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jedem Tropfen Blut, hänge an Rautenau mit ganzem Herzen. Und das Herz tut mir jedesmal bitter weh, daß dieser prächtige Besitz immer wieder zurückstehen muß, damit der Erbherr herrlich und in Freuden leben kann. Man könnte weinen vor Jammer!«

      »Ist ja schon gut, mein Getreuer«, beschwichtigte der Graf den bekümmerten Mann. »Lassen Sie mir die Bücher zugehen, damit ich mich überzeugen kann, wie wir überhaupt dastehen.«

      Und sie standen schlecht da, wie er nach sorgfältiger Prüfung der Bücher betroffen feststellte. Noch eine Anleihe bei Sander – und ihm gehörte zu zwei Drittel die feudale Herrschaft Raute­nau. Der Verwalter hatte recht, so ging es nicht länger. Edzard mußte sein Globetrotterleben aufgeben, damit nicht weitere Unsummen dem Besitz entrissen wurden.

      Und nun saß er da, der unbekümmerte junge Erbe, der keine Ahnung davon hatte, wie traurig es um dieses Erbe stand. Erzählte den Eltern von seiner Reise und tat es so fesselnd und charmant, daß es eine Lust war, ihm zuzuhören.

      »Und wie geht es bei Sanders?« wollte er später wissen. »Was macht die Dörth? Ist sie immer noch so ein miesepetriges Dinglein, das sich selbst nicht leiden kann? Wehe dem armen Mann, der diese kleine Tyrannin einmal heiraten wird«, schloß er lachend – und der Vater hatte das Gefühl, als müßte ihm das Herz stillstehen vor Schreck.

      Deubel noch eins, das konnte ja gut werden! Der Junge hatte natürlich keine Ahnung davon, was er mit seinem Freund Sander vereinbarte.

      Auch die Gräfin ahnte nichts. Ebensowenig, wie verschuldet Rautenau war. Sie war ja so zart und fein, mußte vor jedem rauhen Luftzug des Lebens geschützt werden.

      »Pfui, Junge, wie ungalant«, lachte sie jetzt, doch der Gatte winkte hastig ab.

      »Edzard, unterlaß bitte derartige Bemerkungen, damit sie nicht womöglich Sanders zu Ohren kommen. Du weißt doch, wie vernarrt sie in ihre Kinder sind…«

      »Natürlich weiß ich das«, warf der Sohn unbekümmert ein. »Aber ihr werdet ja das, was ich soeben über den Abgott bemerkte, bestimmt nicht weitersagen.«

      In dem Moment schlug der Fernsprecher laut an, und Edzard nahm das Gespräch entgegen.

      »Jawohl, ich bin es persönlich«, hörten die Eltern ihn sprechen. »Wie es mir geht? Blendend natürlich. Nun, nun, so arg ist es nun auch wieder nicht, daß ich meinem Globetrottertum Valet sagen müßte. Ich kann es ja nach einer geruhsamen Pause dann hier wiederaufnehmen. Was sagst du da?«

      Jetzt lauschte er der Stimme am andern Ende und sprach dann lachend: »Danke, das werde ich bestellen. Natürlich finden wir uns morgen ein, das ist ja nun mal Ehrensache.«

      Damit hängte er ab und wandte sich den Eltern zu, die ihn erwartungsvoll ansahen.

      »Also, das ist wieder einmal ganz das kleine Scheusal Dörth«, ironisierte er, dabei seinen alten Platz einnehmend. »Eben sagte mir Onkel Georg, daß sein vielgeliebtes Töchterlein aus dem Pensionat ausgebrochen und heute zu Hause eingetroffen ist, was natürlich als Bravourstück beschmunzelt wird. Morgen feiert man ihren Geburtstag, wozu wir herzlichst eingeladen sind. Ich bin recht neugierig auf die Dörth.«

      »Junge, ich bitte dich, sei lieb zu ihr«, bat der Graf so dringend, daß der Sohn ihn erstaunt ansah.

      »Nanu, Vater, du tust ja so, als hättest du irgendwie Angst vor den Sanders!«

      »Ach woher –«, gelang es dem anderen, gleichmütig abzuwinken. »Die vernarrten Eltern können es nun einmal nicht vertragen, wenn man an ihrem Abgott etwas auszusetzen findet. Mutter und mir würde es ja auch nicht gefallen, wenn man dich…«

      »Das wäre ja auch noch schöner!« trumpfte die zarte, feine Frau auf. »An unserm prächtigen Jungen dürfte doch nun wirklich nichts auszusetzen sein, will ich meinen.«

      »Uijeh!« lachte der Sohn herzlich. »Und wenn man es dennoch täte, mein eitles Muttilein?«

