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      Das verbrannte Bett

      Das verbrannte Bett

      Josef Blümel, der Herr Kanzleioffizial, wäre Wiener gewesen, gleichviel ob er in Paris, London oder Berlin auf die Welt gekommen, ob er auf Haiti, Sumatra hätte leben müssen, auf dem Mars oder auf dem Grund des Meeres.

      Eilige Schritte waren Herrn Blümel verabscheuungswert. Schnell sprechen hätte er gar nicht fertiggebracht. Verdrießlichkeiten galten als persönliche Beleidigung. Das Kaffeehaus brauchte er, wie der Donaukarpfen die Donau.

      Ebensowenig hätte der Herr Kanzleioffizial Musik entbehren können, wenn sich nach Schluß der Bureaustunden graues Unbehagen heranzuschleichen sucht, selbst an achtbare Beamte, alleinstehend und zu keinerlei Verschwendung geneigt. Kein Tingeltangelgeklapper, sondern die heiteren, heimatlichen Erzeugnisse eigener Landsleute, wie Mozart, Schubert, Strauß. Man war vertraut mit ihnen in allen Eigenarten, genau so wie mit Trambahngeklingel, Autogeschrei, Hustengepolter, Weibergeschwätz. Nur daß sie einem erheblich angenehmer waren.

      Trotzdem war der Herr Kanzleioffizial aufregenden Neuigkeiten, Absonderlichkeiten und überhaupt jeder Art merkwürdiger Zwischenfälle des Lebens durchaus nicht abgeneigt. Er brachte ihnen Interesse entgegen, beinahe Gefallen.

      Nur mußten sie anderen geschehen sein.

      Gesprächsweise jedoch, auch durch Druckerschwärze in Buch oder Zeitung vermittelt, war er zu jedem Miterleben bereit.

      In diesem Punkt war er geradezu selbstlos zu nennen. Sogar seine Sparsamkeit endete hier.

      So aufregend es ihm selbst war, auch nur einen Vorortzug zu besteigen, so wenig kam es ihm auf die Größe und Menge der Gefahren an, die sich in jenen Berichten der Aufregung und des Entsetzens anderer steigern und anhäufen mochte.

      Es war fast bewundernswert, was der Herr Kanzleioffizial in dieser Hinsicht an Grauenhaftem, Schauerlichem, Entsetzensvollem standhaft aushalten konnte.

      Auch in anderer Hinsicht hatte es Herr Josef Blümel zu einer Art kleiner Meisterschaft gebracht. Das war die Gabe, sich kostenlose Genüsse zu verschaffen.

      Einfacher und damit zutreffender gesagt: sich Genüsse zu verschaffen. Denn unter Genuß konnte der Herr Kanzleioffizial nur etwas Kostenloses verstehen.

* * *

      So war es ihm eines pfingstlichen Sommersonntags wieder einmal gelungen, den besten Platz zu erobern, im fröhlichsten Gartenlokal, am Rand der Donau.

      Unter Lindengezweig, noch dazu blühendem, schattig und sonnig zugleich, so dicht am Saum des rauschenden Stromes, daß man die blaue, bootbuntbebürdete Donau sowohl sah wie hörte.

      Hier genoß der Herr Kanzleioffizial vorzüglichen Kaffee, in den kurzen hörbaren Schlucken des Genießers, gleichzeitig aus einem Buch der Leihbibliothek abenteuerliche Dinge des Tibetgebietes in sich aufnehmend.

      Es war keine Kleinigkeit, sich in diesen windigen Tibetländern zu tummeln. Der Herr Kanzleioffizial war nun schon zehn Seiten lang unterwegs. Er mußte miterleben, daß ein Lama, umhüllt von Geheimnissen, einen seiner Schüler von sechzig Krankheiten heilte.

      Die Möglichkeit einer Erkrankung lauert auch über dem Anspruchslosesten beständig. Herr Josef Blümel bemühte sich darum nachzurechnen, um welche Krankheiten es sich hier gehandelt haben mochte. Trotz sorgfältigster Grübelei gelang es ihm nicht, mehr als achtundfünfzig menschliche Leiden zusammenzubringen.

      Als er, unzufrieden mit sich selbst, aus dieser Versunkenheit auftauchte, mußte er bemerken, daß er nicht mehr allein am Tisch saß.

      Eine blonde Dame befand sich ihm gegenüber. Feste weiße Frauenhände brockten knusprige Kipfel in nußbraunen Kaffee. Wie wenn niemand sonst auf der Welt wäre. Wie wenn es weit und breit keinen gäbe, der sie dabei hätte beobachten können. Beispielsweise hätte sagen können, daß man jemanden, der so blond, hoch, straff und sicher in der Welt säße, unbedingt für eine Preußin gehalten hätte, würde man nicht feststellen, daß hier ein Kipfel auf echt Wiener Art gehandhabt würde.

      Herr Blümel wendete sich wieder dem Tibetgebiet zu.

