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Fremden aus fernem Lande, bei ihrem ersten Schritt in die Welt grausamer befleckt werden? Ist »Märtyrertum« ein zu inhaltsschweres Wort, um zu bezeichnen, was eine gefühlvolle Frau bei solcher Behandlung gelitten haben muss? Ich glaube kaum.

      Wir setzten uns zu Tische. Ich bin außer Stande, diese unbehaglichste aller Zusammenkünfte, dieses ermüdendste und trübseligste aller Feste zu schildern! Es ist wahrhaftig schon schwer genug, dieses Abends überhaupt zu gedenken.

      Meine Frau und ich bemühten uns nach Kräften, die Unterhaltung so harmlos und fließend als möglich zu erhalten. Es war ein schweres Stück Arbeit und dennoch war unser Erfolg sehr gering. Wie sehr wir uns auch bemühten, die leeren Plätze der drei abwesenden Damen waren nicht zu übersehen und sprachen für sich selbst in ihrer eigenen, niederdrückenden Sprache. Wie gern wir auch widerstanden hätten, unwillkürlich drängte sich die eine traurige Folgerung den Gemütern auf. Es lag zu klar am Tage, dass plötzlich irgendein furchtbares Gerücht über den Ruf der Dame, die an der Spitze der Tafel saß, aufgetaucht war und mit einem Schlage die Achtung der Freunde ihres Mannes für sie zerstört hatte. Was konnten die eng befreundeten Gäste diesen Entschuldigungen im Empfangszimmer, diesen leeren Plätzen an der Tafel gegenüber tun, um diesem Ehepaar in seinem plötzlichen und bitteren Leid beizustehen? Sie konnten sich nur als einzige Wohltat für sie je eher je lieber empfehlen und das unglückliche Paar sich selbst überlassen.

      Zur Ehre der drei Herren, die in diesen Zeilen als A., B. und C. Bezeichnet sind, sei es aber gesagt, dass sie beschämt genug über ihre und ihrer Frauen Handlungsweise waren, um wenigstens die Ersten aus der Gesellschaft zu sein, die das Haus verließen. Nach einigen Augenblicken erhoben wir uns, um ihrem Beispiel zu folgen. Mrs. Germaine nötigte uns dringend noch zu bleiben.

      »Bleiben Sie noch einige Augenblicke«, flüsterte sie mit einem Blick auf ihren Gatten. »Ich habe Ihnen etwas zu sagen, ehe Sie uns verlassen.«

      Sie verließ uns, nahm den Arm ihres Mannes und führte ihn in den entgegengesetzten Teil des Zimmers. Beide sprachen einige Augenblicke leise miteinander, der Mann schloss die Beratung, indem er die Hand seiner Frau an seine Lippen zog.

      »Tue wie die willst, Geliebte«, sagte er. »Ich überlasse es dir ganz.«

      Er setzte sich, traurig und in Gedanken verloren, nieder. Mrs. Germaine verschloss einen Schrank am anderen Ende des Zimmers und kehrte dann allein zu uns zurück eine kleine Brieftasche in der Hand haltend.

      »Mir fehlen die Worte, um Ihnen genugsam auszudrücken, wie dankbar ich Ihre Güte für mich anerkenne!« sagte sie, mit vollkommener Einfachheit und Würde. »Sie haben mich unter sehr schwierigen Umständen mit einer Zärtlichkeit und Teilnahme behandelt, wie man sie nur alten Freunden zollt. Die einzige Weise, in der ich Ihnen einigermaßen erwidern kann, was Sie für mich taten, ist, dass ich Ihnen mein vollstes Vertrauen schenke. Urteilen Sie dann selbst, ob ich die Behandlung, die ich heute Abend erfuhr, verdiene oder nicht.«

      Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schwieg um ruhiger zu werden. Wir baten sie beide nicht weiter zu sprechen, ihr Gatte, der sich uns zugesellte, vereinte seine Bitten den unseren. Sie dankte uns, fuhr aber dennoch fort. Wie die meisten tieffühlenden Menschen, konnte sie entschlossen sein, sobald sie es durch die Gelegenheit geboten fand.

      »Ich habe noch einige Worte zu sagen«, fuhr sie, sich zu meiner Frau wendend, fort. »Sie sind die einzige Frau, die heute zu unserer Gesellschaft gekommen ist. Die geflissentliche Abwesenheit der andern Frauen spricht für sich selbst. Ob sie im Recht oder Unrecht sind, indem sie unser Haus meiden, wage ich nicht zu entscheiden. Mein teurer Mann – vor dem mein ganzes Leben so klar liegt, wie vor mir selbst – hatte den Wunsch diese Damen einzuladen. Er glaubte irrtümlicherweise, dass seine Achtung für mich maßgebend für die Achtung seiner Freunde sein würde; weder er noch ich konnten ahnen, dass die schmerzlichen Schicksale meines vergangenen Lebens durch jemand der sie kannte und dessen Verrat wir noch erst zu ergründen haben werden, enthüllt sein konnten. Das Geringste, was ich als Anerkennung für Ihre große Güte tun kann, ist, Sie mir gegenüber in dieselbe Lage zu setzen, in der sich die andren Damen befinden. Die Umstände, unter denen ich Mr. Germaines Frau geworden bin, sind in vielen Beziehungen sehr wunderbar. Sie sind ohne Rückhalt oder Auslassung in einer kleinen Geschichte niedergelegt, die mein Mann zur Zeit unserer Verheiratung schrieb, um dadurch seine fernen Verwandten, an deren Wohlwollen ihm viel gelegen war, zufriedenzustellen. Das Manuskript befindet sich in dieser Brieftasche. Ich erbitte es mir von Ihnen beiden als eine persönliche Gunst, dass Sie den Inhalt durchlesen. Mögen Sie, nachdem Sie es gelesen haben, entscheiden, ob ich für den Umgang achtbarer Frauen geeignet bin oder nicht.«

