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gekünstelt. Die alte Frau machte sich Sorgen um den Neffen, der sich offensichtlich in ein Abenteuer gestürzt hatte.

      Amanda kam ins blaue Zimmer. »Entschuldigen Sie, Frau Gräfin, aber der neue Diener ist da. Herr Kant sagt, er hätte einen Vorstellungstermin.«

      »Du lieber Himmel, den hatte ich völlig vergessen.« Tante Ludovica strich sich über das dunkle glatte Haar, prüfte den Sitz des Knotens im Nacken und zupfte am Spitzenkragen.

      Ulrike unterdrückte ein Lachen. Sieh da, dachte sie. Tante Ludovica ist ja noch eitel.

      »Bringen Sie Herrn Kant bitte herein, Amanda.«

      »Sehr wohl, Frau Gräfin.«

      Kurz darauf stand der neue Bewerber, der elfte nunmehr, vor der Gräfin und verneigte sich. »Ich bin Philip Kant, Frau Gräfin, und das sind meine Reverenzen.«

      Er reichte ihr ein braunes Kuvert, dem Gräfin Ludovica zunächst keinerlei Beachtung schenkte. Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete sie den Bewerber.

      Die Gräfin hielt sich für eine große Menschenkennerin, und sie glaubte, auch ohne Zeugnisse einen guten Diener auf Anhieb erkennen zu können.

      Philip Kant zuckte nicht mit der Wimper. Gelassen hielt er ihrem Blick stand.

      Gräfin Ludovica runzelte die Stirn. Täuschte sie sich, oder lächelte der Mann tatsächlich leicht ironisch?

      Auch Ulrika betrachtete neugierig den Mann, den sie etwa auf fünfundvierzig Jahre schätzte. Er gefiel der Baroness, denn er hatte eine positive Ausstrahlung. Außerdem beeindruckte es Ulrike, dass er Tante Ludovicas Musterung so gelassen ertrug.

      Es war still im blauen Zimmer. Nur das Rascheln der Papiere, die die Gräfin nun gründlich studierte, war zu hören.

      »Wie ich sehe, haben Sie ausgezeichnete Reverenzen«, sagte die Gräfin, als sie die Papiere wieder ins Kuvert schob. »Warum haben Sie Ihre letzte Anstellung bei der Herzogin von Schonstein aufgegeben? Wie ich sehe, waren Sie immerhin acht Jahre im Dienst der Herzogin.«

      »Nun …«, Philip Kant zögerte. »Verzeihung, Frau Gräfin, aber die Herzogin von Schonstein war vierundneunzig, und sie wusste so manches, was sie tat, bereits eine Stunde darauf nicht mehr. Wie Sie aber aus meinen Reverenzen ersehen können, sprach ich mit dem Sohn der Herzogin, und dieser zeigte vollstes Verständnis für meinen Wunsch, nicht mehr in den Diensten der Herzogin arbeiten zu wollen. Außerdem wurde die Herzogin kurz nach meinem Weggehen in ein privates Sanatorium gebracht.«

      Gräfin Ludovia schmunzelte. »Das haben Sie aber hübsch umschrieben, Herr Kant.« Sie neigte sich zu Ulrike und flüsterte dicht an deren Ohr: »Ich habe immer befürchtet, dass Mathilde eines Tages so enden würde. Bei ihr waren schon früher ein paar Schräubchen locker.«

      »Aber Tante Ludovica«, tadelte die Baroness sie.

      »Ach, nun schimpf nicht«, wehrte die alte Dame ab. »Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt. Vielleicht ohne schmückendes Beiwerk, das gebe ich zu, aber ansonsten würde mir jeder ehrliche Mensch aus unseren Kreisen beipflichten.«

      Die Gräfin wandte sich wieder dem Bewerber zu. »Sie gefallen mir, Herr Kant. Wann können Sie die Stellung bei mir antreten?«

      »Schon morgen, wenn Sie wünschen.« Er verneigte sich leicht.

      »Wunderbar.« Die Gräfin war begeistert. Sie griff zu einer kleinen Silberglocke auf dem Tischchen und läutete. Als die Zofe hereinkam, bat die Gräfin: »Amanda, bringen Sie bitte Herrn Kant in den Ostflügel. Er wird dort das grüne Zimmer mit dem kleinen Balkon bewohnen. Ach, fast hätte ich es vergessen. Amanda, das ist unser neuer Diener Philip.«

      »Wie Sie wünschen.« Amanda war erstaunt, denn das grüne Zimmer im Ostflügel war eigentlich nicht für Personal bestimmt. Na, mir soll es egal sein, wo unser neuer Diener unterkommt.

      *

      Gerhard Graf von Permont erhob sich sofort, als er die Contessa in Begleitung eines Hotelboys auf sich zukommen sah.

