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nicht. Bis jetzt hatte er jedenfalls noch keine Ausfälle irgendwelcher Art.« Sehr ernst sah sie Stefan an. »Ist es auch wirklich in Ordnung? Ich meine, wenn Sie Bedenken haben, dann bleibe ich selbstverständlich in Steinhausen, wo ich innerhalb weniger Minuten in der Klinik sein könnte.«

      »Ach was«, wehrte Stefan ab. »Während meiner bisherigen Nachtschichten habe ich noch nie den Bereitschaftsarzt gebraucht, und ich denke nicht, daß das heute anders sein wird. Fahren Sie also ruhig nach München, Alena. Ich komme hier schon klar.«

      Lächelnd drückte Alena ihm die Hand. »Danke, Stefan. Dafür haben Sie etwas bei mir gut.«

      »Da hätte ich auch gleich einen Vorschlag. Wie wär’s denn mit dem Du?« fragte der junge Assistenzarzt. »Seit ich mit Jeff per Du bin, sind Sie die einzige, die mich immer noch siezt.«

      Alena lächelte. »Das können wir gerne ändern, Stefan.«

      »Fein«, meinte er, dann machte er sich auf seine erste Runde durch die Klinik, begrüßte die Nachtschwester Irmgard Heider, die inzwischen ebenfalls ihren Dienst angetreten hatte, und ließ sich schließlich im Arztzimmer der Chirurgie nieder. Bis jetzt war alles ruhig – auch bei den Patienten, die Dr. Metzler ihm ans Herz gelegt hatte, und Stefan hoffte, daß es so bleiben würde.

      Draußen machte gerade ein greller Blitz die Nacht sekundenlang zum Tag, dem unmittelbar darauf ein grollender Donner folgte. Stefan trat ans Fenster und schaute hinaus. Strömender Regen prasselte gegen die Scheiben.

      »Genau das richtige Wetter für eine Nachtschicht«, murmelte er, betrachtete noch eine Weile das Schauspiel der zuckenden Blitze, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.

      *

      Jana Kemmerer wollte gerade zu Bett gehen, als ein schier unerträglicher Schmerz sie buchstäblich festnagelte. Mit einem Aufschrei griff sie an ihren Bauch, und im nächsten Au-

      genblick war Horst an ihrer Seite.

      »Liebling, was ist?« fragte er erschrocken.

      Doch Jana brachte kein Wort hervor. Der Schmerz hämmerte und pochte in ihr, und es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis er wieder verebbte.

      »Meine Güte«, stöhnte sie und ließ sich erschöpft auf den nächstbesten Sessel fallen. »Wenn das eine Wehe war…« Sie schüttelte den Kopf. »Frau Lüder hat doch gesagt, der Schmerz würde langsam anschwellen.«

      Mit besorgtem Gesicht sah Horst sie an. »Wir sollten sofort in die Klinik fahren.«

      Jana nickte, doch als sie aufstehen wollte, wurde sie schon wieder von diesem unerträglichen Schmerz überfallen. Im ersten Augenblick blieb Horst zögernd neben ihr stehen. Es widerstrebte ihm, seine Frau gerade jetzt allein zu lassen, doch dann sagte er sich, daß es bestimmt wichtiger sei, sie rasch in die Klinik zu schaffen. Im Laufschritt eilte er ins Schlafzimmer, schnappte sich den bereitgestellten Koffer und trug ihn hinaus. Achtlos warf er ihn in den Kofferraum seines Wagens, dann kehrte er schnellstens zu Jana zurück.

      Die Wehe war inzwischen verklungen, doch Jana war so erschöpft, um allein aufzustehen und hinauszugehen. Horst mußte sie stützen, und kaum im Auto angekommen, wurde Jana bereits wieder vom Wehenschmerz gepeinigt.

      Die Straßen waren menschenleer, so kam Horst zügig voran. Bereits nach wenigen Minuten erreichte er die Waldsee-Klinik und stürzte in die Eingangshalle.

      »Wo ist ein Arzt?« schrie er. »Schnell! Ich brauche einen Arzt!«

      Die Nachtschwester eilte zu ihm. »Was ist passiert?«

      »Meine Frau! Sie hat schreckliche Wehen!«

      »Kann sie gehen? Oder hatte sie einen vorzeitigen Blasensprung?«

      Horst schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht…, das heißt, nein, sie hatte ganz sicher keinen. Aber die Wehen…«

      »Bringen Sie Ihre Frau in die Gynäkologie«, fiel Schwester Irmgard ihm ins Wort und wies dabei auf die undurchsichtige Glastür, die zum linken Flügel der Klinik führte. »Ich hole inzwischen Dr. Daniel.«

      »Dr. Daniel? Er ist hier?« fragte Horst, und die Schwester hörte dabei die Erleichterung, die aus seiner Stimme klang.

