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Bescheid wüsstest…«

      Jetzt lachte Hanna laut auf.

      »Wie kommst du darauf, dass ich einen Landwirt heiraten werde? Nein, Wölflein, das ist eine ganz falsche Voraussetzung von dir. Ich denke nicht daran, mich für mein ganzes Leben auf dem Lande zu vergraben. Du weißt, ich liebe die Musik, ich liebe alle schönen Künste, ich will in der Stadt leben, wo ich alles genießen kann, was mein geistiges Leben befruchtet … an der Seite eines hochgesinnten Mannes, der mich versteht und mich meinen Neigungen folgen lässt…«

      Wolfs Gesicht hatte einen eisernen Ausdruck angenommen. Er nickte, während sie sprach, als würde ihm etwas bestätigt, was er schon längst wusste…

      Als sie schwieg, nickte er noch einmal.

      »Was du unter dem Ausleben verstehst, weiß ich nicht. Das ist mir zu hoch und zu modern. Du müsstest aber für diesen Zweck mindestens einen höheren Beamten heiraten oder einen Offizier.«

      »Das will ich, und das werde ich hoffentlich auch … Ich bin hübsch, das hat man mir oft genug gesagt, und habe viele Verehrer…«

      »Ja, Hanna, du bist nicht nur hübsch, sondern bist ein schönes, reizendes Mädchen. Du wirst umschwärmt wie eine blühende Linde von den Bienen, aber hast du mit deinen zwanzig Jahren schon einen ernsthaften Bewerber gehabt? … Soviel ich weiß, noch nicht… Ich werde dir auch den Grund sagen. Was denkst du denn, dass ihr vier Schwestern jede an Mitgift zu erwarten habt?«

      »Was soll das heißen, Wolf? Die Mutter hat allein zweihunderttausend mitgebracht, und eben soviel wird doch aus Andreaswalde herauskommen.«

      »Es tut mir leid, dass ich dir diesen Glauben zerstören muss. Deshalb habe ich heute auf der Grenzscheide auf dich gewartet. Hanna, ich habe das Zutrauen zu dir, dass du als älteste Tochter, wenn ich dir die Augen öffne, eingreifen und selbst für deine Zukunft und die Zukunft deiner Geschwister sorgen wirst. Die Mitgift deiner Mutter ist nicht auf Andreaswalde eingetragen. Stattdessen sind mehrere kleine Hypotheken aufgenommen und eingetragen worden. Gerade jetzt hat dein Vater wieder fünfzig Mille aufgenommen…

      Das Geld wird verläppert … Da wird an der Stelle der alten Mühle eine Turbine gebaut, die für das Gut Kraft, aber in erster Linie elektrische Beleuchtung liefern soll. Auch dein Reitpferd ist von geborgtem Geld gekauft.«

      »Weshalb musst du mir das alles sagen, und gerade heute, wo ich mich zum ersten Mal an dem herrlichen Pferd erfreuen will?«

      »Es muss sein, Hanna. Wenn Andreaswalde heute günstig verkauft wird, können hundert Mille Überschuss bleiben. Die Zinsen würden gerade hinreichen, um in einer Kleinstadt sehr bescheiden zu leben.«

      »Und du meinst … ich nehme an, dass das alles wahr ist, was du mir sagst, dass ich durch die Meierei diese Entwicklung aufhalten könnte…?«

      »Nein, Hanna, aber du könntest bremsen … Ihr habt jeden Tag Gäste im Hause, das kostet Geld.

      Ihr habt ein halbes Dutzend Reitpferde im Stall, ihr habt ein Auto … Jawohl Hanna, eins kommt zum andern. Dein Vater ist ein guter und fleißiger Wirt, aber wenn die Ausgaben fortdauernd die Einnahmen übersteigen dann kann die Herrlichkeit hier nicht mehr lange dauern.«

      Hanna schüttelte den Kopf und warf die Arme nach hinten, als wollte sie alles von sich werfen, was sie eben gehört hatte…

      »Ach Wolf, mach’ mir das Herz nicht schwer! Glaubst du, dass sich der Zuschnitt unserer Wirtschaft von heute auf morgen ändern lässt? Sprich mit meinem Vater darüber … oder sprich nicht … mich wirst du nicht umkrempeln … Ich kann nicht und ich will nicht im groben Hauskleid morgens um drei zum Melken gehen … Damit lass’ mich ungeschoren … Ich bin jung und will mein Leben genießen…«

      »Und dann?«

      »Dann heirate ich einen guten Menschen, der mich auch ohne Mitgift nimmt. Ich glaube, es gibt solche Männer auf der Welt…«

      Ein schalkhafter Blick streifte den Reiter neben ihr, der jetzt nicht nur ernst, sondern auch traurig aussah.

