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und alle Welt die Augen aufschlagen machte.

      »Dies will besagen, mein Sohn,« rief Anna von Oesterreich lachend, »der König liebe es nicht, daß man von Staatsangelegenheiten außerhalb des Rathes spreche.«

      Philipp nahm gutwillig den Verweis hin und machte lächelnd eine tiefe Verbeugung zuerst vor dem König und dann vor seiner Mutter.

      Doch Mazarin gewahrte aus dem Augenwinkel, daß sich eine Gruppe in einer Ecke des Gemaches bildete, und daß der Herzog von Orleans mit dem Grafen von Guiche und dem Chevalier von Lorraine, die sich nicht mehr laut aussprechen durften, leise wohl mehr sagen könnten, als nothwendig war. Er fing daher an, ihnen Blicke von Mißtrauen und Aengstlichkeit zuzuschleudern, und forderte zugleich Anna von Oesterreich auf, die Besprechung auf irgend eine Weise zu stören, als plötzlich Bernouin unter dem Vorhang im Bettgang des Cardinals erschien und seinem Herrn ins Ohr sagte:

      »Monseigneur, ein Abgesandter Seiner Majestät des Königs von England.«

      Mazarin konnte eine leichte Bewegung nicht verbergen, die der König gleichsam im Flug auffaßte. Weniger um eine Indiscretion zu vermeiden, als um nicht unnütz zu erscheinen, stand Ludwig XIV. sogleich auf, näherte sich Seiner Eminenz und wünschte ihr eine gute Nacht.

      Die ganze Versammlung erhob sich mit einem gewaltigen Geräusch von rollenden Stühlen und zurückgeschobenen Tischen.

      »Laßt allmälig die ganze Gesellschaft weggehen,« sagte Mazarin leise zu Ludwig XIV., »und wollt mir sodann einige Minuten bewilligen. Ich mache eine Angelegenheit ab, über die ich noch diesen Abend mit Eurer Majestät zu sprechen wünschte.«

      »Und die Königinnen?« fragte Ludwig XIV.

      »Und der Herr Herzog von Anjou,« sagte Seine Eminenz.

      Zu gleicher Zeit drehte er sich nach dem Bettgang, dessen Vorhänge rasch herabfielen. Der Cardinal hatte jedoch seine Verschwörer nicht aus dem Blick verloren.

      »Herr Graf von Guiche,« sagte er mit schetternder Stimme, während er hinter dem Vorhang den Schlafrock anzog, den ihm Bernouin reichte.

      »Hier, Monseigneur,« antwortete der junge Mann sich nähernd.

      »Nehmt meine Karten, Ihr habt Glück . . . Gewinnt mir ein wenig das Geld von diesen Herren.«

      »Ja, Monseigneur.«

      Der junge Mann setzte sich an den Tisch, von dem sich der König entfernte, um mit den Königinnen zu sprechen.

      Es begann eine ziemlich ernste Partie zwischen dem Grafen und mehreren reichen Höflingen.

      Philipp plauderte indessen über Putzsachen mit dem Chevalier von Lorraine, und man hörte hinter den Vorhängen des Alkoven das Rauschen des seidenen Schlafrocks von Mazarin nicht mehr.

      Seine Eminenz war Bernouin in das an das Schlafzimmer stoßende Cabinet gefolgt.

       XXVI.

      Staatsangelegenheiten

      Als der Cardinal in sein Cabinet kam, fand er den Grafen de la Fère, der, seiner harrend, voll Bewunderung einen sehr schönen Raphael betrachtete, welcher über einem mit goldenem Geschirr beladenen Credenztisch hing.

      Seine Eminenz kam sachte, leicht und schweigsam wie ein Schatten, um gleichsam die Physiognomie des Grasen zu überrumpeln, wie er es zu thun pflegte, denn er errieth seiner Behauptung nach aus der einfachen Beschauung des Gesichtes eines Sprechenden, was das Resultat der Unterredung sein würde.

      Doch diesmal täuschte sich Mazarin in seiner Erwartung. Er las durchaus nichts im Gesicht von Athos, nicht einmal die Ehrfurcht, die er in andern Gesichtern zu lesen gewohnt war.

      Diese Nuance entging der schlauen Eminenz nicht. Mazarin war zu sehr mit den Menschen vertraut, um nicht in der kalten, beinahe hochmüthigen Höflichkeit von Athos ein Anzeichen von Feindseligkeit zu erblicken, was nicht die gewöhnliche Temperatur des Treibhauses war, das man den Hof nennt.

