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Unglück, welches vielleicht eine Folge dieses hinterlistigen Verfahrens von meiner Seite ist, wird über mich selbst kommen. Andere dagegen werden, wie ich fest glaube, in Folge des Verbergens des furchtbaren Geheimnisses, welches dieser Brief enthält, nur um so glücklicher sein.«

      Diese Zeilen unterzeichnete sie mit ihrem Namen, drückte rasch das Löschblatt darauf, welches mit den übrigen Schreibmaterialien auf dem Tische lag, nahm den Brief, nachdem sie ihn zusammengefaltet, zur Hand, ergriff das Schlüsselbund, indem sie sich rings umschaute, als ob sie im geheimen beobachtet zu werden fürchtete, und verließ das Zimmer.

      Alle ihre Bewegungen, seitdem sie dasselbe betreten, waren hastig und schnell gewesen. Augenscheinlich fürchtete sie, sich auch nur einen Augenblick Muße zum Nachdenken zu lassen.

      Als sie die Wirtschaftszimmer verließ, wendete sie sich links, ging eine Hintertreppe hinaus und schloß, oben angelangt, eine Tür auf. Eine Staubwolke flog um sie herum, während sie leise die Tür öffnete. Eine modrige Kühle machte sie frösteln, während sie eine große steinerne Halle durchschritt, in welcher einige schwarze Familienbildnisse hingen, deren Leinwand sich aus den an den Wänden hängenden Rahmen herausblähte.

      Nachdem sie wieder eine Treppe erstiegen, kam sie an eine Reihe von Türen, welche alle in Zimmer des ersten Stockwerks auf der nördlichen Seite des Hauses führten.

      Sie kniete nieder, legte den Brief neben sich auf die Diele dem Schlüsselloch der ersten Tür gegenüber, an welche sie von der obersten Stufe der Treppe aus kam, lugte mißtrauisch einen Augenblick hinein und begann dann die verschiedenen Schlüssel zu probieren, bis sie einen fand, der in das Schloß paßte.

      Es kostete ihr viel Mühe, dies zu Stande zu bringen, denn ihre Aufregung war so groß, daß ihre Hände zitterten und sie kaum im Stande war, die Schlüssel getrennt voneinander zu halten.

      Endlich gelang es ihr, die Tür zu öffnen. Dichtere Staubwolken als ihr bis jetzt entgegengekommen, wirbelten in dem Augenblick heraus, wo das Innere des Zimmers sichtbar ward und eine trockene, luftlose, dicke Atmosphäre erstickte sie fast, als sie sich bückte, um den Brief vom Fußboden aufzuheben. Anfangs wich sie zurück und tat einige Schritte wieder nach der Treppe. Doch gewann sie ihre Entschlossenheit sofort wieder.

      »Nun kann ich nicht mehr zurück,« sagte sie verzweifelt und trat in das Zimmer.

      Sie blieb nicht länger als zwei oder drei Minuten darin. Als sie wieder herauskam, war ihr Gesicht totenbleich vor Furcht, und die Hand, welche, als sie in das Zimmer ging, den Brief gehalten, hielt jetzt nichts weiter als einen kleinen rostigen Schlüssel.

      Nachdem sie die Tür wieder verschlossen, besah sie das große Schlüsselbund, welches sie aus dem Wirtschaftszimmer genommen, mit größerer Aufmerksamkeit als sie demselben bis jetzt gewidmet.

      Außer dem an dem Ringe, der es zusammenhielt, befestigten Elfenbeintäfelchen waren auch noch kleinere Pergamentblättchen an die Griffe einiger der Schlüssel gebunden, um die Zimmer zu bezeichnen, deren Türen sie öffneten. Der besondere Schlüssel, dessen sie sich bediente, war auch mit einem solchen Blättchen versehen. Sie hielt dasselbe dicht an das Licht und las darauf in von der Zeit halb verwischten Buchstaben geschrieben:

      »Das Myrtenzimmer.«

      Das Zimmer, in welchem der Brief versteckt war, hatte also einen Namen! Es war ein Name von angenehmem Klang, welcher die meisten Menschen angezogen und sich angenehm ihrer Erinnerung eingeprägt haben würde – ein Name, dem aber Sara nach dem, was sie getan, eben aus diesem Grunde mißtrauen mußte.

      Sie nahm ihr Nähfutteral aus der Tasche ihrer Schürze und schnitt mit der darin befindlichen Schere das Pergamentblättchen von dem Schlüssel.

      War es aber wohl genug, bloß dieses eine zu vernichten? Sie verlor sich in ein Labyrinth von nutzlosen Mutmaßungen und schnitt zuletzt auch die andern Blättchen ab – aus keinem andern Grunde, als weil sie instinktartiges Mißtrauen dagegen hegte.

