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also antworte ich Ihnen, Herr Professor, ebenso offen, wie Sie zu mir gesprochen haben, ich darf Ihre Forderung nicht kurz abweisen, denn ich will dem, was vielleicht Sehnsucht und Glück meiner Tochter ist, nicht feindlich in den Weg treten; und doch, ich kann bei der unvollständigen Einsicht, die ich über Ihre Verhältnisse habe, nicht darauf eingehen. Und ich bin in diesem Augenblicke in der schmerzlichen Lage, daß ich nicht weiß, wie ich überhaupt diese Sicherheit gewinnen kann.«

      »Wohl fühle ich, wie ungenügend und zufällig die Urtheile sind, welche Sie von Fremden über mich einsammeln können; es wird dennoch geschehen müssen,« antwortete mit Haltung der Gelehrte.

      Der Landwirth bejahte schweigend, und der Professor fuhr fort:

      »Zunächst bitte ich um Erlaubniß, Ihnen über meine äußeren Verhältnisse Mittheilung zu machen.« Er nannte seine Einnahmen, gab getreulich an, woher sie flossen und legte ein Verzeichniß derselben auf den Arbeitstisch. »Für diese Angaben wird mein Rechtsfreund, ein geachteter Anwalt der Universitätsstadt, Ihnen jede Bestätigung geben, welche Sie wünschen. Ueber meine Brauchbarkeit als Lehrer und meine Stellung an der Universität muß ich Sie allerdings auf das Urtheil meiner Collegen verweisen und auf die Ansicht, die sich etwa in der Stadt darüber gebildet hat.«

      Der Landwirth blickte in das Verzeichniß. »Selbst die Bedeutung dieser Summen für Ihre Verhältnisse ist mir nicht ganz deutlich, für weitere Kunde habe ich in Ihrer Heimat kaum eine Anknüpfung. Aber, Herr Professor, ich werde ohne Zögern mir selbst die Gewißheit zu verschaffen suchen, welche ich erhalten kann. Ich werde morgen nach Ihrer Stadt abreisen.«

      »O wie danke ich Ihnen,« rief der Professor und faßte die Hand des Landwirths.

      »Noch nicht,« antwortete dieser und zog seine Hand zurück.

      »Ich werde natürlich, falls Sie das wünschen, Sie begleiten,« fuhr der Professor fort.

      »Das wünsche ich nicht,« versetzte der Landwirth. »Schreiben Sie sogleich die Briefe, welche mich einigen Ihrer Bekannten empfehlen, im Uebrigen muß ich mich auf meine Fragen und allerdings auf den Zufall verlassen. Aber, Herr Professor, diese Reise wird mir nur Ihre Angaben bestätigen, die ich ohnedies für wahr halte, und vielleicht Urtheile Anderer über Sie, welche zu dem stimmen, was ich selbstvon Ihnen halte. Setzen wir den Fall, daß diese Auskunft mich befriedigt, was soll die Folge sein?«

      »Daß Sie mir gestatten, noch länger in Ihrem Hause zu verweilen,« rief der Professor, »daß Sie vertrauend meine Annäherung an Ihre Tochter dulden und daß Sie mir Ihre Einwilligung zur Ehe geben, sobald ich der Neigung Ihrer Tochter sicher bin.«

      »Solche Vorbereitung zu einer Brautwerbung ist ungewöhnlich,« sagte der Landwirth mit trübem Lächeln, »doch sie ist einem Landwirth nicht unwillkommen. Wir sind gewohnt, die Früchte langsam reifen zu sehen. Also, Herr Professor, auch nach meiner Reise behalten wir alle drei Freiheit der Wahl und des letzten Entschlusses. – Und diese Unterredung, soll sie unser Geheimniß bleiben?«

      »Ich beschwöre Sie darum,« flehte der Gelehrte. Wieder flog ein leichtes Lächeln über das ernste Antlitz des Wirthes.

      »Damit meine schnelle Abreise weniger auffalle, bleiben Sie unterdeß hier. Vermeiden Sie vor meiner Rückkehr, sich meiner Tochter zu nähern. Sie sehen, ich erweise Ihnen ein großes Vertrauen.«

      So hatte der Professor seinen Gastfreund gezwungen, der Vertraute seiner Liebe zu werden. Es war ein schöner Vertrag zwischen Leidenschaft und Gewissen, den der Gelehrte durchgesetzt hatte, und doch war in seiner Disposition ein Irrthum, und die Abhandlung, an welcher er mit heißem Haupt und pochendem Herzen arbeitete, gerieth ein wenig anders als er sich und dem Vater vorgestellt. Denn zwischen den drei Menschen, welche jetzt die hochsinnig eingeleitete Brautwerbung durchmachen sollten, war plötzlich die Unbefangenheit verschwunden. Als Ilse am Morgen der verhängnißvollen Unterredung strahlend von Glück zu den Männern trat, fand sie den Himmel des Gutes lichtlos, mit finsteren Wolken umzogen. Der Professor war unruhig und düster, er arbeitete fast den ganzen Tag auf seiner Stube, und als die Kleinen ihn am Abend baten, eine Geschichte zu erzählen, da lehnte er’s ab, faßte den Kopf der kleinen Schwester mit beiden Händen, küßte ihre Stirn und legte sein eigenes Haupt darauf, als wollte er sich auf das Kind stützen. Gezwungen und spärlich waren die Worte, die er an Ilse richtete, und doch haftete unablässig sein Blick an ihr, aber fragend und unsicher. Und Ilse überraschte auch den Vater, wie dieser sie gespannt und schmerzlich ansah. Auch zwischen den Vater und sie war ein Geheimniß getreten, das in seinem Innern arbeitete. Ja sogar zwischen den beiden Männern war es nicht wie sonst. Der Vater sprach wohl einmal leise zu dem Freunde, aber beiden sah sie einen Zwang an, wenn sie über Gleichgültiges redeten.

