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von dem unerklärlichen Verschwinden des Grafen von Montgommery und seines Stallmeisters die Rede; bald sprach man weniger davon, und dann bildete die nahe bevorstehende Ankunft von Kaiser Karl V., der Frankreich durchziehen sollte, um die Genter zu bestrafen, den einzigen Gegenstand aller Gespräche.

      »Im Monat Mai desselben Jahres, fünf Monate nach dem Tode Eures Vaters, gnädiger Herr, wurde Diana von Castro geboren.«

      »Ja!« sprach Gabriel nachdenkend, »doch gehörte Frau von Poitiers meinem Vater? Hat sie den Dauphin nach ihm, hat sie ihn zu gleicher Zeit mit ihm geliebt? Dunkle Fragen, welche die üblen Gerüchte eines müßigen Hofes nicht hinreichend zu lösen im Stande sind . . . Doch mein Vater lebt! mein Vater muß leben! und ich werde ihn wiederfinden, Aloyse. Es sind nun in mir zwei Menschen, ein Sohn und ein Liebender, die ihn aufzufinden wissen werden.«

      »Gott wolle es!« sprach Aloyse.

      »Und Du hast seitdem über das Gefängniß, in welchem diese Elenden meinen Vater begraben konnten, nichts mehr erfahren?« fragte Gabriel.

      »Nichts, gnädiger Herr, die einzige Andeutung, die wir hierüber haben, ist jenes von Perrot aufgefaßte Wort von Herrn von Montmorency, der Gouverneur des Châtelet sei ein ergebener Freund von ihm, für den er stehen könne.«

      »Des Châtelet!« rief Gabriel, »des Châtelet!«

      Und der rasche Blitz einer gräßlichen Erinnerung zeigte ihm plötzlich den düsteren, trostlosen Greis, der nie ein Wort sprechen sollte, den Greis, den er mit einer so seltsamen Gemüthsbewegung in einem der tiefsten Kerker des königlichen Gefängnisses gesehen hatte . . .

      Gabriel warf sich in Thränen zerfließend in die Arme von Aloyse.

      IV.

      Das heroische Lösegeld

      Doch am andern Tag, am 12. August, ging Gabriel festen Schrittes und mit ruhigem Antlitz nach dem Louvre, um beim König Audienz zu verlangen.

      Er hatte lange mit Aloyse und mit sich selbst erwogen, was er thun und was er sagen sollte. Ueberzeugt, daß die Heftigkeit gegen einen königlichen Gegner nur dazu dienen würde, ihm das Schicksal seines Vaters zuziehen beschloß Gabriel, entschieden und würdig, aber mäßig und ehrfurchtsvoll zu Werke zu gehen; er wollte bitten, und nichts fordern. War es nicht immer noch Zeit, laut zu sprechen, und mußte er nicht zuvor sehen, ob achtzehn Jahre nicht den Haß von Heinrich II. abgestumpft hatten?

      Indem Gabriel einen solchen Entschluß faßte zeigte er eben so viel Weisheit und Klugheit, als das kühne Vorhaben zuließ, für das er sich entschieden hatte.

      Die Umstände sollten ihm übrigens einen unerwarteten Beistand gewähren.

      Als er gefolgt von Martin-Guerre, diesmal gefolgt vom wahren Martin-Guerre, in den Hof des Louvre kam, bemerkte Gabriel eine ungewöhnliche Bewegung; doch er hatte zu starr seinen eigenen Gedanken im Auge, um aufmerksam die geschäftigen Gruppen und die betrübten Gesichter zu betrachten, welche sich seinen ganzen Weg entlang wahrnehmen ließen.

      Nichtsdestoweniger mußte er eine Sänfte mit dem Wappen der Guisen erkennen und den Cardinal von Lothringen grüßen, welcher in großer Aufregung aus dieser Sänfte ausstieg.

      »Ei! Ihr seid hier, Herr Vicomte d’Ermès?« sprach Carl von Lothringen, »Ihr seid also gänzlich wiederhergestellt? desto besser! desto besser! Mein Herr Bruder erkundigte sich erst in seinem letzten Briefe mit großer Theilnahme nach Euch.«

      »Monseigneur, so viel Güte! . . .« erwiderte Gabriel.

      »Ihr verdient sie für so viel Tapferkeit!« sprach der Cardinal. »Doch wohin geht Ihr so rasch?«

      »Zum König, Monseigneur.«

      »Hm! der König hat ganz andere Geschäfte, als Euch zu empfangen, mein junger Freund. Hört, ich begebe mich auch zu Seiner Majestät, welche so eben nach mir verlangt hat. Gehen wir mit einander hinauf, ich führe Euch ein, und Ihr leiht mir Euren jungen Arm. Hilfe für Hilfe. Das ist es, was ich sogleich Seiner Majestät sagen werde, denn Ihr habt wohl die traurige Kunde vernommen?«

      »Wahrhaftig, nein!« antwortete Gabriel, »ich komme so eben von Hause und habe in der That nur eine gewisse Bewegung bemerkt.«

      »Ich glaube es wohl!« versetzte der Cardinal.

