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das Herz von Pitou den Haß gekannt, er würde von diesem Augenblick an den Vicomte von Charny gehaßt haben.

      Katharine schaute dem Ballspiel bis zu dem Augenblick zu, wo die Spieler ihren Bedienten riefen, um ihre Röcke anzuziehen. Sie wandte sich sodann zum Tanze, zur großen Verzweiflung von Pitou, der an diesem Tage bestimmt schien, gegen seinen Willen überall hin zu gehen, wohin er ging.

      Herr von Charny ließ nicht auf sich warten. Eine leichte Veränderung in seinem Anzug hatte aus dem Ballspieler einen eleganten Tänzer gemacht. Die Geigen gaben das Signal, und er reichte seine Hand Katharine, indem er sie an die Zusage, die sie ihm geleistet erinnerte.

      Was Pitou empfand, als er den Arm von Katharine sich von dem seinigen losmachen fühlte und er das Mädchen ganz errötend mit seinem Kavalier in den Kreis treten sah, war vielleicht eine der unangenehmsten Empfindungen seines Lebens. Ein kalter Schweiß drang ihm auf die Stirne, eine Wolke zog vor seinen Augen vorüber; er streckte die Hand aus und stützte sich auf das Geländer, denn er fühlte, daß seine Kniee, so kräftig sie auch sein mochten, nahe daran waren, unter ihm zu weichen.

      Katharine hatte dem Anscheine und wohl auch der Wirklichkeit nach keinen Begriff von dem, was in dem Herzen von Pitou vorging; sie war zugleich glücklich und stolz: glücklich, zu tanzen, stolz, mit dem schönsten Kavalier der Umgegend zu tanzen. War Pitou gezwungen gewesen, Herrn von Charny als Ballspieler zu bewundern, so mußte er auch Herrn von Charny als Tänzer Gerechtigkeit widerfahren lassen. In jener Zeit hatte sich die Mode, zu gehen, statt zu tanzen, noch nicht eingeschlichen. Der Tanz war eine Kunst, die einen Teil der Erziehung bildete. Abgesehen von Herrn Lauzun, der der Art, wie er seine erste Courante bei der Quadrille des Königs getanzt, sein Glück zu verdanken hatte, verdankte mehr als ein Kavalier die Gunst, in der er bei Hofe stand, der Art, wie er den Kniebug anspannte und die Fußspitze vorwärts stieß. In dieser Hinsicht war der Vicomte ein Muster an Grazie und Vollkommenheit, und er hätte, wie Ludwig XIV., mit der Aussicht, beklatscht zu werden, auf einem Theater tanzen können, obgleich er weder König noch Schauspieler war.

      Zum zweiten Mal schaute Pitou seine Beine an, und er war genötigt, sich zu gestehen, wenn nicht eine große Veränderung in diesem Teil seiner Person vorgehe, müsse er darauf verzichten, sich um derartige Siege, die Herr von Charny in diesem Augenblick davontrug, zu bewerben.

      Der Kontretanz ging zu Ende; für Katharine hatte er kaum einige Sekunden gedauert, Pitou aber war er wie ein Jahrhundert vorgekommen. Als sie zurückkehrte und den Arm ihres Kavaliers nahm, bemerkte Katharine die Veränderung, die in seiner Physiognomie vorgegangen. Er war bleich; der Schweiß perlte auf seiner Stirne, und eine durch die Eifersucht halb verzehrte Thräne befeuchtete sein Auge.

      »Ah! mein Gott!« sagte Katharine, »was haben Sie denn?«

      »Ach! erwiderte der arme Junge, ich werde es nie wagen, mit Ihnen zu tanzen, nachdem ich Sie mit Herrn von Charny habe tanzen sehen!«

      »Bah! Sie brauchen sich darum nicht zu grämen; Sie werden tanzen, wie Sie können, und es wird mir nicht weniger Vergnügen machen, mit Ihnen zu tanzen.«

      »Ah! Sie sagen das, um mich zu trösten; doch ich lasse mir Gerechtigkeit widerfahren, und es wird Ihnen immerhin mehr Vergnügen machen, mit diesem jungen Adeligen, als mit mir zu tanzen.«

      Katharine antwortete nichts, denn sie wollte nicht lügen; nur bezeigte sie ihm, da sie ein vortreffliches Geschöpf war und zu bemerken anfing, es gehe etwas Seltsames im Herzen des armen Jungen vor, viel Freundschaft; doch diese Freundschaftsbezeigungen konnten ihm seine verlorene Heiterkeit nicht wiedergeben. Der Vater Billot hatte wahr gesprochen: Pitou fing an ein Mensch zu sein – er litt.

      Katharine tanzte noch fünf bis sechs Kontretänze, worunter einen zweiten mit Herrn von Charny. Ohne weniger zu leiden, war Pitou diesmal scheinbar ruhiger. Er folgte mit den Augen jeder Bewegung von Katharine und ihrem Kavalier. Er versuchte es, aus der Bewegung ihrer Lippen zu erraten, was sie sich sagten, und wenn bei den Figuren, die sie ausführten, ihre Hände sich vereinigten, suchte er zu erraten, ob diese Hände nur zusammenkamen oder ob sie, während sie sich vereinigten, sich auch drückten.

