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riet uns an, schweigend alles zu ertragen. Er werde uns für fränkische Heckhims, das heißt für Ärzte ausgeben, die zu einem Fürsten im fernen Osten berufen gewesen seien, ihn zu heilen, und nun mit reichen Geschenken zurückkehrten. Denn der Stand eines Arztes sei der einzige, den diese Menschen noch ein wenig, selbst bei einem Franken, achteten, weil sie abergläubisch seien und glaubten, dass dem Heckhim geheime Mittel zu Gebote ständen, ihnen zu schaden. Da wir nun in der Tat manche Tränkchen Pulver und Pillen in unserer Reiseapotheke bei uns führten, so konnten wir allerdings unter diesen Leuten leicht ein paar Ärzte vorstellen, und wir beschlossen, dem Rate des Armeniers zu folgen. Erst gegen Abend trennten sich Vater und Sohn. Unser Los war es, wie ich bereits erwähnte, mit dem letztern in seine Heimat zu ziehen. Kaschir-Aga ließ uns jetzt noch unsere Waffen; ein Versuch zur Flucht, umgeben von vierzig Kurden wäre ja doch eine Torheit gewesen! Langsam schlugen wir den Weg nach Süden ein, quer über die Berge. Ich beriet mich mit Mr. Hywell, aber wir fanden keinen Trost. Dass Tamir-Aga nicht eingewilligt, uns einen Boten nach Bajazid senden zu lassen, erklärte sich sehr leicht; er fürchtete eine Verfolgung durch türkische Truppen und wollte uns, ehe der Überfall bekannt wurde, nach seinem Gebirge in Sicherheit bringen, wo uns zwar Mond und Sonne bescheinen, die türkische Macht uns aber gar nicht oder nur spät erreichen konnte. So zogen wir denn trübselig dahin, Miss Mary zuweilen Mut einsprechend. Unsere europäischen Diener, die in der Tat bis aufs Hemd ausgeplündert waren, hatten sich in die Leinwand gehüllt, mit welcher unsere Ballen umwickelt gewesen. Aber es waren treue Burschen; ich habe sie weder damals noch später murren hören. Einer stand in meinen Diensten, die drei andern gehörten zu Mr. Hywell. Schon damals sah übrigens der letztere ein, dass gar nichts weiter übrig bleibe, als an einen türkischen Befehlshaber in Bajazid oder Erzerum und an meinen Verwandten in Sinope zu schreiben und dieselben um Vermittelung zu bitten. Dies ist auch, wie ich sogleich erwähnen will, geschehen. Aber entweder haben die abgesandten kurdischen Boten ihr Ziel nicht erreicht, oder sie haben es nicht erreichen wollen, aus Furcht, augenblicklich in Bajazid oder Erzerum gehängt zu werden. Ich will mich nun mit dem Bericht unserer Reise so kurz als möglich fassen und Ihnen nur mitteilen, was für Sie zum Verständnis des Folgenden notwendig ist. Wir übernachteten auf freiem Felde. Kaschir-Aga hatte die Freundlichkeit, Miss Mary und ihren Dienerinnen sein Zelt abzutreten. Wir andern schliefen in unsere Decken gehüllt, unter freiem Himmel. Als ich am andern Morgen durch das Gebet geweckt wurde, das Kaschir-Aga sprach und seine Kurden kniend anhörten, denn bei aller Räuberei sind diese Kurden gute und gläubige Mohammedaner, so wie die Räuber in Spanien und Italien fromme Christen sind – bemerkte ich, dass wir uns auf einem Berge befanden. Ein Dorf war weit und breit nicht zu sehen, und wäre dies auch der Fall gewesen, so hätten wir es doch vermieden; denn die Kurden trauen sich untereinander nicht und der eine bestiehlt den andern, wo er nur kann. Kaschir-Aga wollte uns