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so kann ich an dem Himmel ihrer Zukunft keine Wolke entdecken.«

      »Du vortrefflicher, guter Mann!« rief Mr. Phippen, indem er den Vikar liebevoll die Hand drückte. »Welch ein Genuß für mich, dich zu hören! Wie schwelge ich in deiner sonnigen Lebensanschauung !«

      »Und ist es nicht die richtige – besonders was den jungen Frankland und seine Gattin betrifft?« fragte der Vikar.

      »Wenn du mich fragst,« sagte Mr. Phippen mit wehmütigem Lächeln und einer philosophischen Ruhe in seinem Wesen, »so kann ich bloß antworten, daß die Richtung der spekulativen Ansichten des Menschen – um nicht allzugenau auf die Sache einzugehen – von dem Zustande seiner Absonderungen abhängt. Deine Gallenabsonderungen, lieber Freund, sind in Ordnung, und deshalb betrachtest du alles von der hellen Seite; meine Gallenabsonderungen dagegen sind völlig unregelmäßig und deshalb betrachte ich die Dinge von der dunkeln Seite. Du betrachtest die künftigen Aussichten dieses neuvermählten Paares und sagst, du könntest keine Wolke darin entdecken. Ich will diese Behauptung auch durchaus nicht bestreiten, denn ich habe nicht das Vergnügen, die Braut und den Bräutigam zu kennen. Ich blicke aber zu dem Himmel über unsern eigenen Häuptern auf – ich erinnere mich, daß als wir den Garten zuerst betraten, keine Wolke daran sichtbar war – und jetzt sehe ich, gerade über jenen zwei Bäumen, die so dicht beisammen stehen, eine Wolke, die ganz unerwartet zum Vorschein gekommen ist, niemand weiß woher – und ich ziehe meine eigenen Schlüsse.«

      Dies sagte Mr. Phippen, indem er, um sich wieder in das Haus hineinzubegeben, die Gartentreppe hinaufging.

      »Dies ist meine Philosophie,« fuhr er fort. »Sie hat vielleicht einen Anflug von Galle, aber nichtsdestoweniger ist es Philosophie.«

      »Alle Philosophie der Welt,« sagte der Vikar, indem er seinem Gast die Stufen hinauffolgte, »ist nicht im Stande, meine Überzeugungen zu erschüttern, daß Leonard Frankland und seine junge Gattin eine glückliche Zukunft vor sich haben.«

      Mr. Phippen lachte, und indem er auf den Stufen wartete, bis sein Wirt ihn eingeholt hatte, nahm er auf die freundlichste Weise diesen beim Arm.

      »Du hast eine allerliebste Geschichte erzählt, Chennery,« sagte er, »und dieselbe mit einer allerliebsten Ansicht beendet. Aber, lieber Freund, obschon dein gesundes Gemüt unter dem Einfluß einer beneidenswert leichten Verdauung meine gallsüchtige Philosophie verachtet, so vergiß doch nicht ganz die Wolke über den beiden Bäumen. Schau jetzt einmal hin – sie wird schon dunkler und größer!«

       Fünftes Kapitel

      Die Neuvermählten

      Unter dem Dach einer verwitweten Mutter lebte Miß Mowlem bescheiden in dem kleinen Seebadeorte St. Swithins-on-Sea. Im Frühling des Jahres 1844 ward das Herz der verwitweten Mutter noch in ihrem Alter durch ein kleines Erbteil erfreut. Die verschiedenen Zwecke, zu welchem das Geld verwendet werden konnte, reiflich überlegend, beschloß die umsichtige alte Dame endlich, es in Möbels anzulegen, damit das erste und zweite Stockwerk ihres Hauses möglichst geschmackvoll auszustatten und dann einen Zettel an das Wohnzimmerfenster zu hängen, um dem Publikum kundzutun, daß sie möblierte Zimmer zu vermieten habe.

      Bis zum Sommer waren die Zimmer in Stand und der Zettel ward angehängt. Kaum war eine Woche vergangen, so erschien ein würdevoller schwarzgekleideter Mann, um die Zimmer in Augenschein zu nehmen, erklärte sich durch das Aussehen derselben zufriedengestellt und mietete sie auf einen Monat gewiß für eine neuvermählte junge Herrschaft, welche wahrscheinlich in einigen Tagen Besitz davon nehmen würde.

      Der würdevolle schwarzgekleidete Mann war Kapitän Trevertons Diener und die junge Herrschaft, welche auch in der angegebenen Zeit sich einfand, um Besitz zu nehmen, war Mr. und Mistreß Frankland.

      Das mütterliche Interesse, welches Mißtreß Mowlem an ihren jugendlichen ersten Mietsleuten nahm, war notwendig von sehr lebhafter Beschaffenheit, aber es war Apathie zu nennen im Vergleich mit dem sentimentalen Interesse, welches ihre Tochter daran fand, das Benehmen und Wesen der jungen Dame und des jungen Herrn in ihrer Eigenschaft als Neuvermählte zu beobachten.

