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Euch, Madame,« sagte Montalais und bot Frau von Saint-Remy einen Stuhl an, den sie so stellte, daß sie dem Schrank den Rücken zuwandte.

      »Ich danke, Fräulein Aure, ich danke; kommt geschwinde, meine Tochter, wir wollen gehen.«

      »Wohin soll ich denn gehen, Madame?«

      »Nach Hause; müßt Ihr nicht Eure Toilette vorbereiten?«

      »Wie beliebt?« fragte Montalais, die schleunigst die Erstaunte spielte, so sehr befürchtete sie, Louise könnte eine Unvorsichtigkeit begehen.

      »Ihr wißt also die Neuigkeit nicht?« fragte Frau von Saint-Remy.

      »Welche Neuigkeit sollen zwei Mädchen in diesem Taubenschlag erfahren, Madame?«

      »Wie! . . . Ihr habt Niemand gesehen?«

      »Madame, Ihr sprecht in Räthseln, und Ihr laßt uns am kleinen Feuer sterben!« rief Montalais, die, als sie Louise immer bleicher sah, nicht mehr wußte, welchem Heiligen sie sich weihen sollte.

      Endlich gewahrte sie bei ihrer Freundin einen sprechenden Blick, einen von jenen Blicken, welche eine Mauer verstehen würde. Louise bezeichnete ihrer Freundin den Hut, den unglücklichen Hut von Raoul, der sich auf dem Tisch breit machte.

      Montalais warf sich davor, ergriff ihn mit ihrer linken Hand, schob ihn hinter sich und verbarg ihn gänzlich, während sie sprach.

      »Nun,« sagte Frau von Saint-Remy, »es ist ein Courier eingetroffen, der die nahe bevorstehende Ankunft des Königs meldet. Da, meine Fräulein, handelt es sich darum, schön zu sein!«

      »Geschwinde, geschwinde!« rief Montalais, »folgt, Eurer Frau Mutter, Louise, und laßt mich mein Ceremonienkleid zurecht richten.«

      Louise stand auf; ihre Mutter nahm sie bei der Hand und führte sie auf den Ruheplatz.?

      »Kommt,« sagte sie.

      Und ganz leise:

      »Wenn ich Euch verbiete, zu Montalais zu gehen, warum geht Ihr doch zu ihr?«

      »Madame, es ist meine Freundin. Uebrigens kam ich so eben.«

      »Hat man Niemand in Eurer Gegenwart sich verbergen lassen?« »Madame!«

      »Ich habe einen Männerhut gesehen, den von dem Burschen, von dem Taugenichts!« »Madame!« rief Louise.

      »Von dem nichtsthuerischen Malicorne! Ein Ehrenfräulein so besuchen . . . pfui!«

      Und die Stimmen verloren sich in den Tiefen der kleinen Treppe.

      Montalais hatte nicht das Geringste von diesen . Worten verloren, die ihr das Echo wie durch einen Trichter zusandte.

      Sie zuckte die Achseln und sagte, als sie Raoul sah, der, aus seinem Versteck hervortretend, ebenfalls gehört hatte: ’’

      »Arme Montalais! Opfer der Freundschaft! . . . Armer Malicorne! . . . Opfer der Liebe!«

      Sie schwieg, als sie die tragikomische Miene von Raoul gewahrte, der ärgerlich über sich selbst war, daß er an einem Tage so viele Geheimnisse erlauert hatte.

      »Oh l mein Fräulein,« sagte er, »wie soll ich Euch für Eure Güte erkenntlich sein?«

      »Wir werden unsere Rechnung eines Tags ordnen,« erwiederte sie; »für den Augenblick macht Euch aus dem Staub, Herr von Bragelonne, denn Frau von Saint-Remy ist durchaus nicht nachsichtig, und irgend eine Indiscretion von ihrer Seite könnte hier eine für uns Alle sehr ärgerliche Haussuchung herbeiführen. Gott befohlen!«

      »Aber Louise . . . wie erfahren? . . .

      »Geht! geht! König Ludwig XI, wußte sehr wohl, was er that, als er die Post erfand.«

      »Ach!« seufzte Raoul.

      »Und bin ich nicht da, ich, die ich so viel werth bin, als alle Posten des Königreichs? Geschwinde! zu Pferde! Wenn Frau von Saint-Remy wieder heraufkommt, um mir Moral zu lesen, so soll sie Euch nicht mehr hier finden.«

      »Sie würde es meinem Vater sagen, nicht wahr?« murmelte Raoul.

      »Und Ihr würdet gezankt werden! Ah! Vicomte, man sieht wohl, daß Ihr vom Hofe kommt: Ihr seid furchtsam wie der König. Bei Gott! wir in Blois wissen uns besser der Erlaubniß von Papa zu überheben! Fragt Malicorne.«

      Nach diesen Worten schob das Mädchen Raoul an den Schultern vor die Thüre; er schlüpfte am Thorweg hin, fand sein Pferd, schwang sich darauf und sprengte fort, als ob er die acht Leibwachen von Monsieur auf den Fersen hätte.

       IV.

      Der Vater und der Sohn

      Raoul folgte der wohlbekannten, seinem Gedächtniß so theuren Straße, welche von Blois nach dem Hause des Grafen de la Fère führte.

      Der Leser wird uns einer neuen Beschreibung dieses Gebäudes überheben. Er ist in anderen Zeiten mit uns dahin gekommen. Er kennt es. Nur hatten seit der letzten Reise, die wir dahin gemacht, die Mauern eine grauere Farbe und der Backstein harmonischere Kupfertöne angenommen; die Bäume waren größer geworden, und der Baum, der früher seine mageren Arme über die Hecken ausstreckte, warf nun gerundet, buschig, üppig, unter seinen von Saft angeschwollenen Aesten fernhin den dichten Schatten mit Blüthen oder Früchten für den Wanderer aus.

      Raoul erblickte in der Ferne das spitzige Dach, die zwei kleinen Thürmchen, den Taubenschlag in den Ulmen und die Tauben, welche sich beständig im Fluge, ohne ihn je verlassen zu können, um den Backsteinkegel drehten, den süßen Erinnerungen ähnlich, die um eine heitere, reine Seele flattern.

      Als er sich näherte, vernahm er das Geräusch der Kloben, welche unter dem Gewicht schwerer Eimer knarrten; es kam ihm auch vor, als hörte er das schwermüthige Seufzen des Wassers, das in den Brunnen zurückfällt, ein trauriges, unheimliches, feierliches Geräusch, welches das Ohr des Kindes oder des Träumers so trifft, daß es weder das eine, noch der andere mehr vergißt; ein Geräusch, das die englischen Dichter Splass, die arabischen Poeten Gasgachau nennen, und das wir Franzosen, die wir auch gern Dichter sein möchten, nur durch die Umschreibung: Das Geräusch des Wassers, das ins Wasser fällt, bezeichnen können.

      Es war mehr als ein Jahr, daß Raoul seinen Vater zum letzten Mal besucht hatte. Er hatte diese ganze Zeit bei dem Herrn Prinzen zugebracht.

      Nach allen den Bewegungen der Fronde, deren erste Periode wir früher zu erzählen versuchten, hatte sich Louis von Condé öffentlich, feierlich und ohne Rückhalt mit dem Hof versöhnt. Während der ganzen Zeit, welche der Bruch des Herrn Prinzen mit dem König dauerte, bot der Herr Prinz, der längst den Grafen von Bragelonne liebgewonnen hatte, diesem alle Vortheile an, welche einen jungen Menschen blenden können. Getreu seinen Grundsätzen der Loyalität und der Anhänglichkeit an das Königthum, die er eines Tags vor seinem Sohn in den Gruftgewölben von Saint-Denis entwickelt hatte, schlug der Graf de la Fère im Namen von Raoul stets Alles aus. Mehr noch, statt Herrn von Condé bei seiner Rebellion zu folgen, folgte der Vicomte, für den König kämpfend, Herrn von Turenne, Als sodann Herr von Turenne ebenfalls die königliche Sache zu verlassen schien, verließ er Herrn von Turenne, die er es bei Herrn von Condé gemacht hatte. Folge dieser unabänderlichen Linie des Benehmens war, daß, da Turenne und Condé immer nur unter der Fahne des Königs Sieger geblieben, Raoul, trotz seiner Jugend, zehn Siege und nicht eine Niederlage, durch die seine Tapferkeit und sein Gewissen zu leiden gehabt hätten, in das Verzeichniß seiner Dienste eintragen durste.

      Raoul hatte also nach dem Wunsche seines Vaters hartnäckig und passiv dem Glückssterne von Ludwig XIV. gedient, trotz aller Abfälle, welche in jener Zeit endemisch und. man darf wohl sagen, beinahe unvermeidlich waren.

      Als Herr von Condé wieder in Gnade kam, benützte er Alles, und besonders sein Privilegium der Amnestie, um viele Dinge, die ihm bewilligt worden waren, zurückzuverlangen und unter Anderem auch Raoul. In seinem unerschütterlichen, gefunden Beistande schickte der Herr Graf de la Fère Raoul sogleich zu dem Prinzen zurück.

      Ein Jahr war also seit der letzten Trennung des Vaters und des Sohnes abgelaufen; einige

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