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war zu Manchester von unbemittelten Eltern geboren ; diese starben, als er kaum seine Studien vollendet hatte. Der Knabe, der nur durch den Ertrag ihrer Arbeit in der Lehranstalt erhalten worden war, nahm Dienste am Bord eines Kriegsschiffes. Die strenge Mannszucht hatte ihn hartherzig gemacht. Im Gegensatze zu dem Capitän Stanbow war er schonungslos, die von ihm dictirten Strafen hatten den Charakter der Rache. Es schien fast, als hätte er seinen Grimm über die harte Behandlung, welche er Vielleicht mit Unrecht erduldet hatte, an seinen Untergebenen auslassen wollen.

      Ein anderer, noch auffallenderer Unterschied bestand noch zwischen ihm und seinem würdigen Comrnandanten; im Sturm oder im Gefecht war an Barke eine gewisse Unschlüssigkeit zu bemerken.

      Er schien zu fühlen, daß ihm seine- gesellschaftliche Stellung bei der Geburt weder das Recht gegeben habe, den Befehl über andere Menschen zu führen, noch die Kraft mit den Elementen zu ringen. Er zeigte indeß großen Muth im Kampfe und Thätigkeit und Umsicht im Sturm, so daß ihm Niemand eine Pflichtverletzung zur Last gelegt hatte. Aber einem scharfen Beobachter konnte nicht entgehen, daß sein Gesicht blässer, seine Stimme nicht so sicher war wie gewöhnlich; man hätte glauben können, der Muth sei bei ihm nicht sowohl eine Naturgabe als ein Ergebniß der Erziehung gewesen.

      Diese beiden Männer, welche die ihnen durch den Dienst angewiesenen Plätze einnahmen, schienen durch eine natürliche Abneigung noch mehr getrennt als durch die Etikette ihres Ranges. Der Capitän war allerdings, wie gegen Jedermann, so auch gegen seinen Lieutenant, anständig und höflich; allein es war nicht zu verkennen, daß seine Stimme, wenn er mit Burke sprach, nicht jenen Ton des Wohlwollens hatte, der ihn bei seinen Untergebenen so beliebt machte. Burke empfing die Befehle des Capitäns in einer ganz eigenthümlichen Weise, und sein Gehorsam hatte etwas Düsteres und Gezwungenes, das gegen die freudige Fügsamkeit der übrigen Schiffsmannschaft sehr abstach.

      Als ich indeß an Bord kam, waren sie durch einen ziemlich wichtigen Vorfall zu einmüthigem Handeln gezwungen worden. Man hatte Abends vorher bemerkt, daß sieben Mann beim Appell fehlten.

      Anfangs glaubte der Capitän, die sieben Matrosen, von denen Einige als große Freunde des Gin bekannt waren, hätten sich nur im Wirthshause verspätet und sie würden mit einigen Stunden Arrest davonkommen. Aber Burke schüttelte zweifelnd den Kopf; und da die Nacht verging, ohne daß man von den Abwesenheit etwas erfuhr, sah sich der Capitän, wie sehr er auch zur Nachsicht geneigt war, am andern Morgen zu dem Geständnisse gezwungen, daß der Fall bedenklich sei.

      Die Desertionen sind auf den englischen Kriegsschiffen ziemlich häufig, denn die Matrosen finden auf den Handelsschiffen der indischen Compagnie oft bessere Bezahlung, als ihnen die Lords der Admiralität bewilligen Sobald aber einmal der Befehl zur Abfahrt gegeben ist, muß das Schiff den ersten günstigen Wind benutzen, und es ist keine Zeit die freiwillige oder gezwungene Rückkehr der Ausreißer abzuwarten. In solchen Fällen greift man gemeiniglich zu dem sinnreichen Mittel der »Matrosenpresse«, indem man in dem ersten besten Wirthshause so viele Leute als eben fehlen, aufgreift und an Bord schleppt. Aber da die ausgesandten Werber alles Gesindel, das ihnen zufällig in die Hände fällt, nehmen müssen, so beschloß der Capitän, Alles aufzubieten, um die sieben gut eingeschulten Matrosen wieder an Bord zu holen.

      In allen Seestädten oder deren nächster Umgebung gibt es immer einen oder zwei Schenkwirthe, welche die Ausreißer verstecken. Solche Wirthshäuser sind der Mannschaft aller Schiffe bekannt und natürlich fällt auf dieselben der erste Verdacht, wenn ein Deficit auf einem Schiffe bemerkt wird; die ersten Haussuchungen werden in diesen Schenken vorgenommen. Aber je größer die Gefahr, desto vorsichtiger sind die Wirthe; es ist eine Art Schmuggelei, in welcher die Nachforschungen der Zollwächter gemeiniglich erfolglos bleiben.

      Burke hatte dies so oft erfahren, daß er, obschon der Befehl über ein solches Unternehmen weit unter seinem Range war, die nöthigen Anordnungen mit Genehmigung des Capitäns persönlich getroffen hatte.