womöglich unbemerkt nach seiner Heimat führen; da waren wir sicher. Bald darauf ging es zum Aufbruch, nachdem wir zum ersten Mal saure Milch mit gekochter Gerste genossen, ein Gericht, das später meine Lieblingsspeise werden musste, da es nichts anderes gab, ausgenommen höchst selten ein Stück Lamm oder Hammelbraten. Ich war übrigens sehr verdrießlich, denn man hatte in der Nacht mein ganzes Gepäck vom Pferde gestohlen und mir nur den Sattel gelassen; bis dahin hatte ich gehofft, Herr meines notdürftigsten Reisegepäcks zu bleiben, nun aber begriff ich, dass ich bald in denselben Zustand mit unsern Dienern versetzt sein würde. Vorsichtig verbarg ich die Mehrzahl der Goldstücke, die ich besaß, im Stiefel. Meine Wertpapiere und Kreditbriefe nützten mir hier natürlich gar nichts. Ich stand höchst missvergnügt an mein Pferd gelehnt, als ich Mr. Hywell aus dem Zelt treten sah, seine Tochter führend. Miss Mary war verschleiert. Sie ging sehr langsam und schien sich auf ihren Vater zu stützen. Ich fürchtete, Aufregung, Schrecken und Ermüdung hätten ihr eine Krankheit verursacht, und trat ihr unwillkürlich näher. Mr. Hywell kam einer Frage von mir zuvor, indem er den Schleier von dem Gesichte seiner Tochter zurückschlug. Entsetzt blieb ich starr stehen. Die angenehmen und lieblichen Züge der Miss Hywell waren entstellt, ihre Haut mit roten und blauen. fast schwarzen Flecken bedeckt. Ich vermochte kein Wort zu sprechen. Mr. Hywell ließ den Schleier fallen und half seiner Tochter in den Palankin steigen. Dann wandte er sich zu mir. ›Behalten Sie nur Ihr ernstes und bestürztes Gesicht, Wiedenburg!‹ sagte er zu mir. ›Die Sache ist nicht so schlimm, wie sie scheint. Ich habe Mary gebeten, sich Gesicht, Hals und Hände mit einer scharfen Mixtur zu bestreichen, die man zu Arzneizwecken anwendet. Das hat jene Entzündung hervorgerufen, eine Art Ausschlag, der aber sehr ungefährlich ist und bald verschwinden wird, wenn Mary das Mittel nicht weiter anwendet. Sie erraten, weshalb ich es getan habe. Die Orientalen haben einen großen Abscheu gerade vor derartigen Krankheiten; ich denke also, Mary wird vor allen Zumutungen dieses Herrn Kaschir-Aga sicher sein.‹ Ich war sehr beruhigt und lobte ihn wegen seiner Vorsicht. Inzwischen kam der Armenier zu uns und fragte Mr. Hywell im Auftrage des jungen Kurdenhäuptlings, wie es komme, dass er seine Tochter nicht heile, da er doch ein Heckhim sei. Der alte Herr antwortete ihm, er könne diese Krankheit nur heilen, wenn sie einen gewissen Höhepunkt erreicht habe. Bald darauf ging es weiter, dem Hochgebirge zu. Es war kein leichter und angenehmer Marsch, denn wir vermieden die wenigen gebahnten Wege, die es dort geben mag. Acht Tage lang, waren wir unterwegs, und da ich mich allmählich in meine Lage fand, so gewann ich geistige Ruhe genug, um Beobachtungen anzustellen. Es war ein echtes Gebirgsland, dem es nicht an herrlichen und leidlich angebauten Tälern fehlte und das mit einiger Kultur zu einem sehr fruchtbaren Lande umgewandelt werden könnte. Nur ein Zehntel von dem Fleiße und der Gartenbaukunst der Perser wäre den Bewohnern dieses Landes zu wünschen, dann könnte es mit den reichsten Ländern Asiens wetteifern. Die Dörfer, die ich sah, erschienen mir sehr unbedeutend; in die Nähe größerer