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schlief auf einem Ausziehsofa im Speisezimmer, und ihr kleines, buntes Hab und Gut aus Schleifen, Schleiern, Spitzenkragen und Ansichtskarten mußte sie in einem Tischkasten der Badestube aufbewahren, die zugleich ihr Ankleidezimmer vorstellte. Sie hatte keinen Fleck, der ihr gehörte.

      Darum sehnte sie sich im geheimen, zu heiraten.

      Babette und Hilde sprachen eifrig von dem großen Schauspieler, auf dessen Wohnung sie jetzt zuschritten. Bei jeder Anschlagsäule machten sie halt, um seinen Namen auf dem Theaterzettel zu lesen. Babette empfand, daß sein Ruhm auch sie anging. In wenigen Augenblicken würde sie vor ihm stehen.

      Hilde sollte vor der Haustür warten. Sie bot sich an, mit hinaufzukommen, aber Babette nahm diesen Freundschaftsdienst nicht an. Mit dem zierlichen Kopfnicken, das sie immer anwandte, wenn sie jemanden nicht mehr brauchte, verschwand sie im Haus.

      Ein Dienstmädchen, das einen dicken, kleinen Jungen auf dem Arm hatte, öffnete ihr die Wohnungstür und führte sie in ein buntes, mit Büchern und Bildern beladenes Zimmer.

      Hier wartete Babette in großer Erregung.

      Wie mochte seine Stimme klingen, wenn er guten Tag sagte? Konnte er überhaupt etwas anderes als Verse sprechen?

      Aber auch Götter sind von Haus aus Menschen.

      Im Nebenzimmer klapperten Teller und jemand sagte unwirsch:

      »Kannst du denn dem Rindvieh von Köchin nicht beibringen, daß sie die Zwiebeln ordentlich braun brät?«

      Babette zuckte zusammen. Das war seine Stimme. Deutlich hatte sie ihren Klang im Ohr, wie sie jubelte: »O Königin, das Leben ist doch schön.«

      Jetzt wurde drinnen ein Stuhl beiseite geschoben. Schritte näherten sich der Tür.

      Ohne zu überlegen lief Babette aus dem Zimmer. Flinker als eine Eidechse war sie aus der fremden Wohnung verschwunden.

      Als Hilde sie mit vielen Fragen empfing, sagte sie, daß man über ein solches Erlebnis nicht sprechen könne.

      Hilde blickte die blonde Freundin bewundernd an. In tiefem Schweigen schieden sie.

      Aber als Babette nach Hause kam, nahm sie sämtliche Photographien dieses Mannes von der Wand und warf sie in einen schwarzen Kasten. Sie war wütend, daß ihr dabei die Tränen über die Backen kugelten.

      Was ging sie ein Mensch an, der Zwiebeln aß.

      Indessen hatte auch Babettes Mutter die Zeit genützt. Nachdem die Quittenmarmelade eingefüllt und die Gläser dreimal überzählt worden waren, war Frau Anna für eine Stunde in ihr Schlafzimmer verschwunden.

      Die Zeit verändert.

      Als sie wieder herauskam, war sie eine bedeutend schlankere, elegante Dame geworden, mit einer Fülle von Locken unter Hut und Schleier. Wie bei dem Frühling selbst wehte ein starker Blütenduft vor und hinter ihr her. Ehrerbietig legte das Mädchen die breite Pelzgarnitur um die vollen Schultern der gnädigen Frau, reichte ihr den großen Muff mit dem künstlichen Veilchenstrauß und öffnete die Tür zum Fahrstuhl.

      Langsam glitt Frau Bomberling zur Erde nieder.

      Sie wollte ihre Freundin, die Frau Geheimrätin, besuchen, eine feine und liebenswürdige Dame. Ihr verstorbener Mann war ein großer Gelehrter gewesen. Man hatte eine ganze Käferfamilie nach ihm benannt. Außerdem, wie so manches zusammentrifft, war die Rätin die Tante jenes Geheimen Regierungsrats.

      Frau Geheimrat hatte es trotz der ehrenvollen Beziehung zu der neu entdeckten Käferfamilie recht knapp. Sie lebte ohne Dienstmädchen und ließ sich nur die gröbste Arbeit ihres Haushaltes von der Portierfrau besorgen. Das übrige tat sie selbst in Glacéhandschuhen und einem Häubchen auf dem Haar.

      Aber auch mit Glacéhandschuhen angefaßt, bleibt der Alltag grob.

      Die Portierfrau zeigte nicht genügend Respekt und grinste höhnisch, wenn sie den geringen Küchenabfall forttragen sollte. So hatte Frau Geheimrat ihre Freundin Bomberling gebeten, ihr doch einige Sektpfropfen mitzubringen, die sie dann und wann in den Abfalleimer der Küche werfen konnte.