      Morgens hatte man die fünfzehn ältesten Matrosen zusammenberufen und in Gegenwart des Capitäns und des Lieutenants einen Kriegsrath gehalten, in welchem die Meinung der Matrosen maßgebend sein sollte. Denn in derlei Fällen sind die Matrosen weit erfahrener als die Offiziere; und wenn den Letzteren auch die Leitung bleiben mußte, so konnten doch nur Jene die nöthige Auskunft geben. Das Resultat der Berathung war, daß sich die Ausreißer aller Wahrscheinlichkeit nach in dem kleinen Dorfe Walsmouth, bei einem irischen Schenkwirth Namens Jemmy, versteckt hielten. Es wurde also beschlossen in diesem Wirthshause nachzusuchen.

      Ueberdies sollte sich ein vorauszusendender Plänkler unter irgend einem Vorwande in die Schenke begeben und von Master Jemmy zu erfahren suchen, in welchem Theile seines Hauses sich die Ausreißer versteckt hielten ; denn die Letzteren wußten ja, daß die Abfahrt des »Trident« sehr nahe bevorstand und hatten deshalb ihre Maßregeln ohne Zweifel mit besonderer Vorsicht genommen.

      Aber es war der Ausführung dieses Planes ein großes Hinderniß in den Weg getreten. Der Matrose, der sich als Kundschafter brauchen ließe, würde nach dem Gelingen des Streifzuges den Antheil, den er daran genommen, vielleicht theuer bezahlen müssen, und ein Offizier würde trotz der sorgfältigsten Verkleidung entweder von dem Wirth oder von den Ausreißern unfehlbar erkannt werden. Ich hingegen war erst angekommen und konnte daher keinen Verdacht erregen. Ich konnte daher gute Dienste leisten, wenn ich auch nur den vierten Theil der Klugheit besaß, welche mir der gute Capitän zuschrieb.

      Hieraus erklären sich die Fragen des Letzteren und die Weisungen, die ich von dem Lieutenant zu erwarten hatte.

      Gegen fünf Uhr meldete mit ein Matrose, daß Mr. Burke mich in seiner Cajüte erwarte.

      Ich beeilte mich der Einladung Folge zu leisten. Der Lieutenant erklärte mir mit kurzen Worten was ich zu thun hatte, und nahm aus einem Koffer einen vollständigen Matrosenanzug, den ich gegen meine Uniform vertauschen sollte. Ich mußte gehorchen, wie groß auch mein Widerwillen gegen die mir in dieser Tragikomödie zugetheilte Rolle war. Die starre Disziplin gestattete keine Widerrede, und überdies war der Lieutenant Barke unerbittlich streng gegen seine Untergebenen. Ich verlor daher meine Zeit nicht mit nutzlosen Gegenvorstellungen, zog meine Uniform aus, legte das rothe Flanellhemd, die weiten Beinkleider und die kurze blaue Jacke an, drückte die Mühe aufs rechte Ohr, und nahm mit Hilfe meiner natürlichen Anlagen bald die Manieren eines Strolches an, welche den unterscheidenden Charakter der von mir darzustellenden Person bildeten.

      Als meine Verkleidung beendet war, stiegen wir, Burke und ich, sammt den fünfzehn Matrosen, welche den Kriegsrath gebildet hatten, in die Schaluppe. Zehn Minuten nachher waren wir in Plymouth. Da trennten wir uns am Hafen mit der Verabredung, zehn Minuten nach unserer Trennung unter einem von der Rhede sichtbaren alleinstehenden Baume jenseits der Stadt zusammenzukommen. Nach einer Viertelstunde hielten wir Appell, Jeder war an seinem Posten.

      Burke hatte den Feldzugsplan bereits entworfen, und als derselbe zur Ausführung kommen sollte, beehrte er mich mit ausführlichen Erläuterungen. Ich sollte so schnell wie meine Beine, deren Geschwindigkeit er zu übertreiben geruhte, laufen könnten, nach Walsmouth vorauseilen, die Uebrigen würden mir unterdessen im gewöhnlichen Schritte folgen.

      Da ich in Folge dieser Anordnung fast eine Stunde früher in das Dorf kommen wurde, so sollten mich meine Cameraden bis Mitternacht in einem verfallenen Hause erwarten, welches einen Büchsenschuß vom Dorfe entfernt war. Wenn ich um Mitternacht nicht zurück wäre, so wollten die Andern, in der Voraussetzung, daß ich gefangen oder umgebracht sei, in die Schenke dringen, um mich zu befreien oder meinen Tod zu rächen.

      Die Aussicht auf die drohende Gefahr gab dem sonderbaren Auftrage, den ich zu vollziehen hatte, in meinen Augen eine große Wichtigkeit. Ich fühlte wohl, daß mehr Arglist als Muth nöthig war, und ich hatte mich eines gewissen Mißbehagens nicht erwehren können; sobald ich aber einige Gefahr dabei sah, sobald ein Kampf in Aussicht stand, war auch die Möglichkeit des Sieges vorhanden und der Sieg rechtfertigt Alles: es ist der Talisman, der das Blei in Gold verwandelt.

      In Plymouth schlugs sieben; ich brauchte anderthalb Stunden, um nach Walsmouth zu kommen; meine Cameraden brauchten mindestens zwei Stunden. Ich nahm Abschied, Burke gab seiner rauhen Stimme einen milden Ton, um mir Glück zu wünschen, und ich eilte davon.

      Es war in den nebeligen Herbstmonaten; das Wetter war trübe, schwere Wolken zogen einige

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