      Nachdem sie sorgfältig die Pergamentstreifchen vom Boden aufgelesen, steckte sie dieselben nebst dem kleinen rostigen Schlüssel, den sie aus dem Myrtenzimmer mit herausgebracht, in die leere Tasche ihrer Schürze. Dann lenkte sie, mit dem großen Schlüsselbund in der Hand und indem sie sorgfältig die Türen, die sie auf ihrem Wege nach der Nordseite von Porthgenna Tower geöffnet, wieder verschlossen, ihre Schritte zurück nach dem Wirtschaftszimmer, ging, ohne jemand zu sehen, hinein und hing das Schlüsselbund wieder an den Nagel in der Wand.

      Da die Morgenstunden mittlerweile vorgerückt waren und sie daher fürchten mußte, einer oder der andern der Dienerinnen zu begegnen, so eilte sie nun zurück auf ihr Schlafzimmer.

      Das Licht, welches sie hier hatte stehen lassen, brannte noch matt in dem frischen Tageslicht. Als sie, nachdem sie das Licht ausgelöscht, den Fenstervorhang auf die Seite zog, flog selbst in dem hellen Tageslicht, welches jetzt hereinfiel, ein Schatten ihrer frühern Furcht über ihr Gesicht. Sie öffnete das Fenster und lehnte sich begierig hinaus in die kühle Luft.

      Mochte es nun zum Guten oder zum Schlimmen sein, so war das verhängnisvolle Geheimnis doch nun verborgen – die Tat war geschehen. Es lag etwas Beruhigendes in dem ersten Bewußtsein dieser einen Tatsache. Sie konnte nun gefaßter an sich selbst und an die ungewisse Zukunft denken, die vor ihr lag.

      Jetzt, wo das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Herrin durch den Tod getrennt worden, konnte sie auf keinen Fall erwarten, in ihrer bisherigen Stellung zu verbleiben. Sie wußte, daß Mistreß Treverton in den letzten Tagen ihrer Krankheit sie der Güte und dem Schutze ihres Gemahls dringend empfohlen hatte und sie war überzeugt, daß die letzten Wünsche der Gattin in diesem wie in allen andern Fällen von ihm als die heiligste Verpflichtung betrachtet werden würden. Konnte sie aber wohl Schutz und Güte von der Hand eines Herrn annehmen, den sie betrügen geholfen und den sie durch den soeben getanen Schritt auch noch ferner in der Täuschung zu erhalten beabsichtigte? Schon der Gedanke an eine solche Niedrigkeit war so empörend, daß sie fast mit einem Gefühl von Erleichterung die einzige noch übrige traurige Alternative ergriff – nämlich die, das Haus sofort zu verlassen.

      Aber wie sollte sie es verlassen? Dadurch, daß sie ihren Dienst förmlich kündigte und sich auf diese Weise Fragen bloßstellte, durch die sie ganz gewiß in Angst und Verwirrung gesetzt würde? Konnte sie es wagen, nach dem, was sie getan, wieder ihrem Herrn gegenüberzutreten, da doch seine ersten Fragen ganz gewiß sich auf ihre Herrin bezogen, da er sich ganz bestimmt nach den letzten betrübenden Einzelheiten und nach dem geringfügigsten Wort erkundigte, welches während der Sterbeszene, deren alleinige Zeugin sie gewesen, gesprochen worden?

      Sie fuhr, als die sichern Folgen, wenn sie sich diesem furchtbaren Verhör aussetzte, ihr in immer dichteren Massen vor die Augen traten, empor, nahm ihren Mantel von seinem Nagel an der Wand und horchte, plötzlich von Argwohn und Furcht erfüllt, an ihrer Tür.

      Hatte sie Tritte gehört? Ließ ihr Herr sie vielleicht schon holen?

      Nein, alles war still draußen. Einige Tränen rollten über ihre Wangen, während sie den Hut aufsetzte und fühlte, daß sie durch die Ausführung dieser einfachen alltäglichen Verrichtung der letzten und vielleicht schwersten der grausamen Notwendigkeiten gegenübertrat, in welche das Verbergen des Geheimnisses sie verwickelt hatte. Es ließ sich nicht ändern, sie mußte es auf die Gefahr ankommen lassen, alles zu verraten, oder die doppelte Prüfung auf sich nehmen, Porthgenna Tower zu verlassen und zwar es heimlich zu verlassen.

      Heimlich – ohne ein Wort an ihren Herrn, ohne auch nur eine schriftliche Zeile, um ihm für seine Güte zu danken und ihn um Verzeihung zu bitten. Sie hatte ihr Pult aufgeschlossen und aus demselben ihre Börse, einige Briefe und ein kleines Gesangbuch genommen, ehe ihr diese Erwägungen einfielen. Dieselben veranlaßten sie, mit dem Wiederschließen des Pultes innezuhalten.

      »Soll ich schreiben,« fragte sie sich selbst, »und den Brief hier lassen, damit er gefunden werde, wenn ich fort bin?«

      Ein wenig weiteres Nachdenken bestimmte sie, diese Frage mit Ja zu beantworten. So rasch als ihre Feder die Buchstaben formen konnte, schrieb sie einige Zeilen, an Kapitän Treverton gerichtet, in welchen sie bekannte, daß sie ihm ein Geheimnis verschweige, mit dessen Mitteilung sie beauftragt gewesen, indem sie hinzufügte, sie sei fest überzeugt, daß

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