      »Herr von Montmorency hat dort beim Heere wieder einen von seinen gewöhnlichen Streichen gemacht. Er wollte dem belagerten Saint-Quentin zu Hilfe eilen, der muthige Connétable! Steigt nicht so schnell hinauf, Herr d’Ermès, ich bitte Euch, ich habe nicht mehr Eure zwanzigjährigen Beine. Ich sagte also, er habe dem Feinde eine Schlacht angeboten, der unerschütterliche General! Das geschah vorgestern, am 10. August, am Saint-Laurent-Tage. Er hatte ungefähr eben so viele Truppen, als die Spanier, eine bewundernswürdige Reiterei und die Elite des französischen Adels. Nun wohl! er richtete die Dinge so gut ein, der erfahrene Feldherr, daß er in den Ebenen von Gibercourt und Lizerolles eine furchtbare Niederlage erlitt, und daß er selbst gefangen genommen und verwundet wurde, und mit ihm alle diejenigen Anführer und Generale, welche nicht auf dem Schlachtfeld geblieben sind. Herr von Enghien gehört zu den Letztern, und von der ganzen Infanterie sind nicht hundert Mann zurückgekommen. Deshalb, Herr d’Ermès, seht Ihr alle Welt so bewegt, und deshalb läßt mich Seine Majestät ohne Zweifel rufen.«

      »Großer Gott!« rief Gabriel selbst bei seinem persönlichen Schmerz von diesem Unglück des Staats tief ergriffen, »großer Gott! können die Tage von Poitiers und Azincourt wirklich für Frankreich wiederkehren? Aber Saint-Quentin, Monseigneur?«

      »Saint-Quentin hielt sich noch beim Abgang des Boten, und der Neffe des Connétable, der Herr Admiral Gaspard von Coligny, der die Stadt vertheidigte, hatte geschworen, die Mißgriffe seines Oheims dadurch zu mildern, daß er sich eher unter den Trümmern des Platzes begraben lassen, als ihn übergeben würde. Doch ich befürchte sehr, daß er zu dieser Stunde schon begraben, und der letzte Damm der den Feind aushält, genommen ist.«

      »Dann wäre das Königreich verloren.«

      »Gott beschütze Frankreich,« sprach der Cardinal, »doch wir sind nun beim König, und wir werden sehen, was er thun will, um sich selbst zu beschützen.«

      Die Wachen verbeugten sich vor dem Cardinal und ließen ihn natürlich vorüber, ihn den nothwendigen Mann nach der Lage der Dinge und denjenigen, dessen Bruder allein noch das Land retten konnte. Carl von Lothringen trat, gefolgt von Gabriel, ohne Widerstand beim König ein, den er allein mit Frau von Poitiers und ganz in Bestürzung fand. Als Heinrich den Cardinal sah, ging er ihm voll Eifer entgegen und sprach:

      »Eure Eminenz sei willkommen! Nun! Herr von Lothringen, welch eine gräßliche Katastrophe! Ich frage Euch, wer hätte das geglaubt?«

      »Ich, Sire,« antwortete der Cardinal, »wenn mich Eure Majestät vor einem Monat, zur Zeit des Abgangs von Herrn von Montmorency gefragt hätte . . .«

      »Keine leere Anschuldigung, mein Vetter,« erwiderte der König, »es handelt sich nicht um die Vergangenheit, sondern um die so bedrohliche Zukunft, um die so gefahrvolle Gegenwart. Der Herr Herzog von Guise ist auf der Rückkehr aus Italien begriffen, nicht war?«

      »Ja, Sire, und er muß nun in Lyon sein.«

      »Gott sei gelobt!« rief der König. »Herr von Lothringen, in die Hände Eures erhabenen Bruders lege, ich das Heil des Staates. Habet, Ihr und er, für dieses glorreiche Ziel Vollmacht und souveräne Gewalt. Seid Könige wie ich und mehr als ich. Ich habe selbst an Herrn von Guise geschrieben, um seine Rückkunft zu beschleunigen. Hier ist der Brief. Eure Eminenz wolle die Güte haben, auch zu schreiben, ihrem Bruder unsere Lage zu schildern und ihm zu bemerken, wie nothwendig es ist, keine Minute zu verlieren, wenn man Frankreich noch bewahren will. Sagt Herrn von Guise, daß ich mich ganz auf ihn verlasse. Schreibt, Herr Cardinal, schreibt schnell, ich bitte Euch. Ihr braucht nicht von hier wegzugehen. Dort in jenem Cabinet findet Ihr Alles, was Ihr nöthig habt. Gestiefelt und gespornt, wartet der Eilbote schon unten im Sattel. Habt die Gnade, geht. Geht, eine halbe Stunde mehr oder weniger kann Alles retten oder Alles verderben.«

      »Ich gehorche Eurer Majestät,« antwortete der Cardinal, indem er sich nach dem Cabinet wandte,

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