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erschien.

      Ihre Augen schienen ein wenig angegriffen zu sein und ihre Wangen waren etwas bleich, aber eben deswegen vielleicht schöner, als der Chevalier die jemals gesehen.

      Er ging auf sie zu, um sie sowohl wegen ihres langen Schlafens als wegen der Unruhe, die sie ihm verursacht, auszuschelten. Als er aber das sanfte Lächeln heiterer Ruhe wie einen Morgensonnenstrahl ihr reizendes Antlitz verklären sah, da konnte er sie blos betrachten, selbst lächeln, ihr blondes Haupt zwischen beide Hände fassen und sie auf die Stirn küssen, indem er zugleich mit jener mythologischen Galanterie, welche zu jener Zeit noch nichts Altväterisches hatte, zu ihr sagte:

      »Wenn die Gattin des alten Tithonos sich hat erwarten lassen, so ist es geschehen, um sich als Geliebte des Mars zu verkleiden.«

      Eine lebhafte Röthe überzog Luisas Antlitz. Sie lehnte ihr Haupt an die Brust des Chevaliers, als ob sie an seinem Herzen Schutz und Zuflucht suchen wollte.

      »Ich habe diese Nacht fürchterliche Träume gehabt, mein Freund,« sagte sie, »und dies hat mich ein wenig krank gemacht.«

      »Und haben diese furchtbaren Träume Dir nicht blos den Schlaf, sondern auch den Appetit geraubt?«

      »Dies fürchte ich allerdings,« sagte Luisa, indem sie sich an den Tisch setzte.

      Sie machte eine Anstrengung, um zu essen, aber es war ihr nicht möglich. Die Kehle schien ihr von einer eisernen Faust zusammengeschnürt zu werden.

      Ihr Gatte betrachtete sie mit Erstaunen und sie fühlte, wie sie unter diesem wiewohl mehr unruhigen als fragenden Blick bald roth bald blaß ward, als plötzlich dreimal und gemessen an die Thür des Gartens gepocht ward.

      Wer der Einlaßbegehrende auch sein mochte, so war er für Luisa eine willkommene Erscheinung, weil er als Ableiter für die Unruhe des Chevaliers und für ihre eigene Verlegenheit dienen konnte.

      Sie erhob sich daher rasch, um zu öffnen.

      »Wo ist denn Nina?« fragte San Felice.

      »Das weiß ich nicht,« antwortete Luisa. »Vielleicht ist sie ausgegangen.«

      »Zur Stunde des Frühstücks? Wenn sie weiß, daß ihre Herrin leidend ist? Unmöglich, mein liebes Kind.«

      Es ward zum zweiten Male angepocht.

      »Erlaube, daß ich gehe und öffne,« sagte Luisa.

      »Nein. An mir ist es, dies zu thun. Du leidest, Du bist angegriffen. Bleib ruhig sitzen. Ich will es!«

      Der Chevalier sagte allerdings zuweilen: »Ich will es!« aber in so sanftem Tone und mit so zärtlichem Ausdruck, daß es stets die Bitte eines Vaters an seine Tochter, aber niemals der Befehl eines Mannes an seine Frau war.

      Luisa ließ daher den Chevalier die Rampe hinunter und selbst die Thür des Gartens öffnen gehen.

      Aengstlich jedoch über jeden neuen Umstand, der in ihrem Gatten Argwohn in Bezug auf das, was während der Nacht hier geschehen, erwecken konnte, eilte sie an das Fenster, steckte rasch den Kopf hinaus und sah, ohne jedoch ermitteln zu können, wer es war, einen Mann, der schon ein gewisses Alter erreicht zu haben schien und, durch seinen breitkrämpigen Hut geschützt, mit einer Aufmerksamkeit, welche sie schaudernd bemerkte, die Thür, an welche Salvato angelehnt gewesen, und die Schwelle besichtigte, auf welche er niedergesunken.

      Die Thür öffnete sich und der Mann trat ein, ohne daß Luisa ihn bis diesen Augenblick zu erkennen vermochte.

      An dem freudigen Klange der Stimme ihres Gatten, welcher den Besucher aufforderte, ihm zu folgen, errieth Luisa, daß es ein Freund war.

      Sehr bleich und sehr aufgeregt nahm sie wieder ihren Platz am Tische ein.

      Ihr Gatte trat ein, während er Cirillo vor sich herdrängte.

      Sie athmete auf.

      Cirillo war ihr sehr gewogen und sie besaß auch ihrerseits große Vorliebe für ihn, weil er, da er früher Arzt des Fürsten Caramanico gewesen, oft mit Liebe und Verehrung von diesem sprach, obschon er die Bande des Blutes, welche den Fürsten an Luisa fesselten, nicht kannte.