Städte, obwohl sie dort existieren sollen, kamen wir nicht, weil Kaschir-Aga sie vermied. Zur Rechten sah ich zuweilen den Spiegel des Wansees, dem wir uns einige Male bis aus wenige tausend Schritt näherten. Ich unterhielt mich, so oft es anging, mit dem Armenier, um möglichst viel von ihm über das Land zu erfahren; aber er wusste selbst nicht viel mehr, als was ich aus Reiseberichten kannte. Tatsache ist es, dass nur sehr wenige Europäer bis jetzt in dieses Land vorgedrungen sind. Er erzählte mir manches von den Nestorianern, die von Katholiken und Protestanten für höchst ungläubig gehalten werden, und die sich nicht sehr wesentlich von ihren mohammedanischen Landsleuten unterscheiden. Dass amerikanische Missionäre, die sich in Urmiah in Persien niedergelassen, darauf hinwirkten, die Nestorianer zu protestantisieren, wusste ich bereits. Urmiah war aber doch zu fern um eine schnelle Hilfe oder Vermittlung der Amerikaner hoffen zu lassen, auch wenn es uns gelang, sie zu benachrichtigen. Dennoch richtete ich meine Gedanken im Geheimen auf diese Missionäre und auf die Bergnestorianer, die denn doch am Ende immer Christen, wenn auch von ganz besonderer Art sind. Sie werden jetzt freilich, nachdem vor ungefähr zwanzig Jahren die größere Mehrzahl von den Kurden ermordet worden, als Sklaven behandelt; aber gerade deshalb durfte ich hoffen, dass sie mir beistehen würden, den Kurden einen Streich zu spielen. Freilich hemmte mich überall meine Unkenntnis der Sprache, und dem armenischen Dolmetscher durfte ich nicht unbedingt trauen, da er eine Heidenangst vor den Dolchen und Pistolen der Kurden hatte. Zuletzt kamen wir in ein wahres Alpenland mit schneebedeckten Bergen, die Heimat unseres Kaschir-Aga. Hier vermied er die Dörfer nicht mehr, sondern zeigte im Triumph seine Beute. Gewöhnlich ritt er vorauf, zuweilen würdigte er uns auch der Ehre seiner Gesellschaft und legte uns durch den Dolmetscher Fragen über persische und türkische Verhältnisse vor. Im Ganzen kümmerte er sich jedoch wenig um uns. Der Armenier aber, der sich öfter auf eigene Hand mit ihm unterhielt, sagte uns, Kaschir-Aga sei ein ganz gescheiter Bursche, dessen Absichten darauf hinausgingen, sich von den Türken ganz unabhängig zu machen, das heißt, nicht einmal den Tribut zu zahlen, den die Türkei zuweilen zu erheben pflegte. Dass ich mit Mr. Hywell und Miss Mary ungestört sprechen konnte – unser Armenier verstand kein Englisch, sondern nur ein halb italienisches Französisch – war noch das Beste, sollte aber leider bald aufhören. Wir hatten nun die Heimat Kaschir-Agas erreicht, ein kleines Dorf, dessen Häuser am Abhang eines Berges hingen wie Schwalbennester und ebenso kotig aussehend, aus der Erde hervorragend und wie Maulwurfshöhlen unter derselben fortlaufend. Nur die Häuptlingsfamilie bewohnte ein steinernes und ziemlich geräumiges Gebäude. In diesem letztern wurden Mr. Hywell und seine Tochter einquartiert. Mir wies man die Wohnung eines Kurden zum Aufenthalt an ein Schmutzloch sondergleichen. Indessen auch dagegen härtet sich der Mensch durch Gewohnheit ab. Sie sehen, ich fühle mich ganz wohl in meiner jetzigen Hülle, obwohl ich mit meinen Lumpen und meinem gewachsenen Bart aussehen muss wie das
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