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der Erbe eines Besitzthums von achttausend Pfund jährlicher Renten!

      Ein zweites Durchlesen des Briefes klärte den Pfarrer und seinen Gefährten über die Einzelheiten auf, die ihnen in der ersten Aufregung entgangen waren. Der Schreiber des Briefes war der Familienanwalt zu Thorpe-Ambrose. Nachdem er Allan davon unterrichtet, daß sein Vetter Arthur im fünfundzwanzigsten, sein Onkel Henry im achtundvierzigsten und sein Vetter John im einundzwanzigsten Lebensjahre gestorben seien, gab der Advokat ihm einen kurzen Auszug aus dem Testament des älteren Mr. Blanchard. Die männlichen Erben waren, wie gewöhnlich unter solchen Verhältnissen, den weiblichen vorgezogen. In erster Linie waren Arthur und dessen männliche Nachkommenschaft, eventuell aber Henry und dessen männliche Nachkommen, beziehentlich die männliche Nachkommenschaft von Henry’s Schwester als Erben eingesetzt, und in Ermangelung solcher Erben sollte die Besitzung an den nächsten männlichen Erben übergehen. Allein das Schicksal hatte es gewollt, daß die beiden jungen Leute, Arthur und John, unvermählt, und Henry Blanchard mit Hinterlassung einer einzigen Tochter gestorben war. Unter diesen Umständen war Allan der in dem Testamente bezeichnete nächste männliche Erbe und somit jetzt der rechtmäßige Eigenthümer der Besitzungen von Thorpe-Ambrose. Nachdem der Rechtsanwalt diese erstaunliche Nachricht gemeldet, bat er, daß Mr. Armadale ihn mit seinen Instructionen beehren wolle, und fügte zum Schlusse hinzu, daß es ihm Vergnügen machen werde, jede fernere Auskunft zu geben, die man etwa noch wünsche.

      Es war unnütz, die Zeit mit Verwunderung über ein Ereigniß zu verlieren, das weder Allan noch seine Mutter je im geringsten für möglich gehalten hatten. Das Einzige, was sofort geschehen mußte, war, nach England zurückzukehren. Am folgenden Tage befanden unsere Reisenden sich abermals in ihrem Hotel in London, und am Tage darauf war die Sache zuverlässigen juristischen Händen übergeben. Es erfolgte das bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Hin- und Herschreiben und Berathschlagen, bis endlich alle einschlagenden Thatsachen festgestellt waren.

      Die seltsame Geschichte der drei Todesfälle war folgende:

      Zur Zeit, wo Mr. Brock an Mrs. Armadale’s Verwandte geschrieben, um ihnen den Tod ihrer Schwester zu melden, also in der Mitte des Januar, bestand die Familie zu Thorpe-Ambrose aus fünf Personen: Arthur Blanchard, dem Besitzer der Güter, welcher mit seiner Mutter in dem großen Hause lebte, und Henry Blanchard, dem Onkel, der als Wittwer mit zwei Kindern, einem Sohne und einer Tochter, sich in der Nachbarschaft aufhielt. Um die Familienbande noch fester zu knüