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waren, daß die geschmeidige Haut bersten zu wollen schien. Allmälig fingen seine Lebensgeister an, wieder wach zu werden. Die starken Körperübungen wirkten berauschend auf den starken Mann. Seiner Aufregung gab er durch die heillosesten Flüche Ausdruck, indem er in Erwiderung der ihm reichlich gespendeten Beifallsbezeugungen des Gymnastikers und seines Sohnes abwechselnd Donner und Blitz, Pulver und Blei rief. »Dinte, Feder und Papier her!« schrie er, als er endlich von der Körperübung erschöpft war, »ich habe mich entschlossen, ich will schreiben und die Sache los sein!«

      Wie gesagt, so gethan, er ging an’s Werk und beendigte den Brief auf der Stelle; im nächsten Augenblick hätte der Brief sicher im Postkasten gelegen. Aber gerade in diesem Augenblick ergriff ihn wieder seine krankhafte Unentschlossenheit. Er öffnete den Brief wieder, las ihn nochmals und zerriß ihn dann wieder. »Nun weiß ich doch noch nicht, was ich will! rief Geoffrey indem er seine großen, wilden, blauen Augen auf den Professor der Gymnastik heftete. »Donner und Blitz, Pulver und Blei! Lassen Sie Crouch kommen.« Crouch war überall da, wo englische Mannhaftigkeit respectirt wurde, ein bekannter und hochgeschätzter, in’s Privatleben zurückgetretener Preisfechter. Er erschien jetzt mit dem dritten und letzten Geoffrey Delamayn bekannten Mittel, seinen Geist frei zu machen, nämlich mit zwei Paar Boxhandschuhen in einem Reisesack. Geoffrey und der Preisfechter zogen die Handschuhe an und stellten sich in der klassisch correcten Stellung erprobter Faustkämpfer einander gegenüber. »Aber keine Spielerei»brummte Geoffrey; schlagen Sie ordentlich, Sie Schuft!« Als ob es wieder um Preise ginge.«

      Kein Mensch auf der Welt wußte besser was wirkliches Schlagen heißt, und welche furchtbare Schläge selbst mit anscheinend so harmlosen Waffen, wie es wattirte Handschuhe sind, ausgetheilt werden können, als der große, schreckliche Crouch. Er that aber auch nur, als ob er sich den Wünschen Geoffrey’s füge. Dieser belohnte ihn für seine Höflichkeit und Rücksichtsnahme damit, daß er ihn zu Boden schlug. Der große Schreckliche erhob sich wieder ohne eine Miene zu verziehen.

      »Gut getroffen, gut getroffen! Mr. Delamayn!« sagte er, »versuchen Sie es jetzt mit der andern Faust.«

      Geoffrey war nicht so kaltblütig geblieben, indem er Tod und Verderben auf die schon oft genug braun und blau geschlagenen Augen Crouch’s herniederrief, drohte er ihm für immer seine Gunst und Protection zu entziehen, wenn er nicht seine verfluchte Höflichkeit aufgebe und auf der Stelle gewaltig zuschlüge.

      Der Held von hundert Faustkämpfen verzagte vor der ihm gestellten Aussicht. »Ich habe eine Familie zu ernähren!« bemerkte Crouch, wenn Sie es aber durchaus wünschen, da haben Sie’s!«

      Geoffrey stürzte mit solcher Gewalt zu Boden, daß das ganze Haus davon erdröhnte; aber im Augenblick stand er wieder auf den Beinen und war auch jetzt noch nicht befriedigt. »Ach was mit Ihrem Umwerfen, schlagen Sie ordentlich auf den Kopf, Donner und Blitz, Pulver und Blei! Schlagen Sie mir die Geschichte heraus, zielen Sie nach dem Kopfe.

      Der gehorsame Crouch zielte nach dem Kopfe. Die Beiden gaben und empfingen Schläge, die jedes civilisirte Mitglied der menschlichen Gesellschaft auf der Stelle bewußtlos gemacht, vielleicht getödtet haben würde. Der Handschuh des Preisfechters fiel jetzt wie ein Hammer abwechselnd aus die eine und dann auf die andere Seite des eisernen Schädels seines vornehmen Gegners, Schlag auf Schlag, gräßlich anzuhören, bis endlich Geoffrey selbst sich für befriedigt erklärte. »Ich danke Ihnen Crouch«, sagte er zum ersten Male in einem höflichen Tone. »Nun ist es gut! Jetzt fühle ich mich frisch und klar«, er schüttelte drei bis vier Mal den Kopf, trank ein mächtiges Glas Bier und fand seine gute Laune wie durch einen Zauber wieder.

      »Wünschen Sie wieder Feder und Dinte?« fragte sein gymnastischer Wirth.

      »Nein!« antwortete Geoffrey, »jetzt bin ich die Geschichte los, hole der Teufel Feder und Dinte. Ich will einige meiner Kameraden aufsuchen und mit ihnen in’s Theater gehen.« Er verließ das Wirthshaus in der glücklichsten und heitersten Stimmung. Durch die stimulirende Wirkung von Crouche’s Handschuhen begeistert, hatte er die lähmende Schläfrigkeit seines Hirns abgeworfen und fühlte sich wieder ganz im Besitz seiner natürlichen Schlauheit. »An Anne schreiben? welcher vernünftige Mensch würde das ohne die äußerste Noth thun. Wir wollen ruhig abwarten und sehen, was die nächsten achtundvierzig Stunden bringen, und dann schreiben oder sie im Stich lassen, je nachdem die Dinge sich gestalten werden.« Das war ja so klar wie der Tag für Jeden, der sehen konnte, und Dank dem großen Crouch konnte er jetzt sehen und so ging er fort in der richtigen Stimmung für ein munteres Diner und einen Abend im Theater mit seinen Universitätsfreunden.