      Die blendende Erscheinung des jungen Grafen zog so manchen Frauenblick auf sich. Er trug dunkle Hosen und ein weißes Dinnerjackett, das seinen braunen Teint hervorhob. Gerhards kräftig-blondes Haar schimmerte wie reifes Korn.

      Doch auch Silvia zog die Blicke der Anwesenden auf sich. Das tiefdekolletierte Abendkleid war eine raffinierte Kreation aus hellblauem Chiffon, ein dreifaches Perlenkollier schmückte ihren gebräunten Hals, und der Schimmer der Perlen wetteiferte mit dem Lächeln der Contessa.

      Der Boy verneigte sich, nachdem er Silvia an den Tisch des Grafen begleitet hatte und zog sich sofort wieder zurück.

      Gerhard küsste Silvia die Hand, und als er sich aufrichtete, verlor er sich sekundenlang in dem dunklen samtenen Braun ihrer großen leicht mandelförmig geschnittenen Augen.

      »Ich freue mich, dass Sie doch noch gekommen sind«, sagte er.

      »Und ich muss Sie um Entschuldigung bitten«, erwiderte sie und setzte sich, als er ihr den Stuhl zurechtrückte. »Ich hatte Migräne und konnte mich erst im letzten Augenblick entschließen, doch noch zu kommen. Mein Cousin und Tante Maria haben sich reizend um mich bemüht.«

      »Ihr Cousin?« Eifersucht flammte in Gerhards Herzen auf. »Er lebt bei Ihnen?«

      Ein Ober in dunklem Frack verneigte sich neben Silvia. »Haben Sie schon gewählt, gnädige Frau?«

      »Ich schließe mich dem Grafen an«, entgegnete Silvia gelangweilt und wandte sich dann an Gerhard. »Ich hoffe, Sie haben kein großes Menü gewählt?«

      »Nein, nur ein wenig kalten Hummer«, erwiderte er und wartete ungeduldig darauf, dass der Ober Champagner in Silvias Glas schenkte. Als der Ober sich entfernte, hob Gerhard sein Glas. »Ich trinke auf die schönste und bezauberndste Frau, die mir je begegnete.«

      »Und ich auf den charmantesten Schmeichler.« Silvia lachte und trank einen kleinen Schluck.

      Die Contessa schaute sich unauffällig um. Ja, das war der Rahmen, den sie liebte. Der Palmengarten des Hotels war bekannt und berühmt, und seine Atmosphäre verdankte er nicht zuletzt der indirekten Beleuchtung und den kleinen Wasserspielen, deren Wasserperlen sich in tausend Aquarellfarben präsentierten.

      Gerhard kannte sich selbst nicht wieder. Er war als guter Unterhalter bekannt und verstand es im allgemeinen, geistreich und gekonnt zu plaudern.

      Doch in Silvias Nähe war alles anders. Ja, Gerhard ertappte sich bei dem Wunsch, nichts reden zu müssen. Er wollte sie nur anschauen, und in ihren dunklen Augen konnte er sich verlieren.

      Der kleine Imbiss wurde schweigend eingenommen, und Silvia unterdrückte ein spöttisches Lächeln. Himmel, den Grafen hatte es aber mächtig erwischt!

      Seine Verlegenheit spürte Silvia fast körperlich, und sie amüsierte sich köstlich darüber.

      Die junge Frau war eine fantastische Schauspielerin, und jeder hätte ihr die Rolle geglaubt, die sie dem Grafen vorspielte.

      »Ich weiß nicht, warum ich Ihre Einladung angenommen habe«, sagte Silvia, der das Schweigen nicht behagte. »Es …, es ist gar nicht meine Art. Aber irgendetwas zwang mich dazu … Ich habe mit Tante Maria darüber gesprochen, und sie meinte, so etwas sei Schicksal.«

      Gerhards Herz klopfte schneller. Spürte auch er nicht etwas Schicksalhaftes in der Begegnung mit der Contessa? Ja, sie hatte ihn vom ersten Augenblick an fasziniert, und bereits jetzt, nach so wenigen Tagen, konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.

      Gerhard legte die Finger auf ihre Hand und lächelte verliebt. »Mir geht es nicht anders, Contessa«, gestand er leise. »Auch ich fühle mich zu Ihnen hingezogen, wie noch zu keiner anderen Frau zuvor.«

      Gerhard dachte kurz an Ulrike von Menden. Ja, er hatte geglaubt, sie zu lieben, doch seit er Silvia kannte, erschien ihm das Gefühl für Ulrike klein und nichtssagend.

      Ach, was denke ich überhaupt an Ulrike?, fragte er sich unwillig. Gerhard wollte das aufkeimende Schuldgefühl

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