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daß er die Geige zu handhaben wisse. Vom Blatt sowohl wie nach dem Gehör. »Wiener ist Wiener,« fügte er entschuldigend hinzu.

      Sie blickten beide zum Stefansturm auf, dessen Spitze sich mit allen ihren Zierlichkeiten in die Wolken verlor, wie eine zarte Melodie vergangener Stunden oder kommender.

      Schließlich verabschiedete man sich.

      Man hatte keine Verabredung getroffen.

      Jedoch hatte Fräulein Konstanze mit keinem Wort widersprochen, als Herr Blümel noch einmal versichert hatte, daß es gesund sein würde, für Gemüt wie Körper, Walzer zu hören im Schönbrunner Park …

* * *

      Gut und schlecht gibt es nicht. Beides Worte ohne greifbare Begriffe. Selbst auf das Wetter angewandt, ohne Sinn und Verstand. Immer gibt es Greise, die frieren, immer Jünglinge, denen es zu heiß ist.

      So sagte sich Herr Blümel ärgerlich am folgenden Nachmittag.

      Der Himmel war grau, aber es regnete nicht.

      Wer konnte es wissen, ob es Schönbrunner Walzerwetter werden würde oder nicht?

      Es konnte regnen, ebensogut war es möglich, daß es schön blieb.

      Der Bericht an der Urania sagte dasselbe. Natürlich umständlicher, wie es sich gehörte für eine amtliche Verkündigung.

      Herr Blümel begann sich mit jedem in ein Gespräch einzulassen, der leichtsinnigerweise vor dem Wetterbericht haltmachte. Nicht allein des Wetters wegen. Oder etwa des geplanten Konzertbesuches halber. Oder gar, weil er glaubte, jene junge Berlinerin dort wiedersehen zu können und sonst vielleicht für immer aus den Augen zu verlieren. Alles das waren Flüchtigkeiten. Herr Blümel fragte aus Interesse am Menschentum.

      Eilige, Elegante, Schäbige, Langsame wurden befragt, ob das Wetter schön werden würde, ob es bleiben würde, wie es ist, oder sich zum Regen anschicken könnte?

      Eilige riefen: Schon möglich.

      Womit alle drei Fragen mit einer Klappe erschlagen waren.

      Elegante antworteten beunruhigt, daß sie nicht wüßten, warum es regnen sollte.

      Langsame erklärten umständlich, daß alle drei Möglichkeiten nicht ausgeschlossen wären.

      Wieder vermißte Herr Blümel jede Einheitlichkeit im menschlichen Auffassungsvermögen.

      Er blickte ärgerlich nach oben. Die ganze Wetterwerkstatt hinter den Wolken dünkte ihm geschaffen eigens für Weibspersonen. Um ihren Launen, Ausreden, Ausflüchten, Veränderungsmöglichkeiten jeder Art in die Hände zu spielen. Er traute ihr nichts mehr Gutes zu, sondern nur Zweifelhaftes.

      Ärger macht ungerecht. Man meint es da oben wahrscheinlich mit jedem gut. Auch Herrn Blümels Zweifel wurden bald behoben. Prasselnder Regen sauste hernieder.

      Herr Blümel wußte endlich, was er zu tun hatte. Er spannte seinen Regenschirm auf, den er auf jeden Fall bei sich hatte, klappte den Kragen seines hellen Sommerrockes hoch und begann seinem Stammcafé entgegenzueilen.

      Der Regen verstärkte sich. Herr Blümel trug

      Schuhe, die nicht für Galopp berechnet waren. Er hatte die Gewohnheit, stets solche zu kaufen, die um ein weniges zu weit waren. Eigentlich ohne daß er es wollte. Er hatte sehr kleine Füße. Die Natur schien nun einmal nicht gewollt zu haben, daß er auf großem Fuß leben sollte. Herr Blümel aber konnte sich nie entschließen, die kleinste Schuhnummer zu wählen für die gleiche Summe, mit der er die größte hätte erstehen können.

      So war Herr Blümel aus manchem Grund nicht unzufrieden, als er das Café erreicht hatte.

      Doch schon mischte sich ins Behagen ein kleiner Widerspruch. Es verdroß Herrn Blümel, Fräulein Konstanze nicht erzählt zu haben, daß es üblich bei ihm war, das gemütliche Café am Graben aufzusuchen, falls er nicht ausnahmsweise einen Spaziergang vorzöge. Verschwiegenheit war achtbar. Geheimnistuerei aber lächerlich. Herr Blümel mußte sich vorwerfen, in diesem Fall lächerlich gehandelt zu haben. Dieses Mädchen, blond, edel gebaut, aus angesehener Familie, in selbständiger Stellung, hatte alle Berechtigung auf volles Vertrauen …

      Immerhin, der Kaffee duftete köstlich, schmeckte ebenso und brachte bald die federnde Belebtheit, die nur dieses unentbehrliche Gift zu vergeben hat.

