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Diana weinte.

      »Was gibt es, liebe kleine Frau,« sagte Gabriel, »und woher rührt dieser bittere Kummer? Sollte uns etwa Enguerrand gezankt haben, weil wir ein Kleid zerrissen, oder unser Gebet schlecht gesprochen? Oder ist etwa unser Dompfaff entflogen? Sprich, Diana, meine Geliebte, Dein treuer Ritter ist hier, um Dich zu trösten.«

      »Ach! nein, Gabriel, Ihr könnt nicht mehr mein Ritter sein,« sprach Diana, »und gerade deshalb bin ich traurig, weine ich.«

      Gabriel glaubte, Diana sei durch Enguerrand von dem Namen ihres Spielgefährten unterrichtet worden und wolle ihn vielleicht prüfen.

      »Und welches Unglück,« erwiderte er, »oder welches, Glück, Diana, könnte mich je bewegen, auf den süßen Titel zu verzichten, den Du mich hast annehmen lassen und den ich so freudig und so stolz führe? Siehst Du, ich liege vor Dir auf den Knieen.«

      Doch Diana schien nicht zu begreifen, und heftiger weinend als je verbarg sie ihre Stirne an der Brust von Gabriel und rief schluchzend:

      »Gabriel! Gabriel! wir dürfen uns fortan nicht mehr sehen.«

      »Und wer wird uns daran hindern?« versetzte er rasch.

      Sie erhob ihr blondes, reizendes Haupt und schlug ihre blauen, in Thränen gebadeten Augen auf; dann sprach sie mit einer ganz feierlichen und ernsten Miene und mit einem tiefen Seufzer:

      »Die Pflicht.«

      Ihr reizendes Antlitz hatte einen so trostlosen und zugleich so komischen Ausdruck, daß Gabriel, darüber entzückt, sich eines Lachens nicht erwehren konnte; er nahm zwischen seine Hände die reine Stirne des Kindes und küßte sie wiederholt; doch sie entfernte sich lebhaft und rief:

      »Nein, mein Freund, keine Schäkereien mehr. Mein Gott! mein Gott! sie sind mir nun verboten.«

      »Was wird Enguerrand ihr Alles erzählt haben?« sagte Gabriel, in seinem Irrthum verharrend, zu sich selbst. »Liebst Du mich denn nicht mehr, meine theure Diana?« fügte er bei.

      »Ich Dich nicht mehr lieben!« rief Diana. »Wie kannst Du solche Dinge annehmen und sagen, Gabriel? Bist Du nicht der Freund meiner Kindheit und der Bruder meines ganzen Lebens? Hast Du mich nicht stets mit der Güte und Zärtlichkeit einer Mutter behandelt? Wenn ich lachte und wenn ich weinte, wen fand ich da unablässig an meiner Seite, um meine Heiterkeit oder meinen Kummer zu theilen? Dich, Gabriel! . . . Wer trug mich, wenn ich müde war? wer half mir meine Lectionen lernen? wer schrieb sich meine Fehler zu und theilte meine Strafe, wenn er sie nicht auf sich allein nehmen konnte? abermals Du! Wer erfand tausend Spiele für mich? wer machte mir schöne Sträuße auf den Wiesen? wer nahm mir Stieglitznester aus? immer Du! ich habe Dich aller Orten und jeder Zeit gut, freundlich und mir ergeben gefunden. Gabriel, Gabriel, ich werde Dich nie vergessen, und so lange ich lebe, wirst Du in meinem Herzen leben; ich hätte Dir gern mein Dasein und meine Seele gegeben, und ich träumte nie von Glück, als indem ich von Dir träumte: doch dessen ungeachtet müssen wir uns leider trennen, um uns ohne Zweifel nie wiederzusehen.«

      »Und warum? Um Dich dafür zu bestrafen, daß Du boshafter Weise den Hund Phylar in den Hühnerhof geführt hast?« fragte Gabriel.

      »Oh! aus einem ganz andern Grunde.«

      »Und warum denn?«

      Sie erhob sich und ließ ihren Arm an ihrem Kleide herab und ihren Kopf auf die Brust fallen und sprach:

      »Weil ich die Frau eines Andern bin.«

      Gabriel lachte nicht mehr und eine seltsame Unruhe schnürte ihm das Herz zusammen; mit bewegter Stimme fragte er:

      »Was soll das bedeuten, Diana?«

      »Ich heiße nicht mehr Diana,« erwiderte sie, »ich heiße Frau Herzogin von Castro, denn mein Gemahl heißt Horazio Farnese, Herzog von Castro.«

      Und das kleine Mädchen konnte nicht umhin, ein wenig durch ihre Thränen zu lächeln, als es sagte: Mein Gemahl, mit zwölf Jahren! In der That, es war glorreich, Frau Herzogin! Doch ihr Schmerz erfaßte sie wieder, als sie den Schmerz von Gabriel wahrnahm.

      Der Jüngling stand vor ihr, bleich und mit erschrockenen Augen.

      »Ist es ein Spiel? Ist es ein Traum?« sagte er.

      »Nein, mein armer Freund, es ist die traurige Wirklichkeit,« versetzte Diana. »Hast Du nicht auf dem Wege Enguerrand begegnet, der vor einer halben Stunde nach Montgommery abgegangen ist?«

      »Ich habe kürzere Pfade gewählt. Doch vollende.«

      »Warum bist Du auch vier Tage lang nicht gekommen, Gabriel? Das ist nie geschehen und hat uns Unglück gebracht, wie Du siehst. Vorgestern Abend konnte ich kaum einschlafen. Ich hatte Dich zwei Tage lang nicht gesehen, war unruhig und ließ mir von Enguerrand versprechen, wenn Du am andern Tage nicht kämest, so würden wir an dem darauffolgenden Morgen nach Montgommery gehen. Und dann hatten wir, Enguerrand und ich, wie in einem Vorgefühl, von der Zukunft, von der Vergangenheit, von meinen Eltern gesprochen, die mich vergessen zu haben schienen. Es ist schlimm, was ich Dir sagen werde, aber ich wäre vielleicht glücklicher gewesen, wenn sie mich in der That vergessen hätten. Diese ganze ernste Unterredung hatte mich, wie sich von selbst versteht, ein wenig betrübt und angegriffen, und ich brauchte, wie gesagt, lange, um einzuschlafen, weshalb ich gestern Morgen etwas später erwachte als gewöhnlich. Ich kleidete mich in aller Eile an, verrichtete mein Gebet und wollte eben hinabgehen, als ich ein gewaltiges Geräusch unter meinem Fenster vor der Hausthüre hörte. Es waren herrliche Cavaliere, Gabriel, gefolgt von Stallmeistern und Edelknaben, und hinter dem Reiterzug eine glänzende, vergoldete Carrosse. Als ich neugierig den Zug anschaute und mich wunderte, daß er vor unserer armseligen Wohnung hielt, klopfte Antoine an meine Thüre und bat mich, auf Befehl von Herrn Enguerrand, sogleich hinabzukommen. Ich weiß nicht, warum ich bange hatte, doch ich mußte gehorchen und gehorchte. Als ich in den großen Saal trat, war er voll von den prächtigen Herren, die ich von meinem Fenster aus gesehen. Ich erröthete und zitterte erschrockener als je, Du begreifst das, Gabriel?«

      »Ja,« antwortete Gabriel mit Bitterkeit. »Fahre nur fort, denn die Sache wird in der That interessant.«

      »Bei meinem Eintritt,« fuhr Diana fort, »kam einer der gesticktesten Herren auf mich zu, reichte mir seine behandschuhte Hand und führte mich vor einen andern Edelmann, der nicht minder reich geschmückt war als er; dann sich verbeugend, sprach er:

      »Durchlauchtigster Herr Herzog von Castro, ich habe die Ehre, Euch Eure Frau vorzustellen. Madame,« fügte er sich gegen mich umwendend bei, »Herr Horazio Farnese, Herzog von Castro, Euer Gemahl.«

      Der Herzog grüßte mich mit einem Lächeln. Ich aber warf mich ganz verwirrt und in Thränen ausbrechend in die Arme von Enguerrand, den ich in einem Winkel erblickt hatte.

      »Enguerrand! Enguerrand! Dieser Prinz ist nicht mein Gemahl, ich habe keinen andern Gemahl als Gabriel. Enguerrand, sage es doch diesen Herren, ich bitte Dich.«

      Derjenige, welcher mich dem Herzog vorgestellt hatte, runzelte die Stirne und fragte Enguerrand mit strengem Tone:

      »Was soll diese Kinderei?«

      »Nichts, gnädiger Herr; in der That eine Kinderei,« antwortete Enguerrand ganz bleich.

      Und leise sich an mich wendend: »Seid Ihr toll, Diana! was soll eine solche Widerspenstigkeit? Wie könnt Ihr Euch so weigern, Euren Eltern zu gehorchen, die Euch wieder gefunden haben und Euch zurückfordern!«

      »Wo sind sie, meine Eltern?« sagte ich laut. »Mit ihnen will ich sprechen.«

      »In ihrem Namen kommen wir, mein Fräulein,« erwiderte der strenge Herr. »Ich bin hier ihr Stellvertreter; wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so seht den Befehl unterzeichnet von König Heinrich II., unserem Gebieter, und leset.«

      »Er reichte mir ein Pergament, versehen mit einem rothen Siegel, und ich las oben auf der Seite: »Wir Heinrich, von Gottes Gnaden;« und unten die königliche Unterschrift: Heinrich. Ich war geblendet, betäubt, vernichtet. Ich bekam den Schwindel und das Delirium. Alle diese Menschen hatten die Augen auf mich gerichtet! Enguerrand selbst verließ mich! Der Gedanke an meine Eltern! der Name des Königs! dies Alles war zu

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