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      Impressum

      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-362-6

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Es war ein Bild des Jammers.

      Sie hatten die „War Song“ zusammengeschossen, daß die ehedem stolze Kriegskaravelle nur noch wie ein lahmer Hund dahinschleichen konnte.

      Für Bootsmann Sullivan war das trotzdem kein Grund, in Wut auszubrechen. Denn die hatte er bereits an Sir John Killigrew ausgelassen, dem schlitzohrigen alten Halunken, der sich die Karavelle mit einem faulen Trick unter den Nagel gerissen hatte. Sullivan zwang sich, nicht mehr daran zu denken, denn sonst hätte er sich pausenlos selbst in den Hintern treten müssen.

      Und verdammt, im Moment war sowieso keine Zeit, sich mit ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ herumzuplagen.

      Die fünfzehn Männer von der Stammcrew der „War Song“ schufteten, was das Zeug hielt. Der achtere Mast hatte Notsegel. Gleich durch den ersten Schuß von der „Isabella“ war die Gaffelrute aus ihren Halterungen gerissen worden und mitsamt Segel und Takelage an Deck gekracht. Und ehe sie Zeit zum Luftholen gekriegt hatten, war das Ruder der Karavelle zerschmettert worden. Anschließend hatten sie ihr den Rest gegeben. Aber diese Teufelskerle waren so schlau gewesen, die „War Song“ nicht zu versenken, auch wenn der alte Killigrew sich das Schiff unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeeignet hatte. Denn immerhin war und blieb die Karavelle ein Kriegsfahrzeug Ihrer Majestät, der Königin von England. Das hatten sie respektiert, die Himmelhunde.

      Sullivan grinste, während er seine Befehle vom Deck des Achterkastells brüllte. Als ihm klar geworden war, daß der ehrenwerte Sir John alles andere vorhatte, als einen Beuteschatz sicherzustellen, der der Königin gehörte, hatte er dem alten Halunken ein Ding verpaßt, von dem dieser sich bis jetzt noch nicht wieder erholt hatte.

      Und danach hatten sich die Männer von der „Isabella V.“ und der Schaluppe von ihrer anständigsten Seite gezeigt, hatten der „War Song“ ein Notruder gezimmert, die Lecks mit Bordmitteln ausgebessert und die Segel notdürftig geflickt.

      Noch in derselben Nacht hatten sie Kurs auf Plymouth genommen. Träge wie ein fetter Lastkahn auf dem London-Fluß waren sie dahingekrochen.

      Doch jetzt nicht mal mehr das.

      Ein starker Nordost vereitelte alle Bemühungen. Seit Stunden kreuzte die Karavelle praktisch auf der Stelle. Drei Schritte vor, zwei zurück, wäre noch geprahlt gewesen. Mit dem Notruder war kein Staat zu machen, und die geflickten Segel bewirkten den Rest der Hilflosigkeit.

      Allein sechs Mann waren pausenlos an den Pumpen im Einsatz. Ausbessern ist nicht Reparieren. Zwar lagen die Lecks allesamt oberhalb der Wasserlinie, doch bei jedem Überkrängen des Schiffes suppte es wie wild herein. Die Männer an den Pumpen waren voll beschäftigt. Kein Gedanke, daß sie dem Segelmacher auch nur zeitweilig zur Hand gehen konnten.

      Die Hände geballt, starrte Sullivan auf die tief dahinjagenden Wolkenberge. Es war witzlos, sich weiter mit diesem elenden Nordost herumzuschlagen. Reine Kraftverschwendung.

      Sullivan, der stämmige Haudegen mit den messerscharfen blauen Augen und dem vom Wind zerzausten blonden Haar, gab auf. Er kannte seine eigenen Grenzen.

      Hol’s der Teufel, mit einer voll einsatzfähigen „War Song“ wäre er selbst bei diesem Nordost sämtlichen Meerjungfrauen quer über den Hintern gesegelt!

