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Dr. Katzenbergers Badereise. Jean Paul
Читать онлайн.Название Dr. Katzenbergers Badereise
Год выпуска 0
isbn 9783843803359
Автор произведения Jean Paul
Жанр Языкознание
Серия Klassiker der Weltliteratur
Издательство Bookwire
»Ich gestehe« – versetzte der sich leicht ekelnde Dichter schnell, um nur dem bösen Bilde zu entspringen –, »dass mich Ihr Bedienter mit seinem langen Schlepp-Rocke fast komisch interessiert. Wie ich ihm nachsah, schien er mir ordentlich auf Knien zu gehen, wie sonst ein Sieger zum Tempel des Jupiter capitolinus oder aus der Erde zu wachsen.«
Freundlich antwortete Katzenberger: »Ich habe es gern, wenn meine Leute mir oder andern lächerlich vorkommen, weil man doch etwas hat alsdann. Mein Flex trägt nun von Geburt an glücklicherweise kurze Dachs-Beine, und auch diese sogar äußerst zirkumflektiert, dass, wenn sein Rock lang genug ist, sein Steiß und sein Weg, ohne dass er nur sitzt, halb beisammen bleiben. Diesen komischen Schein seiner Trauerschleppe nütz‘ ich ökonomisch. Ich habe nämlich einen und denselben längsten Lakaienrock, den jeder tragen muss, Goliath wie David. Diese Freigebigkeit entzweiete mich oft mit dem Piraner Prosektor, sonst mein Herzensfreund, aber ein geiziger Hund, der Leute en robe courte – aber nicht en longue robe – hat, und denen er die Röcke zu kurzen neumodischen Westen (nicht zu altmodischen) einschnurren lässt. Setz‘ ich nun seinem Geize mein Muster entgegen: so verweiset er mich auf die anatomischen Tafeln, nach denen unter den Gegenmuskeln der Hand der Muskel, der sie zuschließe, stets viel stärker sei als der, welcher sie aufmacht, und zu jenem Muskel gehöre noch die Seele, wenn Geld damit zu halten sei. Daher die Freunde auch die Hände leichter gegeneinander ballen als ausstrecken. Etwas ist daran.«
Als Theoda kam, hatte der Doktor, der im Vordersitz wartete, dass er durch einen Hüften-Nachbar fester gepackt würde, den verdrüsslichen Anblick, dass das Paar nach langer Session-Streitigkeit sich ihm gegenüber setzte. Die Tochter tat es aus Höflichkeit gegen Nieß und aus Liebe gegen ihren Vater, um ihn anzusehen und seine Wünsche aufzufangen. Zuletzt sagte dieser im halben Zorn: »Du willst dich sonach an das Steißbein und Rückgrat des Kutschers lehnen und lässt ruhig deinen alten Vater, wie ein Weberschiffchen, von einem Kissen zum andern werfen, he?«
Da erhielt er endlich an seiner hinüberschreitenden Tochter seinen Füllstein, zur höchsten Freude des rücksässigen Edelmanns, dessen Blicke sich nun wie ein Paar Fliegen immer auf ihre Augen und Wangen setzen konnten.
BESCHLUSS DER ABREISE
Sie fuhren ab ...
.... Aber jetzo fängt für den Absender der Hauptpersonen, für den Verfasser, nicht die beste Zeit von Lesers Seite an; denn da dieser nun alle Verwickelungen weiß, so wird er mit seiner gewöhnlichen Heftigkeit die sämtlichen Entwickelungen in den nächsten Druckbogen haben wollen und die Forderung machen, dass in den nächsten Summuln der Rezensent ausgeprügelt werde, dessen Namen er noch nicht einmal weiß – dass Herr von Nieß seine Larve, als sei er bloß ein Freund Theudobachs, abwerfe und dieser selber werde – und dass Theoda darüber erstaune und kaum wisse, wo ihr der Kopf steht, geschweige das Herz. Tu ich nun dem Leser den Gefallen und prügle, entlarve und verliebe, was dazu gehört: so ist das Buch aus, und ich habe erbärmlich in wenig Summuln ein Feuerwerk oder Luftfeuer abgebrannt, das ich nach so großen Vorrüstungen zu einem langen Steppenfeuer von unzähligen Summuln hätte entzünden können. Ich will aber Katzenberger heißen, entzünd‘ ichs nicht zu einem.
Von jetzt an wird sich die Masse meiner Leser in zwei große Parteien spalten: die eine wird zugleich mich und die andere und diesen Druck-Bogen verlassen, um auf dem letzten nachzusehn, wie die Sachen ablaufen; es sind dies die Kehraus-Leser, die Valetschmauser, die Jüngstentag-Wähler, welche an Geschichten, wie an Fröschen, nur den Hinterteil verspeisen und, wenn sie es vermochten, jedes treffliche Buch in zwei Kapitel einschmelzten, ins erste und ins letzte, und jedem Kopfe von Buch, wie einem aufgetragnen Hechte, den Schwanz ins Maul steckten, da eben dieser an Geschichten und Hechten die wenigsten Gräten hat; Personen, die nur so lange bei philosophierenden und scherzenden Autoren bleiben, als das Erzählen dauert, wie die Nordamerikaner nur so lange dem Predigen der Heidenbekehrer zuhorchen, als sie Branntwein bekommen. Sie mögen denn reisen, diese Epilogiker. Was hier bei mir bleibt – die zweite Partei –, dies sind eben meine Leute, Personen von einer gewissen Denkart, die ich am langen Seile der Liebe hinter mir nachziehe. Ich heiße euch alle willkommen; wir wollen uns lange gütlich miteinander tun und keine Summuln sparen – wir wollen auf der Bad-Reise die Einheit des Ortes beobachten, so wie die des Interesse, und häufig uns vor Anker legen. Langen wir doch nach den längsten verzögerlichen Einreden und Vexierzügen endlich zu Hause und am Ende an, wo die Kehraus-Leser hausen: so haben wir unterwegs alles, jede Zoll- und Warntafel und jeden Gasthofschild, gelesen und jene nichts, und wir lachen herzlich über sie.