      Athos war schwarz mit einer einfachen silbernen Stickerei gekleidet. Er trug den heiligen Geist, das Hosenband und das goldene Vließ, drei Orden von solcher Bedeutung, daß nur ein König allein oder ein Schauspieler sie vereinigen konnte.

      Mazarin suchte lange in seinem etwas gestörten Gedächtniß, um den Namen zu finden, den er diesem eisigen Gesicht geben sollte, doch es gelang ihm nicht.

      »Ich habe gewußt, es würde mir eine Botschaft von England zukommen,« sprach er endlich.

      Und er setzte sich und entließ Bernouin und Brienne, der als Secretaire die Feder zu fuhren bereit war.

      »Von Seiner Majestät dem König von England, ja, Eure Eminenz.«

      »Ihr sprecht das Französische sehr rein für einen Engländer, mein Herr,« sagte Mazarin freundlich, während er beständig durch seine Finger den Orden vom heiligen Geist, das Hosenband, das goldene Vließ und besonders das Gesicht des Boten betrachtete.

      »Ich bin kein Engländer, sondern ein Franzose, Herr Cardinal,« erwiederte Athos.

      »Es ist eigenthümlich, daß der König von England Franzosen zu seinen Botschaftern wählt, und ich betrachte dies als ein gutes Vorzeichen . . . Wollt mir Euren Namen sagen, mein Herr.«

      »Graf de la Fère,« antwortete Athos, sich weniger verbeugend, als es das Ceremoniel und der Stolz des allmächtigen Ministers heischten.

      Mazarin bewegte leicht die Achseln, als wollte er sagen: »Ich kenne diesen Namen nicht.«

      Athos verzog keine Miene.

      »Und Ihr kommt, um mir zu eröffnen, mein Herr . . . « fuhr Mazarin fort.

      »Ich kam im Auftrag Seiner Majestät des Königs von Großbritannien, um dem König von Frankreich zu verkündigen . . . «

      Mazarin faltete die Stirne.

      »Um dem König von Frankreich zu verkündigen. Seine Majestät König Karl II. habe glücklich den Thron seiner Väter wieder bestiegen.«

      »Ihr habt ohne Zweifel Vollmachten?« fragte Mazarin mit kurzem, zänkischem Ton.

      »Ja . . . Monseigneur.«

      Dieses Wort Monseigneur kam mühsam über die Lippen von Athos; es war, als preßte er es zu sehr zusammen.

      Athos zog aus einer Tasche von gesticktem Sammet, die er unter seinem Wamms trug, eine Depeche.

      Der Cardinal streckte die Hand aus.

      »Verzeiht, Monseigneur,« entgegnete Athos, »meine Depeche ist für den König.«

      »Da Ihr Franzose seid, mein Herr, müßt Ihr wissen, was ein erster Minister am Hof von Frankreich bedeutet.«

      »Es gab eine Zeit, wo ich mich in der That mit dem, was die ersten Minister bedeuten, beschäftigte! doch ich habe schon vor mehreren Jahren den Beschluß gefaßt, nur noch mit dem König zu verhandeln.«

      »Dann werdet Ihr weder den Minister, noch den König sehen,« sagte Mazarin, der ärgerlich zu werden anfing, und stand auf.

      Athos schob seine Depeche wieder in die Tasche, verbeugte sich ernst und machte einige Schritte nach der Thüre. Diese Kaltblütigkeit brachte Mazarin außer sich.

      »Was für ein sonderbares diplomatisches Verfahren!« rief er; »sind wir noch in der Zeit, wo uns Herr Cromwell Kriegsknechte in Form von Geschäftsträgern schickte? Es fehlt Euch nichts, mein Herr, als die Pickelhaube auf dem Kopf und die Bibel am Gürtel.«

      »Mein Herr,« erwiederte Athos trocken, »ich habe nie wie Ihr Gelegenheit gehabt, mit Herrn Cromwell zu verhandeln, und ich habe seine Geschäftsträger nur mit dem Schwert in der Hand gesehen; ich weiß folglich nicht, wie sie mit ersten Ministern verhandelten. Was aber den König von England Karl II. betrifft, so weiß ich, daß, wenn er an Seine Majestät König Ludwig XIV. schreibt, der Brief nicht an Seine Eminenz den Cardinal Mazarin gerichtet ist; in dieser Unterscheidung sehe ich keine Diplomatie.«

      »Ah!« rief Mazarin, indem er sein abgemagertes Haupt erhob und mit der Hand an den Kopf schlug, »ich erinnere mich nun.«

      Athos

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