      Von dem Augenblick an, wo Mr. und Mistreß Frankland das Haus betraten, begann Miß Mowlem sie mit dem ganzen Eifer eines fleißigen Schülers zu studieren, der einen neuen Zweig des Wissens in Angriff nimmt. In jedem ihr während des Tages übrig bleibenden Augenblick beschäftigte diese betriebsame und wißbegierige junge Dame sich damit, daß sie sich die Treppe hinaufstahl, um Beobachtungen zu sammeln, und dann wieder herunterlief, um sie ihrer Mutter mitzuteilen.

      Als das neuvermählte Paar eine Woche im Hause war, hatte Miß Mowlem schon so guten Gebrauch von ihren Augen, Ohren und Gelegenheiten gemacht, daß sie mit der Wahrhaftigkeit und Genauigkeit des berühmtesten Memoirenschreibers ein Buch über diese sieben Tage zu schreiben im Stande gewesen wäre.

      Wir mögen jedoch lernen, soviel wir wollen, so sehen wir doch, daß je länger wir leben, es desto mehr zu lernen gibt. Sieben Tage geduldiger Ansammlung von Tatsachen in Bezug auf die Flitterwochen hatten Miß Mowlem noch bei weitem nicht über das Bereich weiterer Entdeckungen hinausversetzt.

      Am Morgen des achten Tages, nachdem sie das Frühstücksgeschirr heruntergeholt, stahl sich die neugierige Beobachterin ihrer Gewohnheit gemäß wieder hinauf, um mittelst des Schlüsselloch-Kanals der Salontür an der Quelle der Erkenntnis zu trinken. Nach einer Abwesenheit von fünf Minuten kam sie atemlos vor Aufregung wieder in die Küche hinunter, um in Bezug auf Mr. und Mistreß Frankland ihrer ehrwürdigen Mutter eine neue Entdeckung mitzuteilen.

      »Was glaubst du wohl, was sie jetzt macht?« rief Miß Mowlem mit weit geöffneten Augen und hoch emporgehobenen Händen.

      »Nichts Nützliches wahrscheinlich,« antwortete Mistreß Mowlem mit sarkastischer Schnelligkeit.

      »Sie sitzt ihm wirklich und wahrhaftig auf dem Knie! Mutter, saßest du jemals auf meines Vaters Knie, als ihr nicht längst erst vermählet wart?«

      »O bewahre, liebes Kind! Als ich mit deinem armen seligen Vater verheiratet ward, waren wir keins von uns noch flatterhafte junge Leute, sondern hatten schon mehr Verstand.«

      »Sie hat ihren Kopf auf seine Schulter gelegt,« fuhr Miß Mowlem immer aufgeregter fort, »und ihre Arme um seinen Hals geschlungen – beide Arme, Mutter, so fest als nur möglich.«

      »Das glaube ich nicht!« rief Mistreß Mowlem entrüstet. »Eine solche Dame, welche Reichtum, Bildung und alles Mögliche besitzt, sollte sich betragen wie eine Hausmagd mit ihrem Schatz! Sage mir nicht so etwas – ich glaube es nicht.«

      Trotzdem aber beruhete die Sache vollkommen in Wahrheit. Es gab eine Menge Stühle in Mistreß Mowlems Salon; es lagen drei wunderschön gebundene Bücher auf dem runden, blankpolierten Tische darin – die Altertümer von St. Swithin, Smallridges Predigten und Klopstocks Messias in englischer Prosa – Mistreß Frankland hätte auf purpurrotem Saffian mit dem besten Roßhaar gepolstert sitzen und ihren Geist durch archäologische Studien, durch orthodoxe inländische Theologie oder durch fromme Poesie ausländischen Ursprungs belehren und unterhalten können – aber dennoch – so frivol ist die Natur der Frauen – huldigte sie so verkehrten Ansichten, daß sie lieber nichts machte und sich unbequem auf die Knie ihres Gatten pflanzte!

      Sie saß eine Zeitlang in der durchaus nicht würdevollen Stellung, welche Miß Mowlem ihrer Mutter mit so graphischer Genauigkeit geschildert hatte, lehnte sich dann ein wenig zurück, richtete den Kopf empor und schaute aufmerksam in das ruhige nachdenkliche Gesicht des Blinden.

      »Lenny, du bist heute Morgen sehr schweigsam,« sagte sie. »Woran denkst du? Wenn du mir alle deine Gedanken erzählen willst, so will ich dir auch alle die meinigen mitteilen.«

      »Würde dir wirklich etwas daran liegen, alle meine Gedanken zu hören?« fragte Leonard.

      »Ja, alle. Ich werde eifersüchtig sein auf jeden Gedanken, den du für dich behältst. Sage mir, woran du jetzt eben dachtest. An mich?«

      »Nein, an dich gerade nicht.«

      »Das gereicht dir eben nicht zur Ehre. Bist du in acht Tagen schon meiner überdrüssig? Ich meinesteils habe seitdem wir hier sind noch an keinen Menschen weiter gedacht als an dich. Ah, du lachst!

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