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hat soeben das Haus verlassen und…«

      »Nanu«, unterbrach Anna Schneider sie verwundert. »Das sieht ja beinahe wie Flucht aus!«

      »Weshalb sollte Brigitte ausgerechnet vor Ihnen fliehen?« fragte Philipp Freier. »Sie können sie ja jederzeit in ihrem Heim aufsuchen, wenn Sie sie unbedingt sprechen müssen.«

      Offener Spott lag in diesen Worten, und wenn sie ihn spürte, dann überging sie ihn absichtlich.

      »Um Gottes willen!« Sie hob entsetzt die Hände. »Nachdem Brigitte sich so benommen hat!«

      Ein verweisender Blick aus Philipp Freiers Augen traf die Frau. Zornige Röte stieg ihm in die Stirn. Aber er schwieg. Sie war die Frau seines Vorgesetzten, und er hatte Rücksicht zu nehmen.

      »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?« fragte Kläre rasch, um die peinliche Pause zu überbrücken.

      »Nein, danke! Ich habe nicht so viel Zeit«, lehnte sie etwas von oben herab ab. »Wissen Sie übrigens auch, daß man Brigitte nicht verstehen kann?«

      »Wer ist man?« kam es kurz aus Freiers Mund.

      Diese Gegenfrage brachte Anna Schneider außer Fassung. Ihr an sich schon gerötetes Gesicht färbte sich ärgerlich dunkelrot.

      »Nun, alle – alle, die Fred Markhoff kennen«, stieß sie hervor.

      »Die ihn so gut kennen wie meine Brigitte?« fragte er und lächelte spöttisch.

      »Mein lieber Herr Freier, ich verstehe Sie nicht!« entgegnete Anna Schneider, sich mühsam beherrschend.

      »Ich Sie auch nicht. Wollen Sie nicht offen bekennen, was Sie an Brigitte auszusetzen haben?«

      »Auszusetzen? Das ist wohl zuviel gesagt. Man hat ja auch so wenig Einfluß auf Brigitte, sonst hätte man ihr rechtzeitig ins Gewissen reden können. Nun ist es zu spät – nun ist die Ehe geschieden.«

      »Sie sprechen immer nur von Brigitte«, wandte Freier scharf ein.

      »Wollen Sie sich etwa zum Richter über Brigitte aufwerfen? Wer kann wissen, wie es in einer Ehe aussah? Oder finden Sie Fred Markhoff auch so überaus liebenswürdig, höflich, zuvorkommend und was weiß ich alles?«

      »Erlauben Sie mal, ich gehöre doch nicht zu denjenigen, die…«

      Mit einer abweisenden Handbewegung schnitt er ihr das Wort ab.

      »Sie machen sich zum Sprecher der anderen, folglich müssen Sie auch deren Meinung teilen. Was hätten Sie sonst für ein Interesse daran?«

      Anna Schneider sah unbehaglich zu der stattlichen Gestalt Freiers auf, der an seinem Sessel lehnte. Sie hätte besser kommen sollen, wenn er nicht dagewesen wäre.

      »Fred Markhoff ist ein angesehener, reicher Mann…«

      »… dem wir unser Kind bestimmt nicht gegeben hätten, wenn wir damals gewußt hätten, was wir heute wissen.«

      »Aber ich bitte Sie, Fred Markhoff kann an jedem Haus anklopfen, er wird willig eingelassen, und eine Frau wird er sehr schnell wieder finden.«

      Philipp Freier neigte sich etwas nach vorn. Noch immer lag das spöttische Lächeln auf seinen Lippen.

      »Die hatte er leider schon gefunden, als er noch mit Brigitte verheiratet war. Und jetzt? Bitte, er ist ja nun frei. Die hiesigen Familien mit den heiratsfähigen Töchtern können ihr Haus nunmehr sehr weit vor dem ehrenwerten Herrn Markhoff öffnen.«

      »Fred Markhoff ist sehr einflußreich«, gab die Frau hochmütig zur Antwort.

      »Natürlich, sehr einflußreich«, spöttelte Freier. »Vor allem das viele Geld, das er besitzt, dürfen Sie nicht vergessen. Geld wird immer gebraucht; ob die Menschen innerlich sauber sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle, nicht wahr?«

      »Was wollen Sie damit sagen?« Anna Schneider war erblaßt.

