Скачать книгу

Umständen, befändet. Die Königinnen von Frankreich haben vor ihren, Gatten einen großen Vorteil voraus; sie können dem Lande einen Dauphin geben, ohne dass ihr Gatte dabei ins Spiel kommt, was diesem nicht möglich ist. Überlegt diese unumstößliche Wahrheit und verbrennt meinen Brief.

      »Philipp.«

      Nachdem Anna von Österreich den Brief ihres Bruders nochmals gelesen hatte, wahrscheinlich um jedes in. demselben enthaltene Wort ihrem Gedächtnisse einzuprägen, näherte sie ihn der Kerzenflamme, welche ihn sogleich erfasste, und erst als das Feuer jedes einzelne der verhängnisvollen Worte verehrt halte, ließ sie ihn zu Boden fallen.

      Sodann begab sie sich wieder zu Bett, ließ den Kopf auf die seidenen Kissen zurücksinken und flüsterte:

      »O Buckingham, Buckingham

      Und einige schwere Seufzer der Sehnsucht und des Bedauerns unterbrachen die Stille des Schlafgemachs der Königin von Frankreich.

      XI.

      Im Arbeitszimmer des Kardinals

      Es gibt in der Gallerte des Louvre ein Bild von dem Jansenistischen Maler, Philipp von Champagne, welches getreu, wie man damals sagte, das feine, kraftvolle und trockene Gesicht des Kardinal von Richelieu darstellt.

      Im Gegensatze zu den Flamändern, seinen Landsleuten, und zu den Spaniern, seinen Meistern, ist Philipp von Champagne geizig mit den grellen Farben, welche die Rubens und die Murillo über ihre Gemälde ergossen. In der Tat wäre es vielleicht eine Schmeichelei für die Wahrheit, ganz gewiss aber eine Beeinträchtigung der Wahrheit gewesen, in einem Strome von Licht den finsteren Minister zu zeigen, der fortwährend von dem Halbdunkel seiner Politik umgeben war und dessen Wahlspruch lautete: »Aquila in nubibus – Der Adler in den Wolken.«

      Dieses Bild mögen Alle studieren, welche gewissenhaft sind und nach zwei und einem halben Jahrhundert zu neuen: Leben den berühmten Todten erwecken wollen, um sich einen richtigen physischen und moralischen Begriff von dem Manne zu machen, den seine Zeitgenossen verleumdeten, den das folgende Jahrhundert verkannte, beinahe vergaß und der erst zweihundert Jahre nach seinem Tode den Platz gefunden hat, welchen er von der Nachwelt zu erwarten berechtigt war.

      Tiefes Bild gehört zu denen, welche des Vorrechtes genießen, dass man unwillkürlich vor ihnen stehen bleibt und sich durch ihren Anblick zu Träumereien veranlasst fühlt. Ist es ein Mensch oder ein Phantom, dieses Geschöpf in dem roten Gewand, mit dem weißen Bischofsmäntelchen, dem Chorhemd von venezianischen Spitzen, dem roten Käppchen, der hohen Stirn, den grauen Haaren, dem grauen Bart, den, graben Augen von mattem Blick, den feinen, mageren und weißen Händen? Sein Gesicht lebt in Folge des ewigen Fiebers, das ihn verzehrt, nur in den Backenknochen. Je länger man dieses Bild betrachtet, desto weniger weiß man, ob es das eines lebenden Wesens ist, oder, gleich dem heiligen Bonaventura, ein Verstorbener, der zurückkehrte, um nach seinem Tode seine Denkwürdigkeiten niederzuschreiben. Nicht wahr, wenn dieses Wesen sich plötzlich von der Leinwand ablöste, aus seinem Rahmen heraus träte und auf uns zukäme, so würde man zurückweichen, sich bekreuzigend, wie vor einem Gespenst?

      Sichtbar und unbestreitbar ist an diesem Bilde, dass es einen Geist, einen scharfen Verstand, zeichnet; das ist aber auch Alles. Kein Herz, keine Eingeweide, zum Glück für Frankreich. In der Leere, welche zwischen Heinrich IV. und Ludwig XIV. entstand, bedurfte es nur eines Gehirnes und nichts Anderen, um diesen ungelegenen, schwachen, ohnmächtigen, König zu beherrschen, diesen unruhigen, sittenlosen Hof. diese habgierigen Prinzen ohne Treu und Glauben.

      Gott erschuf mit seinen Händen den fürchterlichen Automaten, den die Vorsehung in gleiche Entfernung von Ludwig XI. und Robespierre stellte, damit er die großen Herren köpfe, wie Ludwig XI. die großen Vasallen geköpft hatte und wie Robespierre die Aristokraten köpfen wird. Von Zeit zu Zeit sahen die Völker, gleich roten Kometen, an, dem Horizonte einen jener blutigen Schnitter erscheinen, die eine künstliche Schöpfung zu sein scheinen, die herankommen, ohne sich zu bewegen, die sich geräuschlos nähern und dann, wenn sie endlich in die Mitte des Feldes gelangt sind, das ihnen zur Ernte angewiesen ist, sich an die Arbeit machen und nicht eher anhalten, als bis ihre Aufgabe vollbracht, d. h. bis Alles abgemäht ist.

