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Denn so oder so: Sie werden uns alles sagen.«

      Und zwanzig Minuten später hatte Lynch genau das getan.

      Sasha kramte eine kalte Flasche Wasser aus dem Bürokühlschrank und nahm diese mit zum Waschbecken, um die Blutspritzer von seinem Gesicht zu spülen, wobei er darauf achtete, nichts zu berühren. Eigentlich war das egal, da seine Fingerabdrücke nirgends in den USA registriert waren. Doch Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste.

      Vadim schaute auf die Uhr und sagte leise etwas auf Russisch, bevor er auf die Eingangstür deutete. Nachdem sie eine letzte Runde durch die Räume gemacht hatten, schlichen sie aus dem Büro und die Nottreppe hinunter, geräuschlos wie Gespenster.

      Der entstellte Körper des glücklosen Anwalts sollte schon bald von den Gebäudereinigern gefunden werden.

      Kapitel 7

      Drake schreckte aus dem Schlaf hoch, in seinem Mund hatte er einen metallischen Geschmack – ein Andenken an sein fragwürdiges Essen und das reichliche Bier. Ihm wurde klar, dass er praktisch auf der Computertastatur eingeschlafen war. Er hustete und setze sich auf, wobei er die Rückenschmerzen sowie das Kribbeln in seinen eingeschlafenen Gliedmaßen ignorierte. Ungelenk stand er auf und streckte sich, woraufhin er in die Küche schlurfte, um sich Wasser und eine Kopfschmerztablette zu holen – etwas, dass er immer auf Lager hatte, egal wie leer seine Speisekammer war.

      Drake schaute auf die Uhr und blinzelte; es war sieben Uhr morgens, also hatte er etwa drei Stunden geschlafen. Kein Wunder, dass er sich wie der Fußboden einer Kneipentoilette fühlte. Vorsichtig schnüffelte er an seinen Achseln und verzog das Gesicht. Da musste sofort etwas unternommen werden.

      Der heiße Schauer aus der Dusche gab ihm neue Kraft und brachte seinen Verstand in Schwung – sofort setzte er gedanklich wieder da an, wo er aufgehört hatte. Er hatte seinen Datensatz auf zweiundzwanzig Männer zusammengedampft, die sich etwa in Jacks angenommenem Altersbereich befinden mussten. Was jetzt noch blieb, war reine Fleißarbeit. Er musste sie alle anrufen und testen, wie sie auf bestimmte Fragen reagierten. Ein Vorgang, mit dem er jede Menge Erfahrung hatte.

      Drake ignorierte den noch immer starken Fischgeruch aus seinem Wäschekorb und schlüpfte in ein frisches Shirt sowie dunkelbraune Cargohosen. In der Küche lud er seine Kaffeemaschine mit einer doppelten Ladung und wartete ungeduldig, bis das Gerät lautstark seinen Wachmacher ausgespuckt hatte.

      Nach der zweiten Tasse würgte er einen alten Müsliriegel herunter und kehrte schließlich an seinen Computer zurück, den er für Internet-Telefonate benutzte.

      Der erste Jack, den er anrief, wohnte in Trenton, New Jersey. In der dortigen Zeitzone war es schon drei Stunden später, man durfte also ruhig stören. Der Mann antwortete nach dem dritten Klingeln.

      »Hallo?«

      »Ja, guten Tag, hier ist Frank Lombard von der Kanzlei Nellis. Wie geht es Ihnen an diesem wunderschönen Morgen?«

      »Wer ist da?«

      »Frank Lombard von der Kanzlei Nellis. Spreche ich mit Jack Brody?«

      »So sieht’s aus. Was wollen Sie?«

      »Ich verwalte einen Nachlass und suche den Jack Brody, der im Testament aufgeführt ist.«

      »Testament?«

      »Ja. Dürfte ich Ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen?«

      »Das war ja schon die Erste.«

      »Das stimmt, dann mache ich mal weiter. Kennen Sie eine Patricia Ramsey?«

      Drake lauschte extrem konzentriert auf jede Besonderheit in der fremden Stimme: Klangfarbe, Wortwahl, Atemgeräusche, Timing.