      »Oh, nicht mehr als Sie!« Freier tat harmlos. »Geld ist ein so wichtiger Faktor, daß man, wenn man es in genügender Menge besitzt, ruhig andere Menschen quälen darf, vor allem die eigene Frau.«

      »Aber ich verstehe Sie nicht. Es tut mir aufrichtig leid, daß Brigitte sich ein solches Glück leichtsinnig verscherzt hat«, versuchte sie abzulenken.

      Freier durchschaute sie.

      »Ich will Ihnen mal etwas sagen, Frau Schneider.« Er zwang sich zur Ruhe. »Wollen wir das nicht einzig und allein Brigitte überlassen? Sie wissen nicht – aber wir wissen, daß diese Ehe für Brigitte kein Glück war. Ich habe nicht damit gerechnet, daß man Brigitte verstehen wird, aber ich dulde auf keinen Fall, daß man ihr in irgendeiner Form zu nahe tritt.«

      Immer schärfer war sein Ton geworden, immer lauter die Stimme. Nun brach er ab, ärgerlich über sich selbst, daß er die Frau überhaupt einen Augenblick ernst genommen hatte.

      »Es ist besser, ich gehe«, sagte Frau Schneider spitz. »Sie mißverstehen mich, und dabei will ich doch nur Brigittes Bestes.«

      »Ich verstehe Sie wirklich sehr gut. Brigitte ist ein selbständiger Mensch. Sie ganz allein wird wissen, was für sie und das Kind gut ist. Einem Dritten steht kein Recht zu, darüber zu urteilen, noch dazu von seinem eigenen engen Gesichtskreis aus…«

      »Philipp!« warf Kläre erschrocken ein.

      »Ich sehe schon, Sie legen mein Kommen falsch aus. Dann muß Brigitte eben das Los einer geschiedenen Frau tragen.«

      Eisige Kälte ging plötzlich von Philipp Freier aus.

      »Wenden Sie sich mit Ihren Worten bitte an Fred Markhoff, dort dürften sie angebracht sein!« Er zog seine Uhr. »Meine Zeit ist begrenzt, ich muß zum Dienst. Wiedersehen, Frau Schneider! Grüßen Sie Ihren Mann!«

      Er verneigte sich kurz vor der Frau und verließ mit harten, schweren Schritten das Zimmer.

      Stumm begleitete Kläre die wütende Frau zum Gartentor, reichte ihr die Hand und bat leise:

      »Nehmen Sie die Schroffheit meines Mannes nicht übel. Er kann nicht vertragen, wenn man etwas gegen Brigitte sagt.«

      Frau Schneider legte den Kopf mit der Miene einer beleidigten Königin in den Nacken.

      »Es tut mir leid, daß er sich mir gegenüber so hinreißen ließ. Er muß ja wissen, was er zu tun und zu lassen hat – wir jedenfalls auch. Wiedersehen!«

      Sie rauschte davon in einem viel zu weiten, schweren Kleid, auf das die Sonne unbarmherzig brannte.

      Lange sah Kläre der derben Gestalt nach, dann ging sie eilig ins Haus.

      *

      Die Zeit bleibt nicht stehen; unaufhaltsam eilt sie weiter. Und das ist gut, denn sie heilt die Wunden, die das Leben schlägt.

      Brigitte lebte sehr zurückgezogen mit ihrem Kind. Inniger denn je vertiefte sie sich in die kleine Kinderseele. Unermüdlich spielte sie mit Ursula. Manchmal fragte sie das Kind:

      »Willst du nicht zu deinen Freundinnen gehen?«

      Doch Ursula wollte nicht. Die Mutter war ihr die liebste Spielgefährtin. Brigitte fürchtete, ihre Tochter könne dadurch zu ernst, zu früh reif werden, aber mit Gewalt wollte sie sie auch nicht zu den Altersgefährtinnen schicken.

      Ruhig, gleichmäßig floß das Leben für Mutter und Kind dahin. Nur zwei Sorgen lasteten wie ein schwerer Alp auf Brigitte. Da war zunächst die Sorge um ihre und des Kindes Zukunft. Sie mußte arbeiten, Geld verdienen. Aber noch wußte sie nicht, wie sie das beginnen sollte. Ihre zweite Sorge war Markhoff. Nie kam die Angst vor ihm ganz in ihr zur Ruhe. Mit einer Drohung hatte er sie verlassen, und sie kannte ihn. Er führte seine Drohungen aus.

      Aber als Tag um Tag verging und nichts geschah, wurde sie allmählich ruhiger.

      Sie konnte sogar hin und wieder mit dem Kind herzlich lachen und fröhlich sein, über irgendein Bild, über eine drollige Bemerkung Ursulas.

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