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des Kanonendonners und Explosionslärms, hatte die „Isabella“ Sir John und seine Männer übernommen.

      Gewiß, der Seewolf hatte ihm das Leben gerettet. Doch das zählte bereits nicht mehr für Sir John. In seinen Augen war Hasard nur der Bastard, der ihm wie ein Dorn ins Auge stach. Und Shane hatte nun allem die Krone aufgesetzt, indem er John Malcolm umgebracht hatte. Sir Johns Haß kannte keine Grenzen mehr.

      Am Vormittag, beim Einlaufen der „Isabella“ in die Mill Bay, hatte er von seinem Kammerfenster aus die Kriegskaravelle an der Pontoon Pier gesichtet. Sofort hatte er sein Vorhaben entsprechend aufgebaut. Was nun Baldwin Keymis und Samuel Taylor Burton betraf, so hatte er sich wirklich nicht verrechnet. Und Ben Brighton, der sich nicht nur Bootsmann, sondern auch Erster Offizier des Seewolfes nannte? Was würde der tun?

      Sir John glaubte es zu wissen.

      „Herhören“, sagte er. „Bootsmann, wie heißen Sie?“

      Sullivan zog den Kopf ein wenig ein und sah sehr verblüfft aus. Noch konnte er es nicht fassen, wahrhaftig Sir John Killigrew gegenüberzustehen, und glaubte an einen Scherz von Feeney. Noch verschloß sich sein Geist den Tatsachen und wollte den barschen Kommandoton dieses rotgesichtigen, rothaarigen Bullen nicht annehmen.

      Aber dann siegte doch die Disziplin in ihm. „Sullivan, Sir.“

      „Also schön, Sullivan. Ich bin John Killigrew, der General-Kapitän von Cornwall. Ich verlange, den Kommandanten dieses Schiffes zu sprechen, und zwar ein bißchen dalli.“

      „Der – der Kapitän ist in Urlaub, Sir.“

      „So?“ In Sir John drohte das Siegesgefühl überzuschäumen. Besser hätte er es nicht treffen können! Er hatte praktisch freie Hand. Diesen Hampelmann von einem Bootsmann stecke ich in die Tasche, dachte er.

      Hinter Sir John standen die zweiundzwanzig Männer seiner versenkten Galeone, vor ihm umringte die Crew der Dreimast-Karavelle ihren verdutzten Bootsmann. Sir John warf einen Blick zur „Isabella“ hinüber – noch lag sie an der Pier.

      „Ich erkläre die ‚War Song‘ für beschlagnahmt“, sagte er scharf. Er stand mit leicht abgewinkelten Beinen, die Hände auf die Seiten gestützt, ganz Herr seiner Sache. „Sie wird für einen Geheimauftrag benötigt. Das bedeutet, daß ich ab sofort euer Kapitän bin, verstanden?“

      Sullivan ging in diesem Moment vor Ehrfurcht fast in die Knie.

      „Jawohl!“ brüllte er und straffte sich.

      Sullivan hatte Sir John noch nie in seinem Leben gesehen, aber er hatte von dessen Taten als Freibeuter in der Irischen See und dem Nordatlantik vernommen. Sir John war ihm also kein Unbekannter. Er war ein Mann, der alles überrollte und keine Widerworte duldete.

      Sir John maß die Crew der Karavelle mit einem geringschätzigen Blick. Ein Mann seines Titels zusammen mit gewöhnlichen Decksleuten und Seesoldaten auf der Kuhl – das ging nicht an.

      „Sullivan, folgen Sie mir aufs Achterdeck. Und ihr“, Sir John drehte sich zu seinen Begleitern um, „ordnet euch der Crew zu und paßt mir auf, daß es keinen Zank und keine Unbotmäßigkeiten gibt. Wer gegen die Borddisziplin verstößt, der lernt mich von meiner übelsten Seite kennen, verstanden?“

      „Aye, aye, Sir!“

      Sir John kletterte vor Sullivan auf das zum Heck hin spitz zulaufende, über der Galerie jedoch abgestumpfte Achterkastell. Er wandte sich um, verschränkte die Arme und ließ seinen Blick über die Takelage wandern. Frechheit siegt! Er hatte wieder ein Schiff. „War Song“, „Schlachtgesang“ – dieser Name erschien ihm beinahe wie ein Omen. Denn er hätte jetzt vor Freude schon ein wüstes Lied schmettern mögen.