      Als sie ihn erblickte, erhob sie sich daher und stieß einen Freudenruf aus. Cirillo konnte ihr nichts Schlimmes bringen.

      Ach, oft hatte sie während der Nacht, die sie fast gänzlich am Bett des Verwundeten zugebracht, an den guten Doctor gedacht und bei ihrem geringen Vertrauen auf Nanno's Kunst wohl zehnmal im Begriff gestanden, Michele nach ihm zu schicken.

      Sie hatte aber nicht gewagt, diesen Wunsch in Ausführung zu bringen. Was hätte Cirillo wohl von dem Geheimniß denken müssen, womit sie ihrem Gemal das furchtbare Ereigniß, welches unter ihren Augen stattgefunden, verschwieg, und wie sollte er die Gründe würdigen, welche sie zu haben glaubte, über dieses Ereigniß absolutes Schweigen zu beobachten?

      Aber nichtsdestoweniger erschien es ihr eigenthümlich, daß Cirillo, den man seit mehreren Monaten nicht gesehen, sich einmal einfand und zwar gerade an dem Morgen, der auf die Nacht folgte, wo seine Anwesenheit im Hause so sehr herbeigewünscht worden.

      Cirillo ließ, als er eintrat, seinen Blick eine Sekunde lang auf Luisa weilen. Dann rückte er, der Einladung des Chevaliers folgend, seinen Stuhl an den Tisch, woran seine Freunde frühstückten.

      Der orientalischen Gewohnheit gemäß, die auch die Neapels, dieser ersten Station des Orients, ist, servierte Luisa ihm eine Taffe schwarzen Kaffee.

      »In der That,« sagte San Felice, indem er seine Hand auf Cirillos Knie legte, »es bedurfte eines Besuchs um halb zehn Uhr Morgens, damit wir Ihnen die Vernachlässigung verzeihen, welche Sie uns jetzt so lange bewiesen. Man könnte zwanzigmal sterben, lieber Freund, ehe man erführe, ob Sie nicht selbst gestorben sind.«

      Cirillo betrachtete San Felice mit derselben Aufmerksamkeit, womit er dessen Gattin angesehen. So sehr er aber bei letzterer die geheimnißvolle Spur einer aufgeregten, umruhigen Nacht gefunden, eben so sehr fand er bei ersterem die naive, heitere Ruhe der Sorglosigkeit und des Glückes.

      »Also,« sagte er zu San Felice, »es macht Ihnen Vergnügen, mich diesen Morgen zu sehen, mein lieber Chevalier?«

      Er betonte die beiden Worte: diesen Morgen mit unverkennbarer Absicht.

      – »Es macht mir stets Vergnügen, Sie zu sehen, lieber Doctor,« fuhr der Chevalier fort, »Morgens wie Abends, und Abends wie Morgens. Gerade heute Morgen aber freue ich mich mehr als je, Sie zu sehen.«

      »Warum? Sagen Sie mir das.«

      »Aus zwei Gründen. Trinken Sie doch Ihren Kaffee! Ach, was den Kaffee betrifft, so haben Sie heute allerdings Unglück, denn Luisa hat ihn nicht selbst bereitet. Die Faulenzerin ist – zu welcher Stunde glauben Sie wohl, daß sie aufgestanden ist? Rathen Sie.«

      »Fabiano!« rief Luisa erröthend.

      »Da sehen Sie, sie schämt sich selbst. Um neun Uhr ist sie aufgestanden.«

      Cirillo bemerkte Luisas Erröthen, auf welches eine tödtliche Blässe folgte.

      Ohne noch zu wissen, was der Grund dieser Aufregung war, empfand Cirillo Mitleid für die arme Frau.

      »Sie wünschten also aus zwei Gründen, mich zu sehen, mein lieber San Felice,« sagte er. »Welche waren die ?«

      »Erstens, entgegnete der Chevalier, »denken Sie sich, daß ich gestern die Epochen der Natur von dem Herrn Grafen von Buffon aus der Bibliothek des Palastes mitgebracht habe. Der Prinz hat dieses Buch heimlich kommen lassen, denn es ist von der Censur verboten, vielleicht – etwas Gewisses weiß ich natürlich nicht – vielleicht weil es nicht ganz mit der Bibel übereinstimmt.«

      »O, das wäre mir ganz gleich,« antwortete Crillo lachend, »dafern es nur mit dem gesunden Menschenverstand übereinstimmte.«

      »Ah,« rief der Chevalier, »dann glauben Sie also wohl nicht wie er, daß die Erde ein durch den Zusammenstoß mit einem Kometen losgesprengtes Stück Sonne ist?«

      »Eben so wenig als ich glaube, daß die Erzeugung der lebenden Wesen durch organische Kügelchen geschieht, was ebenfalls eine Theorie dieses Autors, und nach

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