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zurück sind. Ich weiß net, wo der Martin ist und wann er heimkommt«, bat sie bedrückt.

      Der alte Mann nickte. »Mach dir keine Sorgen, Sepherl. Ich tät mich an deiner Stelle beeilen, damit du den Mittagszug noch erreichst, dann bist schon bald wieder zurück.« Xaver fragte nicht viel. Wenn Josepha niemals über ihre Mutter gesprochen hatte, wollte sie es eben net und hatte dafür gewiß ihre Gründe!

      Um es dem Kind nicht unnötig schwerzumachen, sagte ihr Josepha nichts. Sie legte die schöne Briefmarke auf Roserls Nachtkastel, packte ein paar Sachen in die kleine Reisetasche und machte sich schnell auf den Weg zum Bahnhof. Xaver hatte recht. Je schneller, desto besser!

      Doch alles kam ganz anders, als das Dirndl erwartet hatte. Sie war auf eine ergreifende Beichte der dahinscheidenden Mutter gefaßt gewesen, hatte sich in Gedanken mit allen möglichen Reaktionen gewappnet.

      »Tut mir leid, Dirndl, deine Mutter ist in der Nacht gestorben. Bevor sie starb, hat sie mir das da für dich gegeben.« Die knorrige Hand des alten Bauern zitterte leicht, als er ihr den dicken Umschlag hinhielt.

      Betroffen drehte Josepha den Umschlag herum. Er war mit Wachs versiegelt und trug den Stempel eines ortsansässigen Notariats. Seltsam, dachte sie beklommen, ein bisserl tut’s mir schon leid, daß ich sie nimmer hab sehen können!

      »Sie liegt droben auf dem kleinen Kirchhof, wennst ihr noch die letzte Ehr erweisen magst.« Der Bauer schlurfte über den bescheidenen Hof und überließ das Madl sich selbst.

      »Ja,« seufzte Josepha, »dann werd ich ihr die letzte Ehr erweisen, wie’s sich gehört!«

      Sie stopfte den Umschlag in ein Seitenfach ihrer Reisetasche und ging zum Kirchhof hinauf.

      »Cäcilie Schwarzenberger« stand auf dem weißen ovalen Emailschild, das Geburts- und Sterbedatum.

      Nun rannen dem Mädchen doch die Tränen über die Wangen. Sie trauerte nicht um die Frau, die dort begraben lag, sondern um die Mutter, die sie nie geliebt hatte!

      Es mochte wohl an ihrem eigenen Schicksal gelegen haben, daß sich Josepha bereits in jungen Jahren so liebevoll um die Kleinen gekümmert hatte und mit ihnen gereift war.

      Abrupt wandte sie sich ab. Sehnsucht nach der kleinen Rosemarie hatte sie erfaßt, von der sie sich nicht einmal verabschiedet hatte! Nie zuvor hatte sie das Kind allein gelassen und würde es auch niemals wieder tun! An der kleinen Kapelle setzte sie sich auf die Marmorbank, weil ihr der Brief der Mutter in den Sinn gekommen war.

      Wenige Augenblicke später hielt sie das kleine rote Sparbüchel in der Hand, las mit klopfendem Herzen die Vollmacht auf ihren Namen, schämte sich plötzlich für ihre unbändige Freude angesichts der beträchtlichen Summe, die ihr die Mutter hinterlassen hatte!

      »Dank schön, Mutterl! Dank schön!« jubelte es in ihr, denn es war das einzige, was ihr die Mutter Gutes getan hatte!

      Josepha wußte sehr genau, was sie mit dem größten Teil des Geldes tun würde und sie wußte auch, daß sich die Mutter Oberin ebenso darüber freuen würde wie sie es getan hatte!

      *

      »Xaver, hast du Sepherl gsehen?« Roserl hüpfte aufgeregt vor dem Großknecht herum. »Niemand ist da. Die Großeltern sind fort, Vater ist fort, Sepherl ist fort!« beklagte sich das Kind.

      »Deine Großeltern sind auf dem Berg, Dirndl, das weißt eh. Wo der Vater ist, weiß ich net und Sepherl ist zu ihrer Mutter gefahren. Sie kommt aber bald wieder zurück. Nun wart doch so lang, bis die Großeltern wieder daheim sind’s kann nimmer lang dauern.« Xaver bemühte sich, das aufgebrachte Kind zu besänftigen.

      Das inzwischen fünfjährige Mädchen verschränkte die Arme auf dem Rücken und wippte vor dem Knecht hin und her. »Wann kommt Sepherl denn wieder?«

      Xaver verdrehte die Augen. »Du kannst fragen! Weiß ich net, halt so schnell wie möglich. Weißt, ihr Mutterl ist arg krank, da kann man net so genau sagen, wie lang das dauert.«

      »Und wo wohnt die Mutter von Sepherl? Sie hat doch noch nie etwas von ihr erzählt.« Roserl ließ nicht locker.

