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bat, daß sie das Haus heimlich verließe, und als letzte Gunst begehrte, daß man keinerlei Nachforschungen nach ihr anstelle.

      Nachdem sie dieses kurze Briefchen versiegelt und auswendig den Namen ihres Herrin darauf geschrieben, legte sie es auf ihren Tisch, horchte dann wieder an der Tür, und nachdem sie sich überzeugt, daß noch niemand auf den Füßen war, begann sie die Treppe von Porthgenna Tower zum letzten Male hinabzugehen.

      Am Eingange des Korridors, der nach der Kinderstube führte, blieb sie stehen. Die Tränen, welche sie, seitdem sie ihr Zimmer verlassen, unterdrückt, begannen wieder zu fließen. So dringend ihre Gründe auch waren, ihre Flucht, ohne einen Augenblick Zeit zu versäumen, auszuführen, so näherte sie sich doch mit der seltsamsten Inkonsequenz einige Schritte der Kinderstubentür. Ehe sie noch weit gekommen war, schlug ein leichtes Geräusch in dem untern Teile des Hauses an ihr Ohr und hemmte sofort ihr ferneres Vorschreiten.

      Während sie so zweifelhaft dastand, stieg der Kummer in ihrem Herzen – ein größerer Kummer, als welchen sie bis jetzt verraten – unwiderstehlich auf ihre Lippen und entrang sich denselben durch tiefes keuchendes Schluchzen.

      Das Geräusch desselben schien sie zum Bewußtsein der Gefahr ihrer Lage, wenn sie noch einen Augenblick länger bliebe, aufzurütteln. Sie eilte deshalb wieder nach der Treppe, erreichte unaufgehalten die Küchenetage und ging zu der Gartentür hinaus, welche der Diener ihr bei der Morgendämmerung geöffnet hatte.

      Als sie die nächste Umgebung von Porthgenna Tower hinter sich hatte, lenkte sie, anstatt den nächsten Weg über das Moorland, der nach der Landstraße führte, einzuschlagen, ihre Schritte nach der Kirche, blieb aber, ehe sie dieselbe erreichte, an dem öffentlichen Brunnen der Nachbarschaft stehen, der hier in der Nähe der Fischerhütten des Dorfes Porthgenna gegraben worden.

      Nachdem sie sich vorsichtig umgeschaut, ließ sie den kleinen rostigen Schlüssel, den sie mit aus dem Myrtenzimmer gebracht, in den Brunnen fallen, eilte dann weiter und ging in den Kirchhof hinein. Hier lenkte sie ihre Schritte unmittelbar nach einem der Gräber, welches durch einen kleinen Zwischenraum von den übrigen geschieden war. Auf dem zu Häupten desselben stehenden Steine standen folgende Worte:

      Gewidmet dem Andenken an

      Hugh Polwheal

      Gestorben in seinem 26. Lebensjahr.

      Der Tod ereilte ihn

      durch den Sturz eines Felsens in

      dem Porthgenna-Schacht

      am 17. Dezember 1823.

      Nachdem Sara von dem Gras auf dem Grabe einige Halme abgepflückt, öffnete sie das kleine Gesangbuch, welches sie aus ihrem Zimmer in Porthgenna mitgenommen, und legte die Halme sorgfältig und behutsam zwischen die Blätter. Als sie dies tat, blies der Wind das Titelblatt des Gesangbuches offen, sodaß die darauf in großen plumpen Buchstaben geschriebene Inschrift sichtbar ward: »Dies Buch gehört Sara Leeson, die es von Hugh Polwheal geschenkt erhalten.«

      Nachdem sie die Grashalme zwischen die Blätter des Buches gelegt, lenkte sie ihre Schritte wieder nach dem Fußsteig zurück, der nach der Landstraße führte. Auf dem Moorland angekommen, nahm sie aus ihrer Schürzentasche die von den Schlüsseln abgeschnittenen Pergamentstreifen und warf sie vereinzelt unter das Heidekraut hinein.

      »Nun ist alles getan!« sagte sie. »Gott helfe und verzeihe mir – nun ist alles getan und vorüber!«

      Mit diesen Worten kehrte sie dem alten Hause und der Aussicht auf das Meer jenseits desselben den Rücken und ging weiter über das Moorland hinweg nach der Landstraße.

      Vier Stunden später befahl Kapitän Treverton einem Diener, Sara Leeson zu sagen, er wünsche alles zu hören, was sie ihm über die letzten Augenblicke ihrer Herrin mitzuteilen habe.

      Der Bote kam mit Blicken und Worten der Bestürzung und mit dem Briefe zurück, den Sara an ihren Herrn gerichtet.

      Sofort, nachdem Kapitän Treverton den Brief gelesen, befahl er, schleunige Nachforschungen nach der Entflohenen anzustellen. Sie war in Folge der frühzeitigen Ergrauung ihres Haares, des seltsamen, scheuen Blicks ihrer Augen und ihrer Gewohnheit, fortwährend mit sich selbst zu sprechen, so leicht zu beschreiben und zu erkennen, daß ihre Spur mit Sicherheit bis Truro verfolgt ward.

