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süß verstohlenen Blick mehr Augen und Herzen hängen blieben, als die blendendste, offen zur Schau getragene Schönheit zu erobern vermochte.

      Das war Etwas, und für den Augenblick war es genug. Ohne mit Bestimmtheit Hoffnungen zu erwecken, die sie zu erfüllen nicht gesonnen war, und doch ohne Einen ihrer zahlreichen Bewerber zu entmuthigen, ging sie ruhig ihren Weg. Einer zieht den Andern an, dachte sie, und der Beste von diesen ist noch immer besser als gar keiner, wenn ich doch endlich zu einer schlechten Wahl schreiten soll.

      Sie hatte tausend kleine Mittel bei der Hand, den Schüchternen die Hoffnung zu erhalten und den Zudringlichen zu beweisen, daß Geduld die Wurzel alles Gelingens sei, und ihre Sittsamkeit leistete ihr treffliche Dienste dabei. Dennoch erfaßte sie manchmal ein Mißbehagen, ein Zorn gegen sich selbst und die Welt – aber es war der Zorn über die weite Ferne des Zieles, das sie sich gesetzt, und das trotz alles Bemühens noch immer von ihr zu weichen schien.

      Endlich ging ein glänzender Stern an dem Horizonte ihrer Hoffnungen auf, und sogleich wurden alle Mittel in Bewegung gesetzt, damit diese Erscheinung keine vorübergehende sei. Niemand sah den Weg, den sie ging; kein Blick, kein Lächeln wurde aufgefangen, das sie nicht jedem Andern eben so süß und hold und verschämt gegönnt, und doch fühlte Derjenige, den es anging, sich mit jedem Tage fester von einem unsichtbaren Zaubernetze umspannt. Er ging und kam zuerst zufällig, dann nach und nach die Häuser suchend, wo er denken konnte sie vielleicht zu sehen; und immer enger fühlte er sich von den unzerreißbaren Fäden umstrickt, und immer häufiger nach einander folgten sich ihre Begegnungen mit ihm, bis sie eines Morgens seine Karte auf dem Schreibtische ihres Vaters fand. Und noch immer hatte kein Mensch, selbst ihr Vater nicht, eine Ahnung von dem großen Werke, das sie so still und heimlich und sicher angelegt.

      Wenn sein Blick so prüfend an ihr hing, da es einem so reizenden Geschöpfe galt, erregte es weiter keine Aufmerksamkeit; der Ernst, der ihm eigen war, schien sogar tiefer geworden in der letzten Zeit, und wenn sie mit so reizendem Erröthen die strahlenden Augen in schüchterner Frage zu ihm ausschlug, und mit so tiefer Ehrerbietung den meist kurzen Antworten lauschte, was war es weiter als die Befangenheit, die einem jungen Gemüthe, dem Uebergewicht an Jahren und Erfahrung gegenüber, so natürlich ist? Weiter dachte man nicht, und kein Mensch sah oder errieth, daß dieser Mann Alles besaß, was für Leonie die Panacee des Lebens war. Was ein jüngeres Gemüth – denn Leonie, obgleich jung an Jahren, war alt im Geiste, älter vielleicht als mancher vielgelebte Greis – was also ein jüngeres Gemüth abgeschreckt hätte, das waren für sie nur Stäubchen auf einem Gemälde, die ihr befriedigtes Auge leicht übersah. Was wollte sie auch mehr? Freilich war er nicht jung, aber wie dankbar würde er in diesem Bewußtsein für jede kleine Aufmerksamkeit sein! Freilich war er nicht schön, aber häßlich im Grunde auch nicht, und eine Frau konnte sich immerhin an seinem Arme sehen lassen und noch den Neid ihrer Gefährtinnen erregen. Von seinem fabelhaften Reichthume hatte Leonie oft genug gehört, und wie viel er beim Könige galt, wußte alle Welt. Selbst ihr Vater mußte sich im Ganzen als befriedigt erkennen; Graf Hoheneck war ein Ehrenmann, und wenn auch nicht von der romantischen Sorte, wie die Phantasie eines jungen Mädchens sie so gerne träumt, in den Augen ihres Vaters konnte das kein großer Fehler sein, und wir wissen es, Leonie hatte nicht viele jugendliche Träume gehabt.

      O wenn der Vater ihm nur den Zutritt gestattet! sagte sie sich, das kleine Blättchen in ihrer Hand um und um besehend, als suche sie darauf die Spur zu finden, welche die mögliche Zukunft ihm vielleicht eingedrückt, und wenn er es auch nicht gestattet, fuhr sie in ihren Gedanken fort, es ließen sich wohl Mittel und Wege finden – wenn nur – an diesem „wenn nur“ blieben ihre Gedanken haften, während sie die Treppe hinunterging und in den Wagen stieg, der ihrer wartete, und alle gewagten Möglichkeiten, welche die verzweifelnde Liebe ersinnt, um zu dem ersehnten Ziele zu gelangen, zogen während der Fahrt nach einander durch Leonieʼs liebeleeren Sinn.

      Aber zu solchen Maßregeln sollte sie nicht getrieben werden. Schon bei der Rückkehr von der Spazierfahrt trat ihr Graf Hoheneck aus dem Hause entgegen. Er verbeugte sich tief und folgte mit den Augen dem feinen, anmuthigen Wesen, das, fast wie ein Hauch, mit kaum merklichem, schüchternem Gruße an ihm vorbeischwebte und, ohne ihn anzusehen, um die Biegung der Treppe verschwand.

      Also hat der Vater ihn angenommen, dachte sie; nun wohl, desto leichter ist der Sieg. Und sie irrte sich nicht, der Sieg war leichter, als sie es geglaubt, denn schon nach einigen Tagen hielt Graf Hoheneck um sie an, und die junge Rechnerin hatte ihr langerstrebtes Ziel erreicht.

      Du bist also seinem Antrage nicht abgeneigt? sagte ihr Vater mit besorgter Miene zu ihr, als sie, ihm gegenüber sitzend, mit ernster Miene und niedergeschlagenen Augen ihn anhörte.

      Durchaus nicht, Papa, was kann ich Besseres erwarten?

      Den Einklang der Jahre. Bedenke, der Graf könnte dein Vater sein!

      Wirklich? mir scheint er nicht so alt.

      Wenn dein Herz trotzdem für ihn spricht, fuhr der Graf mit einem Seufzer fort, so kann ich nichts dagegen haben. Du scheinst ihm große Hoffnungen gegeben zu haben, wenigstens ließ er es mich verstehen. Uebrigens ist er ein Ehrenmann.

      Sein Vermögen soll bedeutend sein, sagte Leonie, mit ihrem Armbande spielend.

      Ich wollte, du hättest andere Gründe, ihm den Vorzug zu geben, versetzte der Graf. Indessen er ist reich. Aber vergiß nicht, daß der Reichthum des Mannes ebensowenig das Glück der Frau sichert, als die Schönheit der Frau jenes des Mannes, wenn nicht ein tieferes Verständniß sie aneinander knüpft.

      O, das weiß ich, sagte Leonie, in ihrem Spiele fortfahrend; aber Sie sagten ja selbst, er sei ein Ehrenmann.

      Ich glaube wenigstens, daß er es ist. Doch das allein ist noch nicht genug, daß du ihn von Herzen lieben kannst, und dazu scheint mir der Graf nicht der Mann zu sein. Ich wollte, du gingest ernstlich mit dir zu Rathe, bevor du ein Bündniß schließest, worauf die ganze Zukunft deines Lebens beruht.

      Der Graf scheint mir alle Eigenschaften zu besitzen, die ich in dem Manne wünsche, den ich heirathen soll. Ich achte ihn und ziehe keinen Anderen vor. Ist das für den Anfang nicht genug? fuhr Leonie mit einer so unschuldigen Miene, daß ihr Vater, der Leser verzeihe uns, sich stark versucht fühlte, ihr eine Ohrfeige zu geben.

      Für den Anfang vielleicht, sagte er ärgerlich, aber wird es immer so bleiben? Der Friede – die Heiligkeit der Ehe, die Bande der Familie beruhen alle auf der Treue der Frau —

      Habe ich in meinem Benehmen eine Spur von Leichtsinn gezeigt, Papa, so bitte ich, es mir zu sagen, damit ich mich ändere, versetzte Leonie auf das Ehrerbietigste.

      Nein, das hast du nicht, sagte der Graf mit einem Seufzer der Entmuthigung; ich wollte fast, du hättest es – dann könnte ich doch wenigstens hoffen – daß – Er hielt inne – Leonie schwieg. – So kann ich dem Grafen also sagen, daß du seinen Antrag annimmst? frug er dann.

      Wenn Sie die Güte haben wollen, Papa, sagte Leonie, sich erhebend; kann ich mich jetzt entfernen?

      Du kannst gehen! und mit einer leichten Handbewegung entließ er sie.

      Endlich! sagte Leonie, als sie den Augenblick danach im Gefühle ihres Triumphes in ihrem Zimmer stand, nun endlich ist das Leben mein, und ich kann es gestalten, wie ich will. Ihre Brust hob sich, ihr Auge leuchtete – sie blieb stehen und versank allmählich in Gedanken.

      Und hatte dieses junge Mädchen, das so ruhig in der ersten Blüte ihres Lebens sich zu einer Convenienz-Heirath entschloß, hatte sie denn gar keine Ahnung von dem Opfer, das sie dem Moloch ihres Ehrgeizes brachte? Hatte denn nie eine Stimme in ihrem Herzen von höheren Freuden gesprochen, als denen, welche die Eitelkeit gewährt?

      O doch! so gar trocken war die Seele doch nicht, die in diesem blütenfrischen jungen Busen schlug. Auch an ihr Herz hatte der Frühling geklopft, und daß sie ihm nicht aufgethan, das war freilich ihre Schuld, aber er war darum nicht minder da gewesen, sie hatte ihn gesehen, und gerade jetzt überlief sie ein warmer Schauer bei der glänzenden Erinnerung. Man sagt von der Liebe, daß sie ein Funke sei, der einschlage und zünde, man wisse nicht wie und woher. Fast so war es Leonien gegangen, und das war eben der eigenthümliche Widerspruch in ihrem Wesen, der ihr fast über Jeden, welcher mit ihr in Berührung kam, eine so schrankenlose Macht verlieh:

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