       Sechstes Kapitel.

      Geoffrey als Heirathskandidat

      Die achtundvierzig Stunden vergingen, ohne daß irgend eine persönliche Begegnung zwischen den beiden Brüdern stattgefunden hätte. Julius schickte von dem Hause seines Vaters aus kurze geschriebene Bülletins über den Zustand Lord Holchester’s an seinen Bruder in’s HoteL Das erste lautete: »Es geht fortwährend gut; die Aerzte sind zufrieden.« Das zweite lautete noch zuversichtlicher: Es geht vortrefflich, die Aerzte haben die besten Hoffnungen.« Das dritte war das Ausführlichste von allen: »Ich soll unseren Vater in einer Stunde sprechen, die Aerzte stehen für seine Wiederherstellung ein; verlaß Dich darauf, daß ich ein gutes Wort für Dich einlegen werde und wenn möglich, warte auf weitere Nachrichten Von mir im Hotel.« Geoffrey’s Züge verfinsterten sich bei Lesung des dritten Bulletins. Jetzt verlangte er nochmals das verhaßte Schreibmaterial; denn nun schien es ihm doch unerläßlich, sich mit Anne in Verbindung zu setzen. Lord Holchester’s Wiederherstellung brachte ihn wieder in dieselbe kritische Lage, in der er sich in Windygates befunden hatte; jetzt war es wieder die einzige gesunde Politik, die Geoffrey beobachten konnte, Anne abzuhalten einen verzweifelten Entschluß zu fassen, der ihn in einen öffentlichen Scandal verwickeln und, soweit seine Erbschaft in Betracht kam, ihn ruiniren würde. Sein Brief umfaßte Alles in Allem zwanzig Worte: »Liebe Anne! ich höre eben, daß mein Vater noch nicht in’s Gras beißen will, bleibe wo Du bist, ich schreibe wieder.« Nachdem Geoffrey diese lakonische Botschaft durch die Post expedirt hatte, zündete er sich seine Pfeife an und wartete das Resultat der Zusammenkunft Lord Holchesters mit seinem ältesten Sohne ab.

      Julius fand seinen Vater schrecklich verändert, aber, obgleich so schwach, daß er nicht im Stande war den Händedruck seines Sohnes zu erwidern oder sich ohne Hilfe im Bett umzudrehen, war er doch im vollen Besitz seiner Geisteskräfte, hatte sich der alte Advokat die ganze Klarheit seines scharfen Auges und die ganze Frische seines energischen Geistes bewahrt. Das Ziel seines Ehrgeizes war, Julius im Parlament zu sehen. Gerade jetzt hatte sich Julius auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters in Perthshire als Wahlcandidat präsentirt. Noch ehe sein ältester Sohn zwei Minuten an seinem Bette geweilt hatte, ging Lord Holchester eifrig aus die politischen Angelegenheiten des Landes ein. »Ich danke Dir, lieber Julius, für Deine Glückwünsche; Leute meines Schlages sterben nicht so leicht, sieh nur Brougham und Lyndhurst. Du kannst ja noch nicht in’s Oberhaus kommen und würdest zunächst in’s Unterhaus gewählt werden, gerade wie ich es wünsche. Wie sind Deine Aussichten bei den Wählern, erzähle mir doch wie Du mit ihnen stehst und wo und wie ich Dir nützen kann!«

      »Aber lieber Vater, Du bist doch wahrlich noch zu schwach, um jetzt von Geschäften zu reden!«

      »Ich fühle mich stark genug; ich brauche etwas, was meine Gedanken angenehm beschäftigt, mein Geist fängt an sich in vergessene Zeiten zu versenken, in Dinge die besser vergessen bleiben.« Plötzlich verzog sich sein bleiches Gesicht krampfhaft, er sah seinen Sohn scharf an und that ihm ganz unerwartet die Frage: »Julius, hast Du je von einem jungen Mädchen mit Namen Anne Silvester gehört?«

      Julius verneinte die Frage. Seine Beziehungen zu Lady Lundie beschränkten sich darauf, daß er und seine Frau ihre Karten bei derselben abgegeben hatten; eine Einladung Lady Lundie’s zu ihrem Gartenfeste hatten sie dankend abgelehnt. Mit Ausnahme von Blanche kannten sie in dem Familienkreise in Windygates Niemanden. —

      »Notire Dir doch den Namen!« fuhr Lord Holchester fort. »Anne Silvester! Ihre Eltern sind beide todt; ich kannte ihren Vater. In früheren Zeiten wurde ihrer Mutter bös mitgespielt, es war eine häßliche Geschichte. Seit vielen Jahren habe ich zum ersten Male wieder an die Sache gedacht. Wenn das Mädchen noch lebt und in England ist, so erinnert sie

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