      Ohne Zweifel wartete Katharine nur diesen zweiten Kontretanz ab, denn kaum war er beendigt, als das Mädchen Pitou mit ihr nach dem Pachthofe zurückzukehren aufforderte. Nie wurde eine Aufforderung mit größerem Eifer angenommen; doch der Schlag war geschehen, und Pitou, während er Schritte machte, die Katharine von Zeit zu Zeit mäßigen mußte, beobachtete das vollkommenste Stillschweigen.

      »Was haben Sie denn?« fragte Katharine; »und warum sprechen Sie nicht mit mir?«

      »Ich spreche nicht mit Ihnen, Mademoiselle Katharine,« erwiderte Pitou, »weil ich nicht zu sprechen weiß, wie Herr von Charny. Was soll ich Ihnen noch sagen nach all den schönen Dingen, die er Ihnen beim Tanze gesagt hat?«

      »Sehen Sie, wie ungerecht Sie sind, Herr Ange; wir sprachen von Ihnen.«

      »Von mir, und wie dies?«

      »Ah! Herr Pitou, wenn Ihr Gönner sich nicht wiederfindet, wird man wohl einen andern für Sie wählen müssen.«

      »Ich bin also nicht mehr dazu gut, die Schreibereien des Pachthofes zu besorgen? fragte Pitou mit einem Seufzer.«

      »Im Gegenteil, Herr Ange, ich glaube die Schreibereien des Pachthofes sind nicht gut für Sie. Mit der Erziehung, die Sie erhalten haben, können Sie zu etwas besserem gelangen.«

      »Ich weiß nicht, wozu ich gelangen werde, aber ich weiß, daß ich zu nichts gelangen will, wenn ich nur durch den Herrn Vicomte von Charny zu etwas gelangen kann.«

      »Und warum sollten Sie seine Protektion ausschlagen? Sein Bruder, der Graf von Charny, ist, wie es scheint, vortrefflich bei Hofe angeschrieben. Er sagte mir, wenn es Ihnen angenehm sein könnte, so würde er Ihnen einen Platz beim Salzsteueramt verschaffen.«

      »Sehr verbunden,« Mademoiselle Katharine, »doch ich befinde mich, wie ich Ihnen schon gesagt habe, sehr wohl so, wie ich bin, und wenn Ihr Vater mich nicht fortschickt, werde ich im Pachthofe bleiben.«

      »Und warum, des Teufels, sollte ich dich fortschicken?« rief eine gewichtige Stimme, in der Katharine bebend die ihres Vaters erkannte.

      »Mein lieber Pitou,« sagte leise Katharine, »ich bitte Sie, sprechen Sie nicht von Herrn Isidor.«

      »Wie!« antworte doch!

      »Ich weiß nicht,« erwiderte Pitou sehr verlegen, »vielleicht finden Sie mich nicht geschickt genug, um Ihnen nützlich zu sein.«

      »Nicht geschickt genug, während du rechnest wie Bareme, und liesest, um unsern Schulmeister zu korrigieren, der sich doch für einen großen Gelehrten hält! Nein, Pitou, der gute Gott führt in mein Haus die Leute, die bei mir eintreten, und sind sie einmal eingetreten, so bleiben sie, so lange es dem guten Gott gefällt.«

      Pitou kehrte auf diese Versicherung in den Pachthof zurück; aber obgleich dies etwas war, war es doch nicht viel; eine große Veränderung hatte sich in ihm zwischen seinem Abgang und seiner Rückkehr bewerkstelligt; er hatte eines verloren, was sich, ist es einmal verloren, nicht wiederfindet: das war das Selbstvertrauen; Pitou schlief auch gegen seine Gewohnheit sehr schlecht. In seinen schlaflosen Augenblicken erinnerte er sich des Buches von Doktor Gilbert; dieses Buch war hauptsächlich gegen den Adel, gegen die Mißbräuche der privilegierten Klassen, gegen die Feigheit derjenigen, welche sich dem unterwerfen, gerichtet; es kam Pitou vor, als fänge er erst an, alle die schönen Dinge, die er am Morgen gelesen, zu begreifen, und er nahm sich vor, sobald es Tag wäre, für sich allein und ganz leise das Meisterwerk wiederzulesen, das er laut und vor aller Welt gelesen hatte.

      Da aber Pitou schlecht geschlafen hatte, so erwachte er spät. Nichtsdestoweniger beschloß er, seinen Leseplan in Ausführung zu bringen. Es war sieben Uhr; der Pächter sollte erst um neun Uhr zurückkehren; kam er indessen auch zurück, so konnte er einer Beschäftigung, die er selbst empfohlen, nur Beifall spenden.

      Er stieg eine kleine Leiter hinab und setzte sich auf eine Bank unter dem Fenster von Katharine. War es der Zufall, der Pitou gerade an diesen Ort geführt hatte, oder kannte er die beziehungsweisen Situationen dieses Fensters und dieser Bank? So viel ist gewiß, daß Pitou, der wieder seine Werktagskleidung, die man durch eine andere

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