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sich das Geschrei und es machte sich unter der Menge eine gewaltige Bewegung bemerkbar. Man hörte die Kolben der Musketen auf dem Pflaster klirren, gebieterische Stimmen riefen: »Platz! Platz!« eine Art Laufgraben öffnete sich und Michele und Luisa sahen sich plötzlich den beiden Gefangenen gegenüber, von welchen der eine – es war der jüngste – in seinen um den Leib herum festgebundenen Armen die weiße Fahne der Bourbons trug.

      Sie waren von Männern, theils mit Fackeln, theils mit Säbeln in den Händen, umringt und trotz der Schmähungen und Hohnreden des Pöbels, welcher stets bereit ist, den Schwächsten zu schmähen und zu verhöhnen, schritten sie mit aufgerichteten Häuptern einher wie Leute, welche ihren Glauben laut bekennen.

      Ganz bestürzt über diesen Anblick blieb Luisa, anstatt auf die Seite zu treten wie die Andern, unbeweglich stehen, so daß sie sich dem jüngsten der beiden Gefangenen, das heißt André Backer gegenüber sah.

      Beide traten, indem sie einander erkannten, einen Schritt zurück.

      »Ach, Signora,« sagte der junge Mann mit Bitterkeit, »ich wußte wohl, daß Sie es wären, die mich verrathen hätte, aber ich wußte nicht, daß Sie auch den Muth haben würden, meine Verhaftung mit anzusehen.«

      Luisa wollte antworten, läugnen und betheuern, der Gefangene aber schob sie sanft auf die Seite und ging vorwärts, indem er sagte :

      »Im Namen meines Vaters und in dem meinigen verzeihe ich Ihnen, Signora. Mögen Gott und der König Ihnen eben so verzeihen wie ich.«

      Luisa wollte antworten, die Stimme versagte ihr aber und mitten unter dem Rufe des Volkes. »Sie ist es! Diese Frau ist die San Felice, welche sie denuncirt hat,– sank sie in Micheles Arme.

      Die Gefangenen setzten ihren Weg weiter fort nach dem Costello Nuovo, wo sie unter Aufsicht des Commandanten Oberst Massa eingesperrt wurden.

       Viertes Capitel.

      Die Apotheose

      Als Luisa wieder zu sich kam, sah sie sich in einer Art Café, welches die Ecke der Strada del Malo und der Calata San Marco bildet.

      Hierher hatte Michele sie durch die Menge hindurchgetragen, welche sich an der Thür angesammelt und nun bemüht war, durch die geschlossenen Fenster und die offenstehenden Thüren hineinzuschauen.

      Diese Menschenmasse wiederholte die Worte des Gefangenen und sagte, indem sie mit dem Finger auf Luisa zeigte:

      »Sie ist es, die sie verrathen hat.«

      Als Luisa die Augen wieder aufschlug, hatte sie anfangs Alles wieder vergessen. Allmälig aber, als sie sich umschaute, als sie sah, wo sie war und die um das Haus herum versammelte Menge erblickte, fiel ihr Alles wieder ein, was geschehen war. Sie stieß einen lauten Schrei aus und bedeckte sich das Gesicht mit den Händen.

      »Einen Wagen, im Namen des Himmels, mein lieber Michele, schaffe einen Wagen, damit ich nach Hause zurückkehren kann.«

      Luisa‘s Wunsch war nicht schwer zu erfüllen. Es gab damals ebenso wie noch heute zwischen dem Theater San Carlo und dem Theater Fondo einen Droschkenplatz zur Bequemlichkeit der Kunstfreunde, welche zu jener Zeit der Darstellung der Meisterwerke eines Cimarosa und Paesiello beiwohnten und welche gegenwärtig die Opera eines Bellini, eines Rossini oder Verdi besuchen.

      Michele ging hinaus, rief einen geschlossenen Wagen herbei, ließ ihn dicht an die auf die Strada del Molo gehende Thür heranfahren, Luisa mitten unter dem Beifallsgeschrei oder Murren der Zuschauer, welche, jenachdem sie Patrioten oder Bourbonisten waren, ihr wegen ihres angeblichen Verraths Dank wußten oder grollten, hineinsteigen, folgte ihr selbst nach und schloß den Schlag, indem er dem Kutscher zurief:

      »Nach Mergellina!«

      Die Menge theilte sich, der Wagen fuhr fort, passirte den Largo Castello, bog dann in die Strada Chiaja ein und machte nach Verlauf einer Viertelstunde an dem Palmbaumhause Halt.

      Michele riß kräftig an der Klingel. Giovannina kam, um zu öffnen.