HALBTAGFAHRT NACH ST. WOLFGANG
Theoda konnte unmöglich eine Viertelstunde vor dem Edelmarine sitzen, ohne ihn über Inner- und Äußerlichkeiten seines Freundes Theudobach, von dem Zopfe an bis zu den Sporen, auszufragen. Er schilderte mit wenigen Zügen, wie einfach er lebe und nur für die Kunst, und wie er, ungeachtet seiner Lustspiele, ein gutmütiges liebendes Kind sei, das ebenso oft geliebt als betrogen werde; und im Äußern habe er so viel Ähnlichkeit mit ihm selber, dass er darum sich oft Theudobachs Körper nenne. Himmel! mit welchem Feuer schauete die Begeisterte ihm ins Gesicht, um ihren Autor ein paar Tage früher zu sehen! »Ich habe doch in meinem Leben nicht zwei gleich ähnliche Menschen gesehen« sagte Theoda, der einmal in einem glänzenden Traume Theudobach ganz anders erschienen war als sein vergebliches Nachbild. »Soll er meiner Tochter gefallen«, bemerkte der Doktor, »so muss die Nasenwurzel des Poeten und die Nasenknorpel samt dem Knochenbau etwas stärker und breiter sein als bei Ihnen, nach ihren phantastischen Voraussetzungen aus seinen Büchern.« Wenn also der Schleicher etwa, wie ein Doppeladler, zwei Kronen durch seine Namen-Maske auf den Kopf bekommen wollte, eine jetzige und eine künftige: so ging er sehr fehl, dass er den Menschen ein paar Tage vor dem Schriftsteller abgesondert vorausschickte; denn jener verhärtete in Theodas Phantasie und ließ sich spröde nicht mehr mit diesem verarbeiten und verquicken, indes umgekehrt bei einer gleichzeitigen ungeteilten Vorführung beider das Schriftstellerische sogleich das Menschliche mit Glimmer durchdrungen hätte.
Nieß warf ohne Antwort die Frage hin, wie ihr sein beziehlich-bestes Stück: »Der Ritter einer bessern Zeit« gefallen, mit welchem er eben in Maulbronn die deklamatorische Akademie anfangen wolle. Da ein Autor bei einem Leser, der ihn wegen eines halben Dutzends Schriften anbetet, stets voraussetzt, er habe alle Dutzende gelesen: so erstaunte er ein wenig über Theodas Freude, dass sie etwas noch Ungelesenes von ihm werde zu hören bekommen. Sie musste ihm nun – so wenig wurd‘ er auf seinem Selberfahrstuhl von Siegwagen des schönen Aufzugs satt – sagen, was sie vorzüglich am Dichter liebe; »großer Gott«, versetzte sie, »was ist vorzüglich zu lieben, wenn man liebt? Am meisten aber gefällt mir sein Witz – am meisten jedoch seine Erhabenheit – freilich am meisten sein zartes heißes Herz – und mehr als alles andere, was ich eben lese.« – »Was lesen Sie denn eben von ihm?«, fragte Nieß. »Jetzo nichts«, sagte sie.
Der Edelmann brauchte kaum die Hälfte seiner feinen Fühlhörner auszustrecken, um es dem Doktor abzufühlen, dass er mit seinem verschränkten Gesichte ebenso gut unter dem Balbiermesser freundlich lächeln könnte als unter einem für ihn so widerhaarigen Gespräche; er tat daher – um allerlei aus ihm herauszureizen, worüber er bei der künftigen Erkennszene recht erröten sollte – die Frage an ihn, was er seines Orts vom Dichter für das Schlechteste halte. »Alles«, versetzte er, »da ich die Schnurren noch nicht gelesen. Mich wunderts am meisten, dass er als Edelmann und Reicher etwas schreibt; sonst taugen in Papiermühlen wohl die groben Lumpen zu Papier, aber nicht die seidnen.« Nieß fragte: ob er nicht in der Jugend Verse gemacht? »Pope« – gab er zur Antwort – »entsann sich der Zeit nicht, wo er keine geschmiedet, ich erinnere mich derjenigen nicht, wo ich dergleichen geschaffen hätte. Nur einmal mag ich, als verliebter Geßners-Schäfer und Primaner, so wie in Krankheiten sogar die Venen pulsieren, in Poetasterei hineingeraten sein, vor einem dummen Ding von Mädchen – Gott weiß, wo die Göttin jetzt ihre Ziegen melkt. – Ich stellte ihr die schöne