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zu, stellte die lange Holzleiter an den Stamm und schüttelte zuerst die Baumkrone. In gebührendem Abstand wartete Rosemarie, bis sie die Äpfel einsammeln konnte.

      Es gingen einige Stunden vor-über, in denen Vater und Tochter derart beschäftigt waren, daß für ein Gespräch keine Zeit blieb.

      Doch am frühen Abend – die Äpfel waren sorgfältig im Keller eingelagert – packte er die Gelegenheit beim Schopfe und zog Rosemarie auf seine Knie.

      »Horch einmal, mein Kleines, ich hab was Wichtiges mit dir zu reden«, begann er heiser. »Du mußt aber ganz tapfer sein, ja?«

      Roserl legte ihre Ärmchen um den Hals des Vaters und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Ist’s was arg Schlimmes, Vaterl?«

      Martin legte seine Stirn an die des Kindes. »Hmm. Ich – ich muß es dir sagen, weil du dir so viel Hoffnung machst.«

      Roserl verstand zwar nicht, was der Vater sagte, aber sie spürte mit ihrem kindlichen Instinkt, daß es ihm schwerfiel, darüber zu sprechen.

      »Also, Roserl, ich wollt dir sagen, daß Josepha nimmer zurückkommt.« So, nun war es heraußen!

      Die Arme des Mädchens sanken an Martins Brust herunter, ihre Finger krallten sich in sein Hemd.

      Der Bursch konnte das Entsetzen in Roserls Blick nicht ertragen. Viel zu heftig drückte er ihren Kopf an sich, damit er ihr nicht die Augen sehen mußte.

      Das Kind befreite sich heftig, sprang vom Schoß des Vaters herunter und schrie: »Du lügst, du lügst, du lügst!«

      »Roserl…« Hilflos sank Martin in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht.

      »Großmutter! Großmutter!« rief Rosemarie außer sich. Sie lief und lief, bis sie Anna in einem der Gästezimmer fand.

      »Großmutter! Der Vater hat gsagt, daß Sepherl nimmer kommt! Das ist net wahr, gell, Großmutter?« schluchzte sie.

      Die alte Frau wollte im Erdboden versinken. Was hatte der Bub nun wieder angestellt! »Dirndl, Dirndl!« Beruhigend strich sie dem Mädchen über den Kopf und zog es behutsam an sich. »’s wird alles wieder gut! Beruhig dich, Roserl!« Sie ließ das Kind weinen, bis es sich schniefend von ihr befreite.

      »Ist – ist’s denn wahr, was – was er gsagt hat?«

      Lächelnd wischte die Bäuerin dem Kind die letzten Tränen von den Bäckchen. »Vielleicht, vielleicht auch net, Roserl. Dein Vater hat Kummer genug, mag sein, daß er nur bös ist auf Sepherl. Laß mich nur machen, ich werd mit ihm reden.«

      »Und an Weihnachten kommt sie wieder, gell, Großmutter? Bitte, bitte! Ich hab sie doch so lieb und sie mich auch!«

      »Freilich, Roserl, Josepha hat dich lieb! Aber nun mußt du brav ins Bett gehen, hast heut sooo viel gschafft!«

      Fürs erste konnte Anna das Mädchen zur Ruhe bringen, aber wie lange noch?

      Die Bäuerin fand ihren Sohn in dem kleinen Büro über seinen Büchern sitzend. »Ich muß mit dir ein Wörterl reden, Martl!«

      »Muß das jetzt…«

      »Und zwar sofort! Ich hab’s so satt, wie du mit den Menschen umgehst, die dir angeblich am liebsten sind! Glaubst, wennst dem Dirndl sagst, daß Josepha nimmer wiederkommt, hast endlich deine Ruh? Nein, mein Lieber, ’s kann noch viel Ärgeres geschehen, als dir bislang widerfahren ist, glaub mir, ich kenn mich da aus! Wenn Josepha bis zum Weihnachtsfest net auf dem Hof ist, kann ich dir versprechen, daß ich Roserl die Wahrheit sag! Sie ist für ihr Alter schon sehr verständig. Such Josepha und sorg dafür, daß sie zurückkommt!«

      So zornig hatte Martin seine Mutter niemals zuvor erlebt. Was bildete sie sich eigentlich ein? Die Antwort ersparte ihm Anna, indem sie wutschnaubend aus dem Haus lief, um den Dampf bei ihrem Franzl abzulassen.

      So ganz spurlos war Annas Zornesausbruch nicht an dem jungen Bauern vorbeigegangen. Er klappte heftig die Bücher zu und schlenderte wenig später nachdenklich über den Hof.