      Ihren Mund umspielte jener schadenfrohe Ausdruck böswilliger Diener, welche eine schlimme Nachricht mitzutheilen haben.

      »Na,« sagte sie, zuerst das Wort ergreifend, »es sind in Ihrer Abwesenheit schöne Dinge hier vorgegangen, Signora.«

      »Hier?« fragte Luisa.

      »Ja hier, Signora.«

      »Hier? Meinst Du im Hause oder überhaupt in Neapel?«

      »Ich meine hier im Hause.«

      »Was ist denn geschehen?«

      »Sie hätten mir für den Fall, daß man mich über Signor André Backer befragte, sagen sollen, was ich antworten sollte, Signora.«

      »Wie, man hat Dich über Signor Adré Backer befragt?«

      »Das wollte ich meinen! Man kam hierher, nahm mich fest, führte mich auf die Polizei und drohte mir mit Gefängniß, wenn ich nicht sogleich sagte, wer in der vergangenen Nacht bei Ihnen gewesen wäre, Signora. Daß Jemand dagewesen war, wußte man, aber nur nicht wer.«

      »Und Du hast Signor Backer genannt?«

      »Ich mußte wohl. Ins Gefängniß zu spazieren, verspürte ich durchaus keine Lust und meinetwegen war Signor Backer nicht hier.«

      »Unglückliche, was hast Du gethan!« rief Luisa, indem sie auf einen Stuhl niedersank und sich das Gesicht mit den Händen bedeckte.

      »Was wollen Sie? Ich fürchtete, wenn ich läugnete, trotz meines Läugnens überführt zu werden. Die bösen Zungen würden übrigens, wenn ich Signor Backer‘s Besuch bei Ihnen hätte verhehlen wollen, sofort behauptet— haben, Signor Backer wäre Ihr Geliebter, gerade so wie man von Signor Salvato zu sagen anfängt.«

      »O Giovannina!« rief Michele.

      Luisa erhob sich, betrachtete die Dienerin mit dem Ausdruck des Erstaunens und des Vorwurfes und sagte dann in sanftem, aber festem Tone:

      »Giovannina, ich weiß nicht, welchen Grund Du hast, meine Güte durch so schwarze Undankbarkeit zu vergelten. Morgen verlässest Du mein Haus.«

      »Ganz wie Ihnen beliebt, Signora,« antwortete Giovannina keck.

      Und sie verließ das Zimmer, ohne sich auch nur umzusehen.

      Luisa fühlte wie ihr die Thränen in die Augen traten. Sie reichte Michele die Hand und dieser kniete vor ihr nieder.

      »O Michele, mein theurer Michele!« murmelte sie, in Schluchzen ausbrechend.

      Michele ergriff ihre Hand und küßte dieselbe. Er war um so tiefer erschüttert, als er in seinem innersten Herzen fühlte, daß all dieses Unheil durch ihn angestiftet worden.

      »Das ist ein schlimmer Abend nach einem so schönen Tage,« sagte er. »Armes Schwesterchen! Als Du von Pästum zurückkamst warst Du so glücklich.«

      »Ja, ich war glücklich« überglücklich!« murmelte Luisa; »ich weiß aber nicht, welche Stimme mir in’s Ohr flüstert daß mein schönstes und ganz besonders mein reinstes Glück vorüber ist. O Michele, Michele, wie schrecklich war das, was diese Wahnsinnige sagte!«

      »Ja« damit sie aber nicht auch Anderen sage, was sie soeben zu Dir gesagt, darfst Du sie nicht fortschicken. Bedenke, daß sie Alles weiß – die versuchte Ermordung Salvato‘s, das Asyl, welches wir ihm gegeben, seinen Aufenthalt im Hause, deinen vertrauten Verkehr mit ihm. Mein Gott, ich für meine Person weiß wohl, daß all diesem nichts Böses zu Grunde liegt. Die Welt dagegen wird viel Böses darin sehen, und wenn Giovannina, anstatt daß sie, wenn sie bei Dir bleibt, ein Interesse daran hat, zu schweigen, es vielmehr, wäre es auch nur aus Rache —, in ihrem Interesse findet, zu sprechen, so wird dein guter Ruf dadurch leiden.«

      »Wäre es auch nur aus Rache, sagst Du? Und warum sollte Giovannina sich an mir rächen? Ich habe ihr ja niemals etwas Anderes als Gutes erzeigt.«

      »Ein schöner Grund! Es gibt verderbte Gemüther, Schwesterchen, welche, je mehr man ihnen Wohlthaten erzeigt, desto falscher und undankbarer werden. Schon seit einiger Zeit habe ich zu bemerken geglaubt, daß, Giovannina zu dieser Classe gehört. Hast

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