      »Mach’ nicht solch ein Gesicht wie ein strafender Schulmeister. Mir prickelt heute das Blut in den Adern … heute ist heut’! Los! Greif’ mich, Wölflein…«

      Sie gab ihrem Pferd den Sporn und schnalzte mit der Zunge. Wie ein Pfeil schoss die Stute mit ihr davon, dass aus dem grasbewachsenen Weg das Wasser aufspritzte. Wolf hatte seinen Fuchs aus dem nassen Wege hinter ihr auf den Grasstreifen gelenkt. Jetzt griff auch sein Gaul aus … und mit der Bewegung kam ihm die Lust.

      Sein Auge haftete mit Wohlgefallen an der schlanken Gestalt, die vor ihm dahinflog … Was er noch eben empfand an trauernder Missbilligung, war im Augenblick geschwunden … Er· sah nur das herrliche Mädchen, getragen von der Lebenslust ihrer jungen Jahre … das Mädchen, das er treu im Herzen trug schon von den Jahren an, wo sie als Backfisch mit langen Hängezöpfen munter vor ihm herumsprang…

      Er brauchte seinen Fuchs gar nicht aufzumuntern … von eigenem Ehrgeiz getrieben, stürmte er der Stute nach…

      Jetzt machte der Weg eine scharfe Biegung nach links. Geradeaus lag ein breiter Graben, bis zum Rande mit Wasser gefüllt. Dahinter ein Stangenzaun, mannshoch, um das Vieh, das zur Weide getrieben wurde, von dem Acker abzuhalten…

      »Vorsicht, Hanna!« rief er, so laut er vermochte.

      Aber sie schien das Hindernis nehmen zu wollen. Zur Antwort hob sie die Hand mit der Rute … ein leichter Schlag, ging auf das. Pferd nieder … Mit einem heftigen Ruck parierte Wolf seinen Gaul. Sein Herzschlag setzte für einen Augenblick aus … Hannas Stute verlor, wie er deutlich sah, schon im Ansprung von dem weichen Boden an Kraft … Mit einem Vorderbein kam sie noch über den Zaun, das andere schlug hart gegen die oberste Stange … Die Reiterin flog in weitem Bogen aus dem Sattel in den weichen Acker … Das Pferd überschlug sich und blieb stöhnend liegen.

      2. Kapitel

      Wolf hatte das Unheil kommen sehen. In demselben Augenblick war er vom Gaul gesprungen, hatte mit kurzem Anlauf den Graben überflogen und sich über den Zaun geschwungen. Mit zwei Sätzen war er bei Hanna, die regungslos und ohne Bewusstsein· auf dem Gesicht lag. Ohne zu zögern, schob er seinen Arm unter ihre Brust und hob sie etwas empor. Unwillkürlich strich seine linke Hand zärtlich liebkosend über ihr reiches, schwarzes Haar, von dem sich das Hütchen gelöst hatte.

      »Hanna, du leichtsinniges Mädchen! Hast du dir weh getan?«

      Sorgsam, aber schnell betastete er ihre Arme, sie schienen heil zu sein. Dann zog er sein Taschentuch und wischte ihr das Gesicht ab… Voll scheuer Zärtlichkeit sah er auf das liebe Gesicht, das im jähen Schreck erstarrt zu sein schien. Neben ihm bewegte sich das Pferd und stöhnte jammervoll. Er wandte den Kopf.

      Das edle Tier hatte den rechten Vorderfuß über dem Knie gebrochen. Ein spitzes Knochenende hatte die Haut durchbohrt… Mit menschlichem Ausdruck in den schönen Augen schien die Stute seine Hilfe anzuflehen.

      Er biss die Zähne zusammen, dass sie knirschten.

      »Auch das noch … armes Tier! Das ist ein teurer Spaß geworden, Hanna! Ach was! Wenn du dir nur nichts geholt hast.«

      Nun schob er auch seinen linken Arm unter ihren Körper und hob sie auf. Schritt für Schritt rang er sich durch den zähen, weichen Boden, in den er fast bis zu den Knien einsank, am Zaun entlang, bis zu einer kleinen Bohlenbrücke, die über den Graben führte. Gehorsam wie ein Hund ging Potrimpos auf dem Wege mit ihm mit und stand still, als Wolf mit seiner Last auf ihn zutrat.

      Vorsichtig hob er Hanna auf und schob ihren Oberkörper über seine linke Schulter. Dann suchte er mit dem Fuß den Bügel und hob sich mit seiner Bürde in den Sattel.

      »Trab, Potrimpos … wir müssen machen, dass wir nach Hause kommen…«

      Jetzt erst fühlte er die Schweißtropfen auf seiner Stirn und gleichzeitig die Nässe und Kälte, die von Hannas Kleidern auf ihn eindrang. Der Fuchs schnob und kochte.

      »Hilft nichts, mein Alter, wir müssen uns beeilen.«

      Der

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