      Er wünschte endlich zu erfahren, auf welche Weise diese unheimlichen Priester ihre übernatürlichen Kräfte zu erringen wußten.

      Junge Damen hielt Herr Blümel nicht für Wertobjekte, im eigentlichen Sinn. Er gab zu, denn er hielt auf Gerechtigkeit, daß ganz vereinzelte Exemplare in dieser Hinsicht irrezuführen vermochten, äußerlich.

      Jedoch es mußte Männer geben, die sich nicht täuschen ließen; die sich klar blieben, warum ihnen Verstand verliehen. Zu diesen rechnete sich Josef Blümel.

      Nicht ganz aus eigenem Verdienst. Die Liebesheirat, der er sein Dasein zu verdanken hatte, wandelte sich zur furchtbaren Zwickmühle, die zwei Leben langsam zermahlt hatte.

      Verzeihlich also, daß sich Josef Blümel ängstlich hütete, keiner Frau zu begegnen, die ihm hätte gefallen können. Daß er ängstlich darauf bedacht war, jedem Wink zu häuslichem Glück zu entgehen.

      Obwohl er sich immer mehr allein fand. Nun, Anfang der Vierzig, hatte er längst alle Jugendbekannte durch die Ehe verloren. Alle diese Bedauernswerten hatten sich eines Tages eingebildet, die Frau gefunden zu haben, auf die sie zeitlebens gewartet hatten.

      Herr Blümel bedauerte sie. Ohne sich loben zu wollen, konnte er sagen, daß er nie einen Freund beneidet hatte.

      Von solch gefestigtem Standpunkt aus durfte sich Herr Josef Blümel ruhig eine Lesepause gestatten, um sein Gegenüber ein wenig zu mustern.

      Er durfte zugeben, daß die neue Damenmode, die Hals und Arme auch nicht mit dem winzigsten Stofffetzchen zu verdecken suchte, als praktisch anzusprechen war, bei seiner Tischgenossin. Mit nichts war hier viel erreicht. Linien der Jugend und Anmut kamen ungeschmälert zu ihrem Recht.

      Auch schien es Herrn Blümel, wie wenn blond die richtige Sommerfarbe wäre.

      Vermutlich waren es diese Feststellungen gewesen, die den Herrn Kanzleioffizial bewogen hatten, dem blonden Fräulein mitzuteilen, daß es schönes Wetter wäre und er selbst der Herr Kanzleioffizial Josef Blümel sei.

      Die Fremde antwortete freundlich, daß sie erstes schon heute früh bemerkt hätte.

      Als Gegengabe der zweiten Mitteilung verriet sie ohne Zimperlichkeit den eigenen Namen.

      Sie hieß Konstanze Krause, wohnhaft und gebürtig im preußischen Berlin.

      Darauf sprach sie nichts weiter.

      Dies beirrte Herrn Blümel. Bei seiner Abwägung weiblicher Eigenschaften kamen auf ein Gramm Schweigenkönnen zwei Kilo Schwatzlust.

      Diese Berechnung versagte hier.

      Genau wie die Art mit Kaffee und Kipfel umzugehen irreführend gewesen.

      Irgendwie jedoch war man schließlich in ein Gespräch gekommen. Möglich sogar, daß Herr Blümel Ursache dazu gegeben. In Rückerinnerung schien es ihm, als habe er die junge Berlinerin auf die vielen bunten Wasserfahrzeuge aufmerksam gemacht, die über die Donau schnellten; wahrscheinlich nur aus wienerischer Heimatliebe.

      Jedenfalls wußte er bald, daß er eine ganz moderne junge Dame vor sich hatte. Konstanze Krause besaß seit drei Jahren ein Handschuhgeschäft im Westen von Berlin. In einer Seitenbiegung der berühmten Tauentzienstraße, wo Luxus und Leichtsinn Tag und Nacht einander spazieren führten.

      Obwohl Konstanze Krause nicht nur aus guter Familie stammte, sondern aus bester, hatte sie diesen Mut zur Selbständigkeit gewahrt.

      Das hatte der Herr Kanzleioffizial übrigens beinah alles selbst mit Sicherheit festgestellt, bevor es ihm mitgeteilt worden.

      In der Theorie zollte Herr Josef Blümel Hochachtung solcher selbständigen Weiblichkeit. Sie lauerte nicht bedrohlich auf die Ehe. Sie konnte ihr Geschick an sich herankommen lassen, wie ein Mann.

      In der Praxis jedoch waren diese Damen nicht weniger unangenehm als jene Lauernden. Ihre abwägenden, kühlen, ruhigen Blicke brachten Schulprüfungen in beunruhigende Erinnerung. Sie waren imstande, schülerhafte Unsicherheit hervorzurufen.

      Im allgemeinen genommen.

      Nicht bei Josef Blümel, der gegen jede Wirkung weiblicher Art gewappnet war.

      Darum

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