      „Lateinersegel, Bootsmann Sullivan.“ Er nickte zufrieden. „Das lob ich mir. Mit den langen Rahruten, die weit dichtgeholt werden können, ist das Schiff ein vortrefflicher Am-Wind-Segler und schlägt jede Galeone.“

      „So ist es, Sir.“

      „Wie ist es um die Armierung bestellt?“ Sir John taxierte mit einem huschenden Blick, was da vor den geschlossenen Stückpforten mit Brooktauen festgezurrt war. „Zehn Stücke auf jeder Schiffsseite.“ Er drehte sich um. Auf dem Schanzkleid des Achterdecks waren zwei in Gabellafetten drehbare Geschütze montiert, desgleichen auf der Back, wie er vorher schon gesehen hatte. „Vier Drehbassen – brauchbare Hinterlader. Ausgezeichnet, Sullivan, wirklich, ganz ausgezeichnet.“

      Während Bootsmann Sullivan noch vor Stolz errötete, konzentrierte Sir John Killigrew sich bereits wieder auf die „Isabella“. Plötzlich kniff er die Augen zusammen. Täuschte er sich oder bewegte sich das Schiff von der Pier fort?

      Dann sah er es ganz deutlich. Die Entwicklung gab ihm recht. Ben Brighton ließ sich auf Verhandlungen mit Keymis und Burton nicht ein. Er ließ die Festmacher kappen und trieb von der Pier weg. Im Handumdrehen wurden die Segel gesetzt. Wirklich, das mußte auch Sir John anerkennend feststellen: Die Crew verstand ihr Handwerk.

      Und Burton und Keymis?

      Die wagten nicht, sich zu rühren. Sir John ließ sich von Sullivan einen Kieker reichen, blickte hindurch und konnte nun ganz genau verfolgen, was sich abspielte. Er lachte auf. Burton stand wie eine Salzsäule da, Keymis ballte die Hände und preßte die Lippen zusammen. Natürlich gaben sie keinen Schießbefehl – die Geschütze der „Isabella“ waren auf sie gerichtet. Wahrscheinlich hatte Ben Brighton sie schon lange vorher laden lassen. Jetzt brauchten die Friedensrichter nur eine unbedachte Bewegung zu tun, und sie würden als erste zusammengeschossen werden. Danach kam die Stadtgarde dran.

      Es blieb ruhig.

      Die „Isabella V.“ rauschte mit praller Bugsee aus der Mill Bay und nahm Kurs auf den Atlantik. Sir John sah Brighton, den alten O’Flynn, Ferris Tucker, den rothaarigen Riesen, und Shane auf dem Achterdeck stehen.

      Shane! Er unterdrückte einen Fluch. „Sullivan!“

      „Sir?“

      „Sofort die Leinen los, Segel setzen und die Verfolgung der Galeone aufnehmen.“

      „Ist das der Geheimauftrag, Sir?“

      Sir John lief eine Nuance dunkler an. Er ließ das Spektiv sinken und fuhr den Bootsmann an: „Was fragst du so blöd, du Hornochse? Soll ich dich auf der Gräting auspeitschen lassen, oder nimmst du jetzt die Beine in die Hand und bringst deine Männer auf Trab?“

      Sullivan hastete aufs Quarterdeck hinunter. Seine Kommandos hallten über Deck. Die Gangway wurde eingeholt, die Festmachertrossen gelöst. Der Rudergänger eilte auf seinen Posten hinter dem Kolderstock. Männer enterten wie die Affen in den Wanten auf. Als die Vorsegel gesetzt waren, wurde das Vorschiff von der Pontoon Pier weggedrückt. Es lag kurz im Wind, die anderen Segel wurden gesetzt, die „War Song“ fiel ab und nahm vor dem Nordwestwind Fahrt auf. Sie segelte über Backbordbug und glitt in den Plymouth Sound hinaus.

      Sir John trat an die Balustrade, die das Achterdeck zum Quarterdeck hin abschloß. Daß Burton und Keymis sich hinter seinem Rücken im Hafen von Plymouth wie die Wahnsinnigen aufführten und ihre. Wut nun an der Stadtgarde ausließen, interessierte ihn nicht im geringsten. Er hatte nur noch sein Ziel vor Augen: sich den Schatz der „Isabella“ zu holen.

      Die See war frei.

      Was sich dort abspielte, ging niemanden etwas an. Er brauchte keinem Menschen darüber Rechenschaft abzulegen. Auch der Königin nicht, für die ja, wenn man dem Bastard Hasard und dessen Kerlen Glauben schenken durfte, drei Viertel der Beute bestimmt waren. Doch diese Tatsache ließ John Killigrew völlig ungerührt.

      Noch etwas drängte ihn, die „Isabella“ einzuholen und ihre Besatzung das Fürchten zu lehren. Big Old Shane befand sich an Bord. Er hatte John Malcom ins Jenseits befördert, und Sir John war weit davon entfernt, Recht und Unrecht abzuwägen. Welche Bedeutung hatte es noch, daß er und John Malcolm den Seewolf hatten töten wollen, daß Shane im Affekt – oder wie immer man es nennen wollte – gehandelt hatte?

      Für ihn war Shane der Mörder seines Erstgeborenen. Allein

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