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      Dan erreichte den Grund der Barriere, auf die die „Isabella“ aufgebrummt war, als erster. Er war unbestritten der beste Schwimmer der Crew. Und wenn Ferris Tucker zuvor allein einen Tauchversuch unternommen hatte, dann deshalb, weil er mit eigenen Augen sehen wollte, wie die Galeone sich festgerannt hatte und was am besten zu tun war. Von solchen Dingen verstand der Schiffszimmermann mehr als jeder andere an Bord.

      Ferris Tucker sah das Bürschchen vor sich im rasch dunkler werdenden Grün der Karibik verschwinden, und er beeilte sich, ebenfalls so rasch wie möglich an der. Steuerbordseite der dickbauchigen Galeone zum Grund zu tauchen.

      Dan wartete bereits in der Nähe des Ruderblattes auf ihn – die einzige Stelle, an der die Morgensonne noch etwas Licht spendete, während im Schatten des Rumpfes immer noch absolute Finsternis herrschte.

      Dan winkte dem Schiffszimmermann zu und deutete zum Grund hinunter. Ferris Tucker glitt näher an den Jungen heran, und dann erkannte er sofort, was Dan mit seinen scharfen Augen entdeckt hatte. Vom Heck der Galeone aus war deutlich zu sehen, daß die „Isabella“ zwar auf einer Felsbarriere festsaß, daß diese aber die Form einer flachen Mulde hatte und nach Steuerbord hin leicht abfiel.

      Ebenfalls registierte der Schiffszimmermann, daß sich in der muldenförmigen Oberfläche der Felsbarriere durch die Meeresströmung Sand abgelagert hatte und auch liegengeblieben war. Wiederum eine Tatsache, die ihre Chance, die „Isabella“ flottzukriegen, vergrößerte.

      Gleichzeitig schossen Ferris Tukker zwei Möglichkeiten durch den Kopf, und er beschloß, beide sofort in die Tat umzusetzen. Es war auch durchaus richtig gewesen, daß sie die „Isabella“ inzwischen geleichtert hatten, andernfalls hätte absolut keine Möglichkeit bestanden, das schwere Schiff mittels des Flaschenzuges über die Barriere ins tiefe Wasser zu ziehen.

      Soweit war der Schiffszimmermann mit seinen Überlegungen. Das alles hatte nur Sekunden gedauert. Er wollte Dan ein Zeichen geben, noch ein Stück am Rumpf der Galeone entlangzutauchen, um festzustellen, ob es tatsächlich auf der gesamten Barriere keine scharfen Klippen gab, als er plötzlich sah, wie sich Dan ans Ruder klammerte. Gleichzeitig blickte er sich mit weitaufgerissenen Augen zu Ferris Tucker um, unfähig, auch nur mit einer einzigen Handbewegung anzudeuten, was ihn so sehr erschreckte und nahezu lähmte.

      Ferris Tucker verlor keine Zeit. Er kannte Dan lange genug, um zu wissen, daß er alles andere als ein Hasenfuß war. Der Schiffszimmermann stieß sich von der Barriere ab und schwamm mit ein paar kräftigen Stößen zu Dan hinüber. Aber er hatte Dan noch nicht erreicht, als ihm das Herz vor Schreck beinahe stehenblieb.

      Er sah den riesigen langgestreckten Schatten, der auf den Jungen zuschoß, den breiten hammerförmigen Kopf, die tückisch blickenden Augen.

      Ein Hammerhai! schoß es Ferris durch den Kopf. Ein Hammerhai, der geradewegs auf Dan losschwamm. Wenn der Junge jetzt die Nerven verlor, wenn er jetzt die Flucht ergriff, dann würde ihm niemand mehr helfen können, denn der Hammerhai würde ihn einholen und von hinten angreifen.

      Ferris Tucker schwamm mit gewaltigen Stößen auf Dan zu, der sich noch immer am Ruder festklammerte und dem Hai entgegenstarrte.

      Ferris erreichte den Jungen, als der Hammerhai schon das breite, an der Unterseite seines Kopfes liegende Maul aufriß, um Dan mit seinen messerscharfen Zähnen zu packen.

      Ferris griff nach Dan, riß ihn mit einem Ruck vom Ruder weg und verschwand blitzartig mit ihm auf der anderen Seite des Ruderblattes.

      Das war buchstäblich in allerletzter Sekunde geschehen, denn gleich darauf spürte er den dumpfen Anprall des riesigen Fisches. Er sah einen dunklen Körper an sich und Dan vorbeischießen und erschrak über die Größe und Wildheit dieses Hais, der sofort herumschwang, für einen Augenblick in der dunklen Tiefe verschwand und gleich darauf wieder auf sie zujagte.

      Dan verlor in diesem Moment die Nerven. Er sah lediglich den riesigen Hai, seinen weitgeöffneten Rachen und die großen Augen an dem breiten, hammerförmigen Kopf, die ihn höhnisch und gierig zugleich anzustarren schienen. Mit wilden Bewegungen versuchte er sich aus der Umklammerung des Schiffszimmermanns zu befreien. Er hatte nur noch einen Gedanken: Flucht an die Oberfläche, weg von dieser grauenhaften Bestie!

      Ferris Tucker hatte mit einer solchen Reaktion Dans gerechnet. Er hielt den sich windenden und wild um sich schlagenden Jungen eisern fest. Aber das alles behinderte ihn auch gleichzeitig, sich wiederum auf der anderen Seite des Ruderblattes vor dem Hai in Sicherheit zu bringen. Noch bevor er Dan einigermaßen zur Ruhe gebracht hatte, war der Hammerhai heran. Es gelang dem Schiffszimmermann gerade noch, sich mit Dan in den Armen zur Seite zu werfen, da prallte das riesige Tier unmittelbar neben ihm mit weitgeöffnetem Rachen gegen die Galeone. Diesmal mit einer solchen Wildheit und so großer Wucht, daß der Hai für einen Moment wie betäubt durchs Wasser glitt und auf den Grund der Barriere sank, die direkt hinter dem Schiff steil abfiel.

      Ferris spürte, wie ihm durch den wilden Kampf mit Dan, der sich immer noch wie verrückt in seinem eisernen Griff gebärdete, die Luft knapp wurde. Schon wollte er sich abstoßen, da hatte der Hai den Anprall überwunden. Sein breiter Kopf zuckte herum und suchte die Beute.

      Ferris Tucker hatte wertvolle Sekunden versäumt, jetzt war es zu spät. Aufzutauchen, hieß unweigerlich, von der Bestie angefallen und zerfleischt zu werden. Unter Wasser zu bleiben, bedeutete, unweigerlich zu ertrinken.

      Es war einer der wenigen Momente in seinem Leben, in denen auch Ferris Tucker keinen Ausweg mehr wußte, und er spürte, wie die aufsteigende Panik von ihm ebenso Besitz zu ergreifen drohte wie von Dan.

      Doch dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Ein Schwimmer glitt auf den Hai, der nach seiner Beute suchte, zu. In dem spärlichen Licht, das die Sonne bis auf den Grund der Barriere schickte, blitzte die Klinge eines breiten Messers auf.

      Ferris Tucker vergaß vor Entsetzen und Erstaunen für einen Moment den immer stärker werdenden Luftmangel. Aus weitgeöffneten Augen starrte er dem Mann entgegen, der direkt auf den Hammerhai zuschwamm, dem herumzuckenden Tier geschickt auswich und ihm im nächsten Moment den Bauch aufschlitzte, indem er den Hammerhai kurzerhand untertauchte.

      Ferris Tucker sah noch, wie das Blut in dunklen Wolken aus dem Leib des Hais hervorquoll, wie der Hai sich herumwarf und mit wilden, zuckenden Bewegungen in der dunklen Tiefe jenseits der Barriere verschwand.

      In diesem Moment erschien noch ein zweiter Mann der Besatzung, und den erkannte Ferris Tucker sofort an seinem Rammkinn: Carberry.

      Er und Jean Ribault verständigten sich mit einem Blick. Sie mußten verschwinden, und zwar sofort. Der verwundete Hammerhai würde andere anlocken, sein ausblutender Körper würde ganze Rudel von diesen gefährlichen Tieren herbeirufen. Jean Ribault wußte nur zu genau, daß diese Haie so gut wie nie einzeln, sondern fast immer in Rudeln auftraten.

      Er schwamm zu Ferris Tucker und Dan herüber, Carberry folgte ihm sofort. Der Profos nahm dem Schiffszimmermann, dem vor Luftmangel bereits feurige Ringe vor den Augen kreisten, den Jungen ab und schoß mit Dan zur Oberfläche hoch. Als Dan sich dabei zu sehr wehrte, verpaßte ihm Carberry einen derben Hieb, der ihm fast augenblicklich die Besinnung raubte.

      Jean Ribault packte den Schiffszimmermann und riß ihn mit sich fort. Ferris Tucker hatte immerhin noch so viel Überlegung, daß er Ribault dabei, so gut er das vermochte, unterstützte.

      Sekunden später durchbrachen auch Ribault und Tucker die Oberfläche. Der Schiffszimmermann wollte seine Lungen gierig voll Luft pumpen, aber Ribault trieb ihn unbarmherzig an. Er kannte sich aus in der Karibik und zweifelte nicht daran, daß schon in diesem Moment andere Haie von unten auf sie zuschossen.

      Auch der Seewolf und die Männer der Crew hatten das begriffen. Sie packten zu, rissen zuerst Dan und Carberry und gleich danach auch Ferris Tucker und Jean Ribault an Bord.

      Nur knapp zehn Sekunden später wurde ihnen fast schlecht bei dem Anblick, der sich ihren Augen bot. Insgesamt sieben Haie, davon allein vier wiederum Hammerhaie, schossen neben dem Schiff aus dem Wasser. In ihren weitaufgerissenen Rachen blitzten die messerscharfen Zähne. Ein riesiger Blauhai, der sich voller Wut und Gier im zweiten Anlauf fast

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