      Frau Anna hatte bereitwilligst zugesagt. Obgleich auch Bomberlings, wenn sie unter sich waren, ohne jeden übertriebenen Aufwand speisten.

      Aber wir müssen uns der hohen Meinung unserer Freunde nicht unwert zeigen.

      Frau Bomberling ging in ein Weingeschäft, bestellte einige Flaschen roten Tischwein und bat den Verkäufer um einige alte Champagnerpfropfen.

      »Aber natürlich französische,« fügte sie hinzu.

      Sie wurde von Frau Geheimrat mit großer Freude empfangen, denn diese hatte sich soeben fürchterlich geärgert und war überaus froh, jemandem ihr Herz ausschütten zu können. Die Portierfrau hatte eine kleine Gipsbüste zerschlagen, die Schiller dargestellt hatte. Statt ein Wort der Entschuldigung zu sagen hatte sie behauptet, daß Schiller doch nicht mehr modern sei.

      »Was sagen Sie dazu?« fragte die Frau Rätin, vor Erregung zitternd.

      Frau Bomberling errötete. Sie hatte keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber es schien ihr, daß das Theaterstück Don Carlos, das sie erst kürzlich mit Babette gesehen hatte, von diesem zerbrochenen Schiller gemacht worden war.

      »Das sind so Ansichtssachen,« sagte sie zögernd.

      »Gewiß, gewiß,« beeilte sich die Freundin zu sagen. – »Aber daß sich eine solche Person mir gegenüber ein literarisches Urteil herausnimmt. Ein kleiner Standesunterschied muß doch schließlich noch da sein.«

      Frau Bomberling überreichte das Päckchen mit den Pfropfen und machte die Beschenkte darauf aufmerksam, daß es echte französische wären. Frau Rätin könne jederzeit neue bekommen. Diese dankte herzlich und versicherte, daß sie lange damit auskommen werde. Jeden Sonntag einen Pfropfen in den Kasten wäre reichlich genug. Man muß nicht verschwenden.

      Nun war die Reihe zu erzählen an Frau Anna. Sie berichtete, wie fleißig ihre Kinder um ihre Bildung bemüht waren. Babette im italienischen Unterricht und Hermann im Kolleg. Und dann erkundigte sie sich höflich, ob Frau Rats Neffe inzwischen angekommen sei. Denn der Herr Regierungsrat sollte erst in diesen Tagen in die Großstadt versetzt werden.

      Die Rätin nickte vor Freude. Gestern hatte der gute Junge sie besucht. Sie hatte ihm sofort von ihrer lieben Freundin und deren Angehörigen erzählt.

      Frau Bomberling erkundigte sich behutsam nach dem Alter des guten Jungen.

      Die Tante runzelte die schmale Stirn und sagte nach einiger Überlegung, daß sie das nicht so genau in ihrem armen alten Kopf habe. Er wäre wohl so gerade in die Vierzig hineinmarschiert. Vielleicht war er auch schon fünfundvierzig. Am Ende sogar achtundvierzig. Möglich ist alles. Aber wie dem auch sei. Im Vergleich zu der Höhe seines Titels sei die Zahl seiner Jahre immer noch niedrig.

      So redeten sie noch allerhand, was so zwischen Mutter und Tante zu sprechen war. Als Frau Bomberling aufbrach, lud sie ihre liebe Freundin zum Abendessen ein an Babettchens siebzehntem Geburtstag. Wenn der Herr Regierungsrat sie begleiten wollte, würde er sehr willkommen sein.

      Frau Rat versprach die Einladung zu übermitteln. Sie glaubte beinah, schon heute für ihn zusagen zu können.

      Sie schieden mit dem Lächeln fester Freundschaft. –

      Als Frau Bomberling auf die Straße trat, spiegelte sich die rötliche Herbstsonne schon in den billigen Dachwohnungen. Sie war also im Untergehen. Es fehlte nicht viel an der Stunde, wo bei Bomberlings gegessen wurde. Aber es war von jeher Frau Annas Vorrecht gewesen, einige Minuten zu spät zu kommen. Sie beschloß zu Fuß zu gehen, einige Bewegung würde ihr gut tun.

      An der nächsten Straßenecke stand ein Wagen, überhäuft mit weißen Blumenkohlköpfen, die zu verblüffend billigen Preisen verkauft wurden.

      Frau Anna hielt inne und trat an den Wagen, vor dem sich Frauen und Mädchen drängten und pufften. Sie vergaß immer wieder auf Augenblicke, daß es bei Bomberlings nicht auf fünf Pfennige mehr oder weniger ankam. Es gelang ihr, vier große, feste Köpfe zu erstehen und beim Schluß noch fünf Pfennige von dem billigen Preis herunterzuhandeln. Herzlich froh ging sie weiter.

      Aber

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