      Aber er war vernünftig genug, zu wissen, wann es keinen Zweck mehr hatte, die Männer durch die Gegend zu scheuchen.

      Mit Donnerstimme gab er Befehl, einen Treibanker auszuwerfen. Vier Männer hasteten zum Spill. Der Anker klatschte in einen heranrollenden Wellenberg. Kurz darauf stabilisierte sich die Karavelle.

      Sullivan stieß ein zufriedenes Brummen aus. Jetzt hieß es abwarten, bis der Wind günstiger stand. Und sobald der Segelmacher die Notsegel durch neues, vollständiges Tuch ersetzt hatte, konnte die „War Song“ wieder zeigen, daß sie alles andere als ein lahmer Kasten war.

      Es war eine höllische Art des Erwachens. Mit dem Bewußtsein setzte der Schmerz ein. Gerade so, als hieben tausend spanische Minensklaven mit ihren Hämmern drauflos, um seinen Schädel von innen her zu sprengen. Als seine Sinne allmählich klarer wurden, begriff Sir John, daß sein Kopf kein Bergwerk war. Sein Erinnerungsvermögen kehrte schlagartig zurück.

      Ohnmächtige Wut packte ihn.

      Gerade rechtzeitig besann er sich, diese Wut nicht hinauszubrüllen, obwohl es ihn reizte, die Trottel, die mit ratlosen Mienen auf ihn hinunter blickten, gehörig zusammenzustauchen. Aber da drang fremdes Gebrüll in sein Bewußtsein, kurze, präzise Kommandos von einem, der sein Handwerk verstand. Für Sir John wirkte es wie ein Signal. Dank der ihm eigenen füchsischen Gerissenheit erkannte er das Gebot des Augenblicks: Er durfte nicht lautstark auf sich hinweisen. Denn wie es aussah, hatte der Hurensohn von einem Bootsmann im Moment andere Sorgen, als sich um seinen Widersacher zu kümmern, den er auf die Planken geschickt hatte.

      Sir John schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden. Sein Verstand funktionierte voll. Aber der hämmernde Schmerz wollte nicht weichen. Er blickte nach beiden Seiten und stellte fest, daß er auf dem Deck der Kuhl hockte, mit dem Rücken an den Großmast gelehnt. Sein Gesicht war dem Vorschiff zugewandt. Also war er zumindest durch den Mast vor Blicken von achtern geschützt.

      Gut so.

      Er hob den Kopf und musterte seine Männer. Einige duckten sich unwillkürlich, als sie die Eiseskälte seiner Augen spürten.

      „Was gafft ihr so dämlich!“ rief er halblaut und fauchend. „Ist es so verdammt komisch, den General-Kapitän von Cornwall mit dem Hintern auf den Decksplanken zu sehen?“

      Sie zogen die Köpfe noch ein Stück tiefer zwischen die Schultern und starrten auf eben jene Planken hinunter, als gäbe es dort etwas umwerfend Neues zu sichten.

      Sir John unterdrückte sein Verlangen, sich aufzurappeln, um wieder als ganzer Kerl vor diesen Bastarden zu stehen, die es ohne sein Kommando nicht fertiggebracht hatten, die Karavelle unter Kontrolle zu behalten. Er mußte noch ein Weilchen ausharren, denn es hing jetzt alles davon ab, das Überraschungsmoment zu nutzen. Offenkundig hatte die Stammcrew der „War Song“ alle Hände voll zu tun. Es war also durchaus anzunehmen, daß ein Überrumpelungsversuch klappen würde. Dazu brauchte man nicht einmal die gesamte Crew auszuschalten.

      „Seid ihr vollzählig?“ erkundigte sich Sir John leise, aber dennoch mit der unnachgiebigen Schärfe des Vorgesetzten.

      „Jawohl, vollzählig, Sir John“, antwortete einer der Männer in der vordersten Reihe. „Wir

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