      Sie reichte uns mit einem sanften, traurigen Lächeln ihre Hand und wünschte uns Gutenacht. Meine Frau vergaß in ihrer erregten Weise alle Förmlichkeiten und küsste sie beim Abschied. Bei diesem einen, kleinen Beweise schwesterlicher Teilnahme brach alle Stärke, die das arme Wesen den ganzen Abend über gezeigt hatte, zusammen – sie weinte bitterlich.

      Ich teilte ganz die herzlichen, teilnehmenden Gefühle meiner Frau für sie, leider konnte ich aber von dem Vorrecht meiner Frau, sie zu küssen, nicht Gebrauch machen. Auf der Treppe fand ich Gelegenheit ihrem Manne, der uns zur Haustür geleitete, einig ermunternde Worte zu sagen.

      »Ehe ich dieses öffne«, sagte ich, auf die Brieftasche unter meinem Arme deutend, »bin ich mir eines klar bewusst, dass wenn ich nicht schon verheiratet wäre, ein Herr, ich Sie um Ihre Frau beneiden würde, glauben Sie mir.«

      »Lesen Sie, was hier geschrieben steht und Sie werden begreifen, was ich um meiner falschen Freunde willen diesen Abend gelitten habe.«

      Am nächsten Morgen öffneten meine Frau und ich die Brieftasche und lasen die seltsame Geschichte von George Germaines Verheiratung.

       Die Geschichte

      George Germaine schreibt und erzählt seine eigene Liebesgeschichte

       Erstes Kapitel

      Die Grünwasser-Fläche

      Schau zurück, Erinnerung, durch das dunkle Labyrinth der Vergangenheit durch die gemischten Freuden und Schmerzen von zwanzig Jahren. Erwache wieder, meine Knabenzeit, an den geschlängelten, grünen Ufern des kleinen Sees. Kehre zu mir zurück, meine Kinderliebe, in der schuldlosen Schöne deiner ersten zehn Jahre. Lass uns wiederum leben, mein Engel, wie wir in unserem ersten Paradiese lebte, ehe Sünde und Schmerz ihre flammenden Schwerter erhoben und uns in die Welt hinaustrieben.

      Es war im Monat März. Die letzten wilden Vögel der Jahreszeit flatterten über den Wassern des Sees, den wir in der Suffolkischen Mundart die »Grünwasser-Fläche« nannten.

      Durch alle Windungen hindurch färbten die grünen Ufer und die überhängenden Bäume den See mit ihrem saftigen Grün, indem sie sich darin spiegelten und der dadurch seien Namen erhielt. In einer kleinen Bucht am südlichen Ende wurden die Boote aufgestellt – mein eigenes, niedliches Segelboot hatte seinen kleinen, natürlichen Hafen ganz für sich allein. Gegen Norden stand die große Schlinge, der Entenfang genannte, worin die wilden Vögel gefangen wurden, die im Winter zu Tausenden und Tausenden die »Grünwasser-Fläche« besuchten. Meine kleine Mary und ich gingen Hand in Hand hinaus, um die letzten Vögel in die Schlinge locken zu sehn.

      Der äußere Teil der seltsamen Vogelfalle ragte aus dem Wasser des Sees in einer Reihe von Bogen hervor, die von biegsamen Zweigen geformt und von feinem Netzwerk bedeckt waren. Kleiner und kleiner werdend, folgten die Bogen mit ihrem Netzdach den geheimen Windungen der kleinen Bucht landwärts bis zu ihrem Ende. Rings um die Bogen, nach der Landseite zu, lief ein hölzerner Zaun, der hoch genug war, um einen knieenden Mann den Blicken der Vögel auf dem Wasser zu verbergen. In gewissen Zwischenräumen waren Öffnungen in den Zaun gemacht, die grade ausreichten um einem Dachshund oder Windspiel den Eingang zu ermöglichen. Dieses war die ganze, einfache Bauart des Entenfanges.

      In jenen Tagen war ich dreizehn und Mary zehn Jahre alt. Auf unserem Wege zum See hatten wir Marys Vater als Führer und Begleiter bei uns. Der gute Mann diente als Vogt auf meines Vaters Gute und war nebenbei einer der geschicktesten Meister in der Kunst des Entenfanges. Ein kleiner Dachshund war sein Gehilfe, als Lockvögel waren wir in Suffolk gewohnt Enten zu zähmen. Der Dachshund war

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