      Außerdem gelang es Herrn Blümel, seine sämtlichen Lieblingszeitungen zu erwischen, sie alle miteinander auf seinen Stuhl zu schieben und sich darauf zu setzen. Auch zeitweiliges Besitzerrecht will gesichert sein.

      Herr Blümel wußte, daß der Herr mit dem altmodischen Kotelettenbart, der im speckigen Bratenrock stets in der Nebennische saß, auf die gleichen Neuigkeitsblätter entbrannt war. Zuzusehen, wie er den weiten, spiegelwandigen Raum nach den Zeitungen durchjagte, Tisch nach Tisch umschnüffelte, ratlos verzweifelt, wie ein Hund, der die Spur seines Herrn verlor, war ein Schauspiel, kostenlos, also köstlich. Es gab Lebensgenüsse genug, die unabhängig sind von jenen Verzwicktheiten, die zusammenhängen mit Frauen, Ehetum und ähnlichen Gebieten.

      Auf solchen Gedankenwanderungen mußte es Herrn Blümel erfreuen, als er jetzt in der Zeitung las, daß es einem geschickten Forscher gelungen war, einen Hahn soweit zu bringen, Eier auszubrüten. Tadellos, fachgewandt, vorschriftsmäßig war dem Hahn dieses Kunststück gelungen, das sich wichtigmachende Hennen durch überlautes Glucksen anzukünden pflegen. Auch die Naturgesetze bekamen allmählich einen Riß, Herr Blümel war überzeugt davon, die ganze Überschätzung der Weiblichkeit im Weltall würde eines Tages zerplatzen wie Seifenblasen.

      Herr Blümel hatte unter diesen Fortschrittshoffnungen nicht bemerkt, daß drei neue Gäste mit lebhaften Worten die Nebennische füllten, die Herr Blümel durch Spiegelung übersehen konnte, ohne selbst bemerkt zu werden. Viel hatte Herr Blümel dort schon miterlebt, Lustspiele, Dramen, auch Filme, alles in kostenloser Beobachtung.

      Der Klang einer Stimme, die ihm angenehme Melodien der Erinnerung zu spielen begann, rief ihn aus seiner Versunkenheit in das Problem brütender Hähne.

      Wem gehörte diese Stimme? Er blickte auf. Er wußte es.

      Da saß Fräulein Konstanze zwischen einem Herrn und einer Dame. Sie trug eine Ledermütze, unter der sich das Blond hervordrängte, auffällig wie ein selten gewordenes Goldstück aus überreichem Geldbeutel.

      Sonst bemerkte Herr Blümel ein helles Kleid, aus dem der Hals, lang, schlank und weiß, emporragte.

      Herr Blümel wollte sich einreden, daß Gänse ähnliche glatte lange Hälse besäßen. Aber er konnte nicht verhindern, daß er an einen Schwan denken mußte. Sogar an einen Singschwan.

      Auch die Dame neben dem blonden Fräulein war dem Herrn Kanzleioffizial nicht unbekannt. Ein Stammgast des Cafés am Graben mußte wissen, wer Fräulein Steffi Pichler ist.

      Herr Blümel besorgte zwar keine Einkaufe in solchem Luxusgeschäft. Doch es gehörte zu Fräulein Pichlers Gewohnheiten, die Tür ihres Ladens weit geöffnet zu halten bei jedem Wetter. Vermutlich in der

      Absicht, daß jeder Lufthauch einen Kunden hineinwehen sollte.

      So hatte Herr Blümel oft genug beobachten können, wie Fräulein Steffi einem Kavalier die hellgelben Wildledernen anprobierte. Finger für Finger mit sanften Streichbewegungen bearbeitend. Dabei wurde geplaudert. Anscheinend Heiteres. Man lächelte und lachte.

      Herr Blümel beobachtete Fräulein Konstanzes festgeformte Hände, die nicht klein waren, jedoch keineswegs groß zu nennen. Es waren Hände, denen zuzutrauen war, daß sie gegebene Versprechen halten würden.

      Verkaufte man die Handschuhe auch in Berlin auf solche intime beschauliche Art? Oder hinderte dort das energische Tempo solches Verlieren in Unnützigkeiten?

      Jedenfalls mochte es auch dort angebracht sein, daß eine Dame in derartiger Lebensstellung einen männlichen Menschen als Schutzwall neben sich hatte.

      Herrn Blümels Blicke glitten zu dem Nachbar der beiden Damen. Das war ein Mann des Tages, motorvertraut. Herr Blümel hatte dies auf den ersten Blick festgestellt.

      Über diesen neuen Typ, dieses Musterbild der Zeit hatte sich Herr Blümel erst kürzlich mit einem jüngeren

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