      Am Pferdestall machte er Halt, beugte sich über die halbhohe Holztür und klopfte seinem schnaubenden Haflinger den Hals. »Wir haben’s net leicht, was mein Alter?« murmelte er müde.

      »Schau nur, daß du dich net verkühlst in deinen Schlappen, Bauer!« brummte der Großknecht Xaver und stellte sich neben ihn. »Was treibt dich denn jetzt am Abend noch hinaus?«

      »Hab wohl viel falsch gmacht, gell, Xaver?« Der Bursch warf dem väterlichen Freund einen kurzen Seitenblick zu.

      Dieser rümpfte die Nase. »Kann man wohl sagen. Meinst vielleicht was Spezielles?«

      »Na ja, damals, als Sepherl einfach vom Hof verschwand…«

      »So war’s ja gar net, du möchtest nur, daß es so gewesen ist, damit irgend jemand die Schuld an deinem Leid trägt! Wennst mich schon fragst, Martl, bist grad du net unschuldig! Ich sag dir, wie’s genau war: Sepherl hat dich gsucht und net gfunden und die beiden Alten waren droben aufm Berg. Du kannst sie net verurteilen, weil ihr Mutterl im Sterben lag und sie hat wegmüssen!«

      »Aber sie hat Roserl nix davon gsagt!« trotzte Martin.

      »Nein, weil sie net genau gwußt hat, ob’s ihr bis zum nächsten Tag langt und Roserl keine Ruh gegeben hätt! Aber was soll’s, gschehen ist gschehen! Da nutzt es nix mehr, mit dem Schicksal zu hadern.« Xaver lehnte sich rücklings gegen die Stalltür und starrte zum sternenklaren Himmel. »’s gibt bald Schnee.«

      »Hmm. Ich geh wieder ins Haus. Gute Nacht, Xaver.«

      »Gute Nacht, Martl.«

      Xaver blieb noch lange so stehen und dachte über den Burschen nach, den er liebte wie einen eigenen Sohn. Er kannte ihn zu gut, als daß er ihm hätte ein X für ein U vormachen können! Den Bauern quälte etwas – und das hatte gewiß mit dem Dirndl zu tun.

      Dem Großknecht war da kürzlich etwas zu Ohren gekommen, das er als Fügung des Schicksals bezeichnete. Sobald sich eine gute Gelegenheit ergab, wollte er selbst ein bißchen Schicksal spielen!

      *

      »Bauer, ich nehm mir den Nachmittag frei, wennst nix dagegen hast«, sagte Xaver wie nebenher. Geschäftig füllte er die Futtertröge.

      Martin Achner hob überrascht den Kopf. »Das ist ja mal was ganz Neues. Gehst auf deine alten Tage noch auf Brautschau?«

      »Wer weiß!« blinzelte der Knecht grinsend.

      »Na, meinetwegen. Solang du auf dem Hof bleibst, soll’s mir recht sein.«

      »Da brauchst keine Angst zu haben, Martl! Mich wirst nimmer los wie so manch andern!« erwiderte Xaver hinterlistig.

      »Halt bloß dein loses Schandmaul! Mir langt’s schon, was ich mir von der Mutter anhören muß, jetzt kommst mir auch noch quer!« Mißmutig stapfte Martin aus dem Stall. Er sah es ja ein, daß er einen Fehler gemacht hatte, aber mußte denn ein jeder ihm den unter die Nase halten?!

      Xaver grinste noch immer vor sich hin. Sollte der Martin nur ein bisserl nachdenken! Wenn er es recht bedachte, war es viel zu still geworden auf dem Hof, und das lag net allein am einbrechenden Winter!

      Traurig hatte er sich damit abfinden müssen, daß die kleine Rosemarie ihn kaum noch besuchte. Wenn sie einmal bei ihm war, lag ein Schmerz in ihren Augen, der ihm ins Herz schnitt! Einzig aus diesem Grunde hatte sich der Knecht zu einem Entschluß durchgerungen, der ihn die Stellung kosten konnte.

      Eine der Mägde hatte ihm vertraulich zugesteckt, daß sie den Forstmeister gesehen hätt, wie er in den Zug gestiegen sei und von ihrem Gspusi, dem feschen Herrn Bahnhofsvorsteher, wüßte sie, daß er ein paar Tage in der Stadt bleiben würde.

      Die Magd hatte Xaver damit einen guten Dienst erwiesen. Längst hatte er hinaufgehen wollen, um die Wahrheit herauszubringen. Freilich, die Leut redeten ja viel, wenn der Tag lang war, aber manchmal war ja was Wahres dran!

      Einer der Stammgäste wollte Josepha

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