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Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
Читать онлайн.Название Die Mühle zu Husterloh
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Adam Karrillon
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Sorgen, mein Kind,« sagte Höhrle betreten, »nein, was man Sorgen nennt, die haben wir nicht. Nur so, wie soll ich’s nennen, so kleine Verlegenheiten ab und zu. Doch das wird sich geben, wird sich geben.«
»Vater,« sagte Suse ernst, »dein Aussehen zeugt wider deine Rede. Seit Monaten sehe ich, wie schwer du leidest. Vater, sei barmherzig gegen mich, gegen dich, sprich deinem Kinde von deinem Gram, der Kummer, der nicht spricht, frisst nach dem Herzen, bis es bricht.«
Der Alte wurde weich. Seine Hand suchte die seiner Tochter. Müde sank sein Haupt auf die Schulter des Mädchens nieder. Seine Knie wankten. Suse suchte mit ihm die Bank hinter dem Tische zu erreichen.
Da saßen sie nun, Vater und Tochter. Die Laterne am Durchzug warf ab und zu trübe Lichter auf sie und auf die Tischplatte, die so deutlich zu reden wusste vom Niedergang des Hauses Höhrle. Eifrig plapperte die Mühle, ein leeres Geschwätz. Zwei Menschen, die sich viel zu sagen hatten, fanden keine Worte. Die Tränen, die über Susens Hände niederliefen, sagten viel, und sie waren reichlich, und doch waren sie nur der millionste Teil aller derer, die vergossen wurden in den grausamen Zeiten des Überganges, als der brutale Kapitalismus den Kleinbetrieb erwürgte.
Wie lange sie so, eines am anderen Schutz suchend, gesessen haben, und wie oft sie sich wieder aufgesucht haben, um still zu klagen, wer wollte so indiskret sein und danach fragen. Eines nur ist sicher. Als die Träne im Vaterauge Suse die Gewissheit gegeben hatte, dass sein Gang nach dem Grabe durch viele Leidensstationen führen werde, da beschloss sie, den Schuldbrief ihres eignen Glückes unerbrochen zu lassen und beim Vater auszuharren. Unnachsichtig riss das starke Mädchen, grausam gegen sich, die Liebe aus ihrem Herzen. Der erste Brief, den sie dem Erwählten ihrer Neigung sandte, war auch der letzte.
10. Kapitel
Am Tage nach seiner Ankunft in der Stadt wanderte unser Hans nach dem Gymnasium und nahm als Begrüßung eine Tracht Prügel entgegen, die ihm von Seiten seiner Mitschüler nicht eben kärglich im Schulhof zugemessen wurde. Das war so hier wie wohl auch anderwärts die Art, wie man den Neuling feierlich einweihte, das Heimweih schonend austrieb und in unserem speziellen Falle die Gedanken an eine lichtgrüne Wiese, auf der zwischen buntscheckigem Vieh ein kleines Mädchen herumlief, begehrenswert und lockend wie ein reifer Pfirsich, und doch verehrungswürdig wie eine Heilige. Hans Höhrle hatte schon in früher Stunde noch vor dem Morgengebete an sie gedacht, und als er zur Schule ging, nahm er die Strickleiter mit, weil er das Gefühl hatte, er müsse gleich am ersten Tage für sie und sich einige Sprossen aufwärtssteigen.
Nach ermüdendem Herumstehen auf den Gängen rief ein Glockenzeichen die Jungen in die Klasse. Man setzte sich in die während der Ferien neu gefirnissten Bänke, wie es der Zufall eben wollte. Hans kam zwischen zwei freche Offizierssöhne zu sitzen, die, wie sie sagten, nur eine Nachprüfung abzulegen hatten. Sie machten sich lustig über den etwas unbehilflichen Bauernjungen, fragten ihn, ob es im Odenwald noch Kängurus gäbe, und als er dies verneinte, meinten sie, sie seien auf diesen Verdacht gekommen, weil er so aussehe, als ob er von einem dieser lieblichen Haustiere abstamme. Hans ärgerte sich und griff dem einen nach dem dünnen, durchsichtigen Hälschen, um ihm Respekt vor seiner Person beizubringen, als die Tür aufging, und ein putziges Männlein in sackgrauer Uniform mit einem Paradedegen an der Seite eintrat. Es sah, was vorging, und packte unseren Hans an der Schulter. »Wie heißt du?« herrschte er ihn an. »Hans Höhrle,« war die Antwort. »Hans Höhrle, Hans Höhrle,« wiederholte der Uniformierte, »eine Konsonanz deines Namens haben wir hier in der Klasse. Pass auf, dass nicht ein Röhrle auf dem Höhrle tanzt.«
Jetzt begriff der Knabe, dass er seinen Klassenführer vor sich habe, und war über dessen kriegerisches Aussehen sehr betreten. Derartig herausgeputzt hatte er noch nie einen Lehrer gesehen, und wozu das kleine Männchen sein Schwert gebrauchen sollte, war ihm nicht minder schleierhaft, wie wahrscheinlich dessen Träger selber.