      So würde er uns an dem Abend jenes 5. Dezember 1628 in dem Augenblick erschienen sein, sorgenvoll durch all den Hass, der ihn umgab, in Gedanken versunken mit den großen Plänen, die ihn beschäftigten, als der unerforschliche Minister in sein Kabinett trat, sinnend auf die Ausrottung der Ketzerei in Frankreich, auf die Vertreibung der Spanier aus dem Mailändischen, aus die Vernichtung des österreichischen Einflusses in Toscana und danach strebend, zu erraten, indem er den Mund schloss und das Feuer seiner Augen dämpfte, aus Furcht, sie möchten seine Gedanken verraten.

      Er kam von jenem Ballett, während dessen seine Andeutungen ihm sagten, dass die Abwesenheit der Königin eine politische, folglich also eine für ihn drohende Veranlassung hätte und dass irgend etwas Giftiges in jenem königlichen Alkoven gesponnen würde, dessen Raum, von zwölf Fuß im Quadrat, ihm mehr Verlegenheiten bereitete, mehr Arbeit verursachte, als die ganze übrige Welt. Er trat missmutig. erschöpft, beinahe von Ekel ergriffen, ein, und murmelte wie Luther: »Es gibt Augenblicke, in denen der Herr sich durch das Spiel zu langweilen und die Karten unter den Tisch zu werfen scheint.«

      Er wusste auch, an welchem Faden, welchem Haare, welchem Hauch nicht nur seine Macht hing, sondern sogar sein Leben. Sein Bußkleid war aus Dolchspitzen gewebt. Er wusste, dass er 1628 eben da stand, wo Heinrich IV. 1606 gestanden hatte. Alle Welt bedurfte seines Todes; das Schlimmste aber war, dass Ludwig XIII. sein spitzes Gesicht nicht liebte; der König allein hielt ihn, aber Richelieu fühlte sich jeden Augenblick durch die Anfälle königlicher Schwäche wanken. Das würde Alles noch nichts gewesen sein, wäre dieser geniale Mann so gesund und kräftig gewesen, wie sein einfältiger Nebenbuhler Bérulle; aber das unzureichende Geld, die unablässige geistige Anstrengungen neue Hilfsquellen zu entdecken, zehn Intrigen des Hofes, denen er zugleich die Stirne bieten musste, erhielten ihn fortwährend in einer fürchterlichen Aufregung. Es war dies Fieber, welches seine Backen rötete, indem es seine Stirn von Marmor und seine Hände von Elfenbein machte. Mau füge noch theologische Streitigkeiten, die Wut der Versemacherei und die Notwendigkeit hinzu, seine Galle und seine Wut zu unterdrücken und man wird es begreifen, dass sein Inneres wie von einem glühenden Eisen verbrannt wurde und dass er von einem Tage zum andern nur zwei Finger breit von dem Tode entfernt stand.

      Merkwürdig war die Verbindung dieser beiden Kranken. Zum Glück ahnte der König, ohne dessen gleichwohl gewiss zu sein, dass das Königreich verloren wäre, wenn Richelieu ihm fehlte! zum Unglück aber wusste eben so Richelieu, dass er selbst nach dem Tode des Königs nicht mehr vierundzwanzig Stunden zu leben hatte. Gehasst von Gaston, von Anna von Österreich, von der Königin-Mutter, von Herrn von Sosisons, den er im Exil ließ, von den beiden Vendôme, die eingekerkert waren, von dem ganzen Adel, den er hinderte, Paris durch Duelle auf öffentlichen Plätzen ein Ärgernis zu geben, musste er seine Anordnungen danach treffen, an demselben Tage, wo möglich in derselben Stunde, mit Ludwig XIII. zu sterben.

      Nur eine einzige Person war ihm bei dem ewigen Schaukelspiel, bei dem fortwährenden Glückswechsel, treu geblieben, welche oft die Sonne schon an dem Tage des Sturmes wieder scheinen ließ.

      Diese eine Person war seine Adoptivtochter, seine Nichte, Frau von Combalet, welche wir bei Frau von Rambouillet in dem Gewand einer Carmeliterin sahen, das sie seit dem Tode ihres Gemahls trug.

      Das Erste, was er tat, sobald er feine Wohnung auf der Place Royale betreten hatte, war, dass er auf eine Glocke schlug.

      Auf den Ton derselben öffneten sich fast zu gleicher Zeit drei Türen.

      Durch die eine trat Guillemot, der vertraute Kammerdiener des Kardinals, durch die andere Charpentier, der Sekretär, ein; in der dritten erschien Rossignol, der Dechiffreur.

      »Ist meine Nichte schon nach Hause gekommen?« fragte Richelieu seinen Kammerdiener.

      »Vor einer halben Stunde, gnädigster Herr!«

      »Frage sie, ob sie mich mit ihrem Besuche erfreuen will, da ich bis spät in die Nacht arbeiten werde.«

      Guillemot

Скачать книгу