      »Wen?«

      »Patricia Ramsey. Oder sagt Ihnen der Name Ford etwas?«

      »Ich fahre einen. Verdammt guter Truck. Nur bei neuen Modellreihen sollte man erst mal abwarten.«

      »Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Mister Brody.«

      Drake legte auf und strich den ersten Namen von seiner Liste. Fünfundvierzig Minuten später stieß er dann auf Gold. Eine jung klingende Frauenstimme ging ans Telefon und er fragte nach Jack.

      »Wer spricht da?«

      »Frank Lombard. Ist Jack da?«

      »Ich kenne keinen Frank Lombard.«

      »Nein, das habe ich mir gedacht. Mit wem spreche ich denn bitte?«

      »Mit seiner Tochter.«

      »Ah, wie schön. Ist er denn Zuhause?«

      »Was kann ich ihm denn sagen, worum es geht, Mister Lombard?«

      Drake seufzte schwer und verfluchte sich sofort dafür. Er hoffte inständig, dass dieser unwillkürliche Ausdruck morgendlicher Frustration am anderen Ende der Leitung nicht zu hören gewesen war. »Es ist etwas Persönliches. Etwas Amtliches, um genauer zu sein. Ich arbeite für die Kanzlei Nellis.« Er machte eine Pause. »Es ist ein Ferngespräch.«

      »Sie sollten sich eine Flatrate besorgen. Einen Moment«, sagte sie, dann klapperte das Telefon und schlug gegen eine harte Oberfläche. Eine Minute später erklang eine raue, männliche Stimme.

      »Ja, worum geht’s?«

      »Jack Brody?«

      »Richtig. Jetzt beantworten Sie meine Frage.«

      Drake spulte seine Eröffnungsrede herunter und fand schon bei der ersten Frage das, wonach er suchte: ein Zögern. Einen Sekundenbruchteil zu lange, um unbedeutend zu sein.

      »Patricia? Hm … nein, kann nicht behaupten, dass da irgendwas klingelt. Woher kommt sie?«

      »Idaho.«

      »Idaho? Mein Junge, das ist verdammt weit weg von Texas. Sorry, da kann ich nicht weiterhelfen.«

      »Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht kennen? Es geht um eine signifikante Summe.«

      »Das ist schön, aber es nützt mir nichts – Sie haben den falschen Jack erwischt. Viel Glück noch«, sagte er und legte auf.

      Bingo.

      Drake hatte schon genug Typen aufgespürt, die nicht gefunden werden wollten, und kannte alle verräterischen Anzeichen. Das war definitiv sein Mann. Er überprüfte die Adresse auf der Liste und suchte sich dann den nächsten Flughafen heraus, um nach Flatonia in Texas zu kommen.

      Und das war Austin.

      Eine Viertelstunde später hatte er schon das Gepäck für eine Tagesreise sowie das gesamte Bargeld in seine Tasche gestopft und buchte dann online einen Flug, der in drei Stunden starten sollte. Das würde er schaffen, wenn er nicht in einen besonders schlimmen Stau geriet. Auf dem Weg aus dem Haus nahm er jeweils zwei Treppenstufen auf einmal, so energetisch fühlte er sich jetzt – trotz oder vielleicht auch wegen des Schlafmangels. Nachdem er den Motor gestartet hatte, rief er Harry an.

      »New Start Kautionsabwicklung«, meldete sich Betty, ihre Stimme fröhlich wie eh und je.

      »Betty, hier ist Drake. Ist Harry da?«

      »Er ist gerade reingekommen. Einen Moment.«

      Harrys Stimme erklang nach einer kurzen Pause. »Was ist los – bist du im Knast?«

      »Nein, ich setze nur deine Ratschläge um. Ich verlasse die Stadt für ein paar Tage.«

      »Hört, hört! Wo soll’s denn hingehen?«

      »Texas.«

      »Texas? Wieso denn das?«

      »Ich besuche ein paar Freunde in Austin, und mache halt mal Pause – wie du gesagt hast!«

      »Okay, alles klar. Dann hab 'ne schöne Zeit!«

      »Werde ich. Aber eins muss ich noch wissen. Wird es für mich neue Jobs geben, wenn ich mich entscheide,

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