      »Ich meine den jungen Dr. Daniel«, erwiderte Irmgard, dann machte sie sich schnellstens auf den Weg zur Chirurgie.

      Ziemlich beunruhigt kehrte Horst zu seinem Auto zurück.

      »Der junge Dr. Daniel hat Dienst«, erstattete er seiner Frau sofort Bericht. »Ich weiß nicht, ob das in dieser Situation wirklich gut ist. Du bräuchtest doch jetzt einen Arzt mit Erfahrung.«

      Doch Jana war mittlerweile schon alles egal. Was um sie herum vorging, interessierte sie nicht mehr. In ihrem Leben gab es in diesem Moment nur noch den unerträglichen Schmerz, der sie immer wie aus heiterem Himmel überfiel, und der sich vollkommen von dem unterschied, was die Hebamme ihr in der Geburtsvorbereitung gesagt hatte.

      Jana und Horst hatten die Glastür, die zur Gynäkologie führte, noch nicht ganz erreicht, als Stefan mit Schwester Irmgard durch die Eingangshalle auf sie zukam.

      »Seit wann haben Sie Wehen, Frau Kemmerer?« wollte er sofort wissen und mußte dabei unwillkürlich an Alenas Worte denken. »Wir können nur hoffen, daß unser Team vollständig vertreten sein wird, wenn sie mit Wehen hier in der Klinik ankommt, denn daß es bei die-

      ser Geburt zu Komplikationen kommen wird, ist schon so gut wie vorprogrammiert. Und nun war er ausgerechnet heute allein hier in der Klinik.

      »Seit einer Viertelstunde vielleicht«, antwortete Jana atemlos. »Herr Doktor, es tut so schrecklich weh. Der Schmerz kommt nicht langsam, sondern wie ein Schlag.« In diesem Moment krümmte sie sich schon wieder zusammen und schrie auf.

      Irmgard holte eine fahrbare Trage, und mit Hilfe von Horst gelang es Stefan, die hochschwangere Frau hinaufzuheben, dann ging es im Laufschritt zum Kreißsaal. Dort nahm Stefan eine erste Untersuchung vor.

      »Der Muttermund ist bereits drei Zentimeter offen«, erklärte er. »Das ist bei einer Erstgebärenden sehr ungewöhnlich, aber nicht unbedingt besorgnis-erregend.« Er sah Jana an. »Versuchen Sie, die Wehen so zu veratmen, wie Sie es im Vorbereitungskurs gelernt haben. Schwester Irmgard wird bei Ihnen bleiben. Ich alarmiere inzwischen die Hebamme.« Und noch ein paar Leute mehr«, fügte er in Gedanken hinzu, dann ging er zur Tür, doch dort blieb er noch mal stehen und sah zu der Nachtschwester zurück. »Wir müssen Frau Kemmerer an den Wehenschreiberanschließen.«

      »Ich erledige das«, erkärte Irmgard mit unerschütterlicher Ruhe. »Gehen Sie ruhig, Herr Doktor.«

      Eiligst verließ Stefan den Raum, und Horst sah ihm besorgt nach, dann wandte er sich der Nachtschwester zu.

      »Könnten Sie nicht einen anderen Arzt alarmieren?« fragte er. »Ich meine… Dr. Daniel ist noch so jung.« Er zögerte. »Ist er überhaupt schon ein richtiger Arzt?«

      »Ja, Herr Kemmerer, keine Sorge«, entgegnete Irmgard, während sie Jana an den Wehenschreiber anschloß. »Der junge Dr. Daniel ist sogar ein ganz ausgezeichneter Arzt. Und das hier ist auch nicht die erste Entbindung, die er vornimmt. Bei ihm ist Ihre Frau wirklich in gu-ten Händen.«

      Doch Horst schien nicht vollends beruhigt zu sein. »Er wirkte doch sehr nervös.«

      Das hatte natürlich auch Irmgard bemerkt, doch sie wußte auch, daß Stefan einen bestimmten Grund für diese Nervosität haben mußte. Vermutlich kannte er die Patientin bereits und rechnete mit Komplikationen.

      »Wenn es einen Notfall gibt, kommt es immer zu kurzfristiger Hektik«, wich Irmgard aus. »Sie werden schon sehen, Herr Kemmerer, Dr. Daniel ist die Ruhe in Person, wenn er erst alles Nötige veranlaßt hat.«

      »Ja, hoffentlich«, murmelte Horst, dann setzte er sich zu seiner Frau und hielt ihre Hand, während sie sich von einer erneuten schmerzhaften Wehe erholte. »Es wird alles gut, mein Liebling.«

      Doch Jana reagierte nicht. Sie war völlig in dem immer wiederkehrenden Schmerz gefangen.

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