      »Dem würde ich erbitterte Fehde ansagen.«

      *

      Hier stand die schwierige kleine Doro Sander da und ließ sich von den Gästen, die sich zur Feier ihres Geburtstages eingefunden hatten, gnädig becouren. Sie interessierten ihre Hochnäsigkeit samt und sonders nicht – außer Edzard Sölgerthurn. Denn als dieser, den sie ein ganzes Jahr nicht mehr gesehen hatte, vor ihr stand, sie strahlend anlächelte, seine Lippen schmeichelnd über ihr mageres Händchen tändeln ließ – da gab es dem blutjungen Menschenkind einen Schlag aufs Herz. Und da solche Siebzehnjährigen ja überschwenglich sein können und dürfen, so erkor sie sich spontan diesen »göttlichen Mann« zum Heros, zum Idol und Herzens-Schatz.

      Nun, einen Schatz muß man ja wohl hüten. Also heftete Doro sich förmlich an die Fersen Edzards, was er sich gutmütig gefallen ließ. Er tanzte mit dem »hölzernen Gestellchen« immer wieder und ließ sich stets erneut lächelnd auf die Füße treten.

      Allerdings erschrak er nicht wenig, als dieses kleine Wesen ihm beim langsamen Walzer verzückt zuflüsterte:

      »Ich liebe dich, Edzard von Sölgerthurn. Ich liebe dich mehr als mein Leben. Du bist der Traum meiner Nächte, du bist mein Glück, wenn ich erwache. Du bist meine Seligkeit, mein ein und alles auf der Welt –«

      »Nun, nun –«, dämmte der Mann diese Liebeserklärung peinlich berührt ab. »Mit siebzehn Jahren weiß man ja noch gar nicht, wohin das Herzchen gehört, kleine Doro. Laß dir mal erst vom Wind die Öhrchen trocken wehen!«

      »Pfui, Edzard, du bist abscheulich!« funkelte sie ihn an. »Wie darfst du überhaupt so frivol mit mir sprechen. Ich werde es meinem Paps erzählen!«

      »Frivol –?« Er lächelte mitten in ihre Augen hinein, die unter diesem strahlenden Glanz wieder weich und verträumt wurden. »Weißt du denn überhaupt, was frivol ist, du Dummchen?«

      »Nein«, gestand sie kleinlaut – und da lachte er sein sieghaftes Lachen. Allen, die es hörten, wurde froh ums Herz, hauptsächlich dem Vater dieses »Götterknaben«.

      Na also, es würde sich schon alles zum guten Ende entwickeln. Vor einem Jahr war an eine Verlobung sowieso nicht zu denken, und bis dahin würde die armselige, vermickerte Kleine sich bestimmt besser herausgemacht haben. Sie steckte ja schließlich noch in der Mauserung. Und aus manchem häßlichen Entlein ist schon ein stolzer Schwan geworden.

      Von dieser Hoffnung seines Vaters hatte Edzard Sölgerthurn keine Ahnung. Sonst hätte er sich wohl kaum die überschwengliche Anhimmelung Doros so gutmütig gefallen lassen, sondern sie sich energisch abgewimmelt. Aber so – na was, er nahm das Schäfchen einfach nicht ernst.

      Allein, Doro wollte ernst genommen sein. Wie sehr, sollte er schon noch erfahren.

      Es war ein Junitag, der für die Landwirte zur Hochsaison zählte. Man befand sich allgemein bei der Heuernte, nur der junge Graf Sölgerthurn nicht. Der lag im schattigen Park in der Hängematte. Daß auch er sich betätigen könnte, darauf kam er gar nicht.

      Unbehaglich sah er dem Mädchen entgegen, das sich ihm eilig näherte. Natürlich die Dörth! Man war tatsächlich nirgends mehr vor dem überschwenglichen kleinen Balg sicher. Wenn das so weiterging, würde er wohl wieder seine Koffer packen müssen, nur um so viel schmachtender Anhimmelei zu entgehen.

      »Hat der Diener doch recht gehabt, daß ich dich hier finden würde«, atmete die Kleine hastig nach dem schnellen Lauf. »Mußt du dich denn immer so verkriechen?«

      »Ich hatte ja keine Ahnung, daß du hier bist, Doro. Wann kamst du?«

      »Eben. Meine Eltern wissen gar nichts davon. Paps arbeitet wie gewöhnlich um diese Zeit, und Ma ist auf einem Kaffeekränzchen. Ich muß auch gleich zurück, wollte dir nur rasch meine Gedichte vorlesen.«

      »Ja, Dörth, soll ich denn meinen Ohren trauen?« fragte er amüsiert. »Du dichtest?«

      »Das ist doch nun wirklich nicht zum Lachen!« funkelte sie ihn zornig an. »Du solltest dich mal schämen, mein armes Herz so mit Füßen zu treten!«

      »Aber Doro, wer

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