      In dieser großen Stadt aber ging diese Spur verloren und ward nie wieder aufgefunden. Es wurden Belohnungen ausgesetzt, die Behörden des Distrikts für die Sache interessiert, alles, was Reichtum und Ansehen tun konnten, um sie zu entdecken, ward getan, aber vergebens. Man ermittelte keinen Aufschluß, welcher auch nur einen Verdacht in Bezug auf ihren Aufenthaltsort an die Hand gegeben, oder auch nur im mindesten zur Aufklärung über die Beschaffenheit des in ihrem Briefe angedeuteten Geheimnisses beigetragen hätte.

      Man sah und hörte in Porthgenna Tower nach dem Morgen des dreiundzwanzigsten August achtzehnhundertundneunundzwanzig von ihr nichts wieder.

       Drittes Kapitel

      Fünfzehn Jahre später

      Die Kirche von Long Beckley – eines bedeutenden landwirtschaftlichen Dorfes in einer der Binnengrafschaften Englands – besitzt, obschon sie sich weder durch ihre Größe, noch durch ihre Bauart, noch durch ihr Alter auszeichnet, nichtsdestoweniger einen Vorzug, welchen die kaufmännischen Despoten von London ihrer stattlichen St. Pauls-Kathedrale barbarischerweise versagt haben. Sie steht nämlich auf einem großen freien Platz und man kann sie daher rings herum von jedem Punkte aus mit Bequemlichkeit überschauen.

      Dieser große freie Raum um die Kirche herum ist von drei verschiedenen Richtungen her zugänglich. Es führt eine Straße geradeaus nach dem Haupteingange. Zweitens gibt es einen breiten Kiesweg, der an dem Tore des Pfarrhauses anfängt, quer über den Kirchhof führt und gebührendermaßen bis an den Eingang der Sakristei reicht. Drittens führt ein Fußweg über die Felder, mittelst dessen der Gutsherr und die feineren Leute, die in seiner erhabenen Nachbarschaft wohnen, überhaupt die Seitentür der Kirche erreichen können, so oft ihre angeborene Demut, von günstiger Witterung unterstützt, sie geneigt macht, die Heiligung des Sabbaths unter ihren Dienstleuten dadurch zu ermutigen, daß sie gleich der geringeren Klasse von Andächtigen auf ihren eigenen Füßen zur Kirche gehen.

      Um halb acht Uhr an einem gewissen schönen Sommermorgen des Jahres achtzehnhundertvierundvierzig würde ein fremder Beobachter, wenn er zufällig in einem unbemerkten Winkel des Kirchhofs gestanden und mit scharfen Augen um sich geblickt hätte, wahrscheinlich Augenzeuge von Vorgängen gewesen sein, die ihn zu dem Glauben verleitet haben würden, daß in Long Beckley eine Verschwörung im Werke sei, deren Sammelpunkt die Kirche wäre und deren Haupträdelsführer aus den angesehensten Einwohnern bestünden.

      Gesetzt, er hätte, als die Uhr die halbe Stunde schlug, nach dem Pfarrhause geblickt, so würde er gesehen haben, wie der Pfarrer oder Vikar von Long Beckley, der ehrwürdige Doktor Chennery, argwöhnisch sein Haus durch die Hintertür verließ, sich wie mit bösem Gewissen umsah, als er sich dem nach der Sakristei führenden Kieswege näherte, geheimnisvoll außen vor der Tür stehen blieb und unruhig die nach dem Dorfe führende Straße hinabschaute.

      Angenommen, unser fremder Beobachter hätte sich versteckt gehalten und gleich dem Pfarrer die Straße hinabgeschaut, so hätte er sodann den Küster, einen würdevollen Mann mit einem strengen gelben Gesicht – er war ein protestantischer Loyola seinem Ansehen und ein fleißiger Schuhmacher seinem Handwerke nach – mit einem Blick unaussprechlichen Geheimnisses in seinem Gesicht und einem dicken Schlüsselbund in der Hand sich nähern gesehen haben.

      Er würde ferner gesehen haben, wie der Küster sich gegen den Pfarrer mit einem grimmigen Lächeln geheimen Einverständnisses verneigte, gerade so wie Guy Fawkes sich wahrscheinlich gegen Catesby verneigte, als diese beiden bedeutenden Schießpulvereigentümer zusammenkamen, um in ihrer umfangreichen Niederlage unter den Parlamentshäusern Inventur zu halten.

      Er würde gesehen haben, wie der Pfarrer in zerstreuter Weise dem Küster zunickte und – es war dies unzweifelhaft eine geheime Parole unter der doppelten Maske der alltäglichen Bemerkung und der freundlichen Frage – sagte: »Ein schöner Morgen, Thomas. Habt Ihr schon gefrühstückt?« Er würde ferner gehört haben, wie Thomas mit einer

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