      Am nächsten Morgen gar die geheimnißvolle Reise des Vaters, die er ihr durch karge Worte über ein unwichtiges Geschäft anzeigte! War seit jenem wüsten Abend Alles um sie verwandelt? Das Herz des Weibes zog sich ängstlich zusammen. Die Unsicherheit kam ihr, die Furcht vor etwas Feindseligem, das gegen sie heranfuhr. Schmerzvoll hielt sie sich zurück, in ihrem Zimmer kämpfte sie mit schweren Gedanken und sie vermied, mit dem Manne ihrer Liebe allein zu sein.

      Natürlich wurde dem Professor die Veränderung an der Geliebten auf der Stelle deutlich und sie quälte den tiefsinnigen Mann. Wollte sie ihn fernhalten, um den Vater nicht zu verlassen, war nur frohes Erstaunen gewesen, was er für herzliche Neigung hielt? Diese Sorge machte seine Haltung gezwungen und ungleichmäßig und der Wechsel seiner Stimmung wirkte wieder auf Ilse zurück.

      Fröhlich hatte sich der Blüthenkelch ihrer Seele dem aufsteigenden Lichte geöffnet, da war ein Tropfen Morgenthau hineingefallen und die zarten Blätter schlossen sich noch einmal unter der fremden Last.

      Ilse war bei Krankheiten und Verletzungen die weise Frau des Gutes. Von ihrer Mutter hatte sie dies Ehrenamt übernommen und ihr Ruhm in der Umgegend war nicht gering; auch war es nicht unnöthige Beflissenheit, denn Rossau besaß nicht einmal einen ordentlichen Heilkünstler. Ilse aber verstand ihre einfachen Hausmittel vortrefflich anzuwenden, sogar der Vater und die Herren der Wirthschaft unterwarfen sich gehorsam ihrer Pflege. Und sie war in den Beruf einer barmherzigen Schwester so eingelebt, daß ihr jungfräuliches Zartgefühl gar nichts darin fand, am Krankenbett eines Gutsgenossen zu sitzen, und daß sie ohne Ziererei in die Wunde blickte, welche der Hufschlag eines Pferdes oder der Schnitt einer Sense verursacht hatte. Und jetzt stand er mit einer Wunde neben ihr, er hielt den Arm nicht einmal in der Binde, und sie sorgte unaufhörlich, daß der Schaden ärger werden könne. Wie gern hätte sie die Stelle gesehen, ach wie gern sie selbst verbunden, und sie bat ihn am Morgen beim Frühstück, auf den Arm deutend: »Wollen Sie nicht uns zu Liebe etwas dafür thun?«

      Der Professor zog befangen den Arm zurück und erwiderte: »Es hat gar nichts zu bedeuten.« Sie schwieg verletzt. Als er aber auf sein Zimmer ging, wurde ihr die Sorge übermächtig und sie sandte die Tagelöhnerfrau, welche in solchen Künsten ihre bewährte Gehilfin war, mit einem Auftrage in das Gastzimmer und schärfte ihr ein, gewaltthätig aufzutreten, jeden Widerspruch des Herrn zu bewältigen, den Arm zu betrachten und ihr zu berichten. Als nun die ehrliche Frau sagte, daß ihr Fräulein sie sende und daß sie darauf bestehen müsse, den Stich zu sehen, da entschloß sich zwar der Professor zögernd, die Stelle zu zeigen, aber als die Botin einen bedenklichen Bericht heraustrug und Ilse, die unruhig vor der Thür auf und ab ging, durch die Vermittlerin wieder kalte Umschläge befahl, da wollte der Professor diese nicht anwenden. Er hatte wohl Ursache dazu, denn wie schmerzlich er den Zwang fühlte, der ihm im Verkehr mit Ilse aufgelegt war, so dünkte ihm doch unerträglich, ihren Anblick ganz zu missen und in seiner Stube allein bei dem Wassernapf zu sitzen. Daß er aber den guten Rath verwarf, schmerzte Ilse noch mehr, denn sie fürchtete die Folgen und es that ihr wieder weh, daß er auf ihre Wünsche nichts gab. Als sie vollends erfuhr, daß er heimlich zum Chirurgus nach Rossau geschickt hatte, da kamen dem Mädchen die Thränen in die Augen über das, was sie für Nichtachtung hielt. Denn sie kannte die verkehrten Mittel des Trunkenbolds, und sie wußte jetzt genau, daß es ein Unglück geben würde. Sie kämpfte mit sich bis zum Abend, endlich besiegte die Sorge um den Geliebten alle Bedenken, und als er neben den Kindern in der Laube saß, trat sie vor ihn und bat in ihrer Herzensangst leise mit niedergeschlagenen Augen: »Der fremde Mann macht Ihnen die Schmerzen größer, bitte, lassen Sie mich die Wunde sehen.«

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