sollte es für einen alt gewordenen Mann, welcher die Abnahme seiner Kräfte spürt, rühmlicher sein, seine langsame Erschöpfung und Auflösung abzuwarten, als sich mit vollem Bewusstsein ein Ziel zu setzen? Die Selbsttötung ist in diesem Falle eine ganz natürliche naheliegende Handlung, welche als ein Sieg der Vernunft billigerweise Ehrfurcht erwecken sollte: Und auch erweckt hat, in jenen Zeiten als die Häupter der griechischen Philosophie und die wackersten römischen Patrioten durch Selbsttötung zu sterben pflegten. Die Sucht dagegen, sich mit ängstlicher Beratung von Ärzten und peinlichster Lebensart von Tag zu Tage fortzufristen, ohne Kraft, dem eigentlichen Lebensziel noch näher zu kommen, ist viel weniger achtbar. – Die Religionen sind reich an Ausflüchten vor der Forderung der Selbsttötung: Dadurch schmeicheln sie sich bei denen ein, welche in das Leben verliebt sind.

      Man soll vom Leben scheiden wie Odysseus von Nausikaa schied, – mehr segnend als verliebt.

      Das beste Heilmittel. – Etwas Gesundheit ab und zu ist das beste Heilmittel des Kranken.

      Lehre aus Bildern. – Betrachtet man eine Reihe Bilder von sich selber, von den Zeiten der letzten Kindheit bis zu der der Mannesreife, so findet man mit einer angenehmen Verwunderung, dass der Mann dem Kinde ähnlicher sieht, als der Mann dem Jünglinge: Dass also, wahrscheinlich diesem Vorgange entsprechend, inzwischen eine zeitweilige Alienation vom Grundcharakter eingetreten ist, über welche die gesammelte, geballte Kraft des Mannes wieder Herr wurde. Dieser Wahrnehmung entspricht die andere, dass alle die starken Einwirkungen von Leidenschaften, Lehrern, politischen Ereignissen, welche in dem Jünglingsalter uns herumziehen, später wieder auf ein festes Maß zurückgeführt erscheinen: Gewiss, sie leben und wirken in uns fort, aber das Grundempfinden und Grundmeinen hat doch die Übermacht und benutzt sie wohl als Kraftquellen, nicht aber mehr als Regulatoren, wie dies wohl in den zwanziger Jahren geschieht. So erscheint auch das Denken und Empfinden

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