      Der Großknecht stöhnte auf. »Mei, Roserl, gib doch jetzt bitt schön Ruh! Ich weiß rein gar nix und wennst net weißt, was du tun sollst, dann kannst den Hof fegen!«

      »Hab keine Lust. Ich geh ein bisserl in mein Zimmer spielen. Vielleicht kommt Sepherl ja bald zurück.« Das Kind hüpfte über den Hof und ging tatsächlich hinauf in ihr Zimmer.

      Glücklicherweise kamen die Großeltern mit einigen Gästen zurück und Xaver atmete erleichtert auf. Er war halt doch net gewohnt, mit Kindern umzugehen.

      »Ja mei, ich kann dir sagen, Xaver, diese Tour mach ich gewiß nimmermehr auf meine alten Tage!« stöhnte der Altbauer, der gern ein Schwätzchen mit dem alten Freund hielt.

      Xaver grinste. »Hast es ja net lassen können, Bauer. – Ich soll euch ausrichten, daß Josepha zu ihrer kranken Mutter hat müssen. Sie kommt zurück so schnell es geht. Roserl hat mir deswegen schon Löcher in den Bauch gefragt! Wenn ich doch aber nix weiß!«

      Der alte Bauer horchte auf. »Mutter? Ich denk, das Dirndl ist in einem Heim groß geworden? Na, sie wird uns schon alles erklären, wenn sie wieder da ist. Also, dann auf bald, Xaver. Ich sag’s gleich der Anna. Wo ist Roserl jetzt?«

      »In ihrem Zimmer, hat’s gsagt.«

      Kopfschüttelnd ging der Bauer zum Haus hinüber. Wo nur der Martin wieder steckte! Grad, wo sie selbst fort waren, war er nirgends aufzufinden.

      Nachdem die Bäuerin erfahren hatte, daß Josepha für einige Zeit fortgefahren war, eilte sie beunruhigt in Rosemaries Zimmer. Erleichtert schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel.

      Roserl saß auf dem Boden und hatte ihre kleine Post aufgebaut. Sie hatte sich mächtig gefreut, als sie die Briefmarke auf ihrem Nachtkastel gefunden hatte, die sie nun wie einen Augapfel hütete. Vorsichtig schob sie die Marke in eine winzige Sichthülle und legte sie auf den Postschalter.

      »Roserl, ’s gibt gleich Abendessen. Komm, wir gehen miteinander hinunter.« Die Großmutter nahm das Kind bei der Hand, das noch einen letzten Blick auf das Pappgebäude warf.

      »Großmutter, Sepherl ist zu ihrer Mutter gefahren.«

      »Ich weiß.«

      »Hat sie es dir gsagt? Mir hat sie nix gsagt!« Roserls Stimme klang enttäuscht.

      »Nein, Roserl, sie hat mir auch nix gsagt, weil sie es ja net gwußt hat vorher. Der Xaver hat’s verzählt«, erklärte Anna geduldig.

      »Was gibt’s denn zum Essen?« Dem kleinen Wildfang gingen die Fragen niemals aus.

      »Laß dich überraschen. Aber eines kann ich dir verraten: Es schmeckt dir ganz gwiß!« lachte die Bäuerin verschmitzt und tausend Falten umkränzten ihre hellen Augen.

      Freilich fragte sich die Frau auch, warum Josepha mit keinem Wort ihre Mutter erwähnt hatte. Vielleicht hatte sie das Dirndl net haben wollen und sie deswegen ins Heim gegeben. Aber welche Mutter tut das schon freiwillig?

      Nun, jetzt war es halt einmal so, basta!

      Nachdem Anna das Kind zu Bett gebracht hatte, wartete sie in der Stube auf ihren Sohn Martin. Den Bauern hatte die Bergwanderung arg mitgenommen und er war bereits schlafen gegangen.

      Seufzend schob sich die alte Frau die Brille auf die Nase und nahm das Stickzeug auf den Schoß. Es sollte ein kleines Deckchen werden für Josepha, weil sie so ein fleißiges Dirndl war. Aber Anna konnte sich nicht recht auf ihre Arbeit konzentrieren.

      Es war schon spät am Abend und Martin war noch immer nicht daheim. Sie hoffte zutiefst, daß die schlimmen Zeiten niemals wiederkehren mögen!

      Anna Achner war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie nicht das leiseste Geräusch hörte, sonst hätte sie gewiß bemerkt, wie Roserl auf Zehenspitzen an der Tür vorbeischlich!

      Roserl hatte sich ihr schönstes Dirndl angezogen, die kleine Tasche, die

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