Übrigens stand der Mann in Waffen alsbald gefangen in einer Art Waschzuber, den man Katheder nannte. Er knetete sein Taschentuch in die Form eines Maiskolbens und sägte damit eine Zeitlang unter seiner Nase her, bevor er mit einem Diktat begann. Es herrschte tiefe Stille, und man hörte nur die Federn mit kratzendem Gang über die blauen Zeilen eilen, um einige gewichtig vorgetragenen Sätze festzuhalten. Hans, der am Morgen mit inbrünstigem Gebet einige Heilige ersucht hatte, ihm beizustehen, ging mit gutem Mut und Gottvertrauen an Übersetzung dieser Sätze, und bevor ein weiteres Glockenzeichen vom Turme erklang, war er fertig und lieferte seine Arbeit ab.
Am nächsten Tage erfuhr er, dass er in die Klasse aufgenommen sei, kam aber an deren Schwanz zu sitzen, wo man gewöhnlich die Neulinge unterzubringen pflegte. Gleich von vornherein machte man mit den Letzten wenig Wesens. Man führte den gallischen Krieg, ohne dass sie Kombattanten stellten, und auch den Akkusativ cum Infinitiv konstruierte man ohne ihre Mithilfe. Dies Stillleben war nach Geschmack manch eines, aber es konnte zu nichts Gutem führen, und dauerte auch nicht lange. Eine neue Probearbeit änderte die Dinge. Hans machte sie unter Zuhilfenahme des großen Georges. Manche Schwierigkeit des Diktates ließ sich leicht überklettern, andere bereiteten Kopfzerbrechen, und der Schüler musste die Strickleiter zu Hilfe nehmen. Da kam er aber in ein wahres Labyrinth gelehrter Subtilitäten, wurde von einem Buchstaben zum anderen genarrt, verlor den Überblick und die Zeit. So kam’s, dass er schwitzend und halbfertig dasaß, als die anderen Schüler bereits das Klassenzimmer verlassen hatten. Der Lehrer wurde ungeduldig, drängte, und Hans gab schließlich ab, was er hatte und wie es war. Mit dem beunruhigenden Gefühle, dass er nicht glänzend abgeschnitten haben könne, verließ er das Schulgebäude. Doch es kam noch schlechter, als er sich vorgestellt hatte. Nach Tagen qualvollen Hangen und Bangens erschien das graue Männlein wieder auf dem Katheder und holte einen Pack weißer Bogen unter seinem Philosophenmäntelchen hervor. Im Nu war die ganze Klasse auf den Beinen. Den Schulranzen unterm Arm, in den Taschen das Frühstück, die Feder hinterm Ohr, das Lineal zwischen den Fingern, so stand die Menge marschbereit da, als ob es sich um eine Mobilmachung handle. Die Ungewissheit, was die nächste Minute bringen werde, lag als weiße Schminke auf allen Gesichtern.
Schon las der Lehrer die Namen derer herunter, die gute Arbeiten geliefert hatten. Die erste Bank hatte sich gefüllt, und es ging an die zweite. Wer gerufen wurde, stürzte mit Geschwindschritten nach seinem Platze, als ob ihm dieser wieder entrissen werden könne. Die Zurückbleibenden traten ungeduldig von einem Bein auf das andere und beneideten jene, die in der Nähe der Kathedersonne einen warmen Platz gefunden hatten. Schon war mehr als die Hälfte aller Plätze besetzt und Hans war nicht aufgerufen. Da brachte ihm der Gedanke, er könne überschlagen sein, einigen Trost, und er hielt diesen Strohhalm der Hoffnung mit Polypenarmen fest und fester, je mehr sich die Zahl seiner Leidensgenossen verringerte. Jetzt waren es schon nicht mehr als die Finger einer Hand. Darüber freute sich Hans, denn es wuchs die Aussicht, dass seine Vermutung Gewissheit werden könne. »Der Vorletzte ist Emmerig,« tönte es vom Katheder, »und bedeutend die letzten sind: Hans Höhrle und Ammelung.« Also war der glimmende Funke von Hoffnung vollends erloschen. Hans wankte nach seinem Platze, aber schon war ihm sein Sozius zuvorgekommen, indem er seine Ansprüche auf den vorletzten Sitz mit dem Einwand stützte, dass er im Alphabet weit vor einem Höhrle komme. Diesen glücklichen Umstand nutzte er aus, und Hans akzeptierte, physisch und moralisch vernichtet, den letzten Platz. Er war schlapp wie die Sünde, legte seine Arme kreuzweise auf die Tischplatte und seinen Kopf drauf. Seine Arbeit, die mit roten Strichen durchschossen war, wie ein Studentengesicht nach der Mensur, wurde ihm von irgendeinem unter den Rockärmel geschoben. Er würdigte sie keines Blickes. Seine Gedanken weilten bei Onkel Schütteldich und seinem Ledersofa, und nur zuweilen kehrte Hans in die Gegenwart zurück, um in blinder Wut mit den Füßen auf dem großen Georges herumzutrampeln, der seinen Platz noch unter den beiden am Boden gefunden hatte. Als die zwölfte Stunde schlug, packte ihn der unglückliche Schüler voller Verdrossenheit unter den Arm und schlenderte langsam und nachlässig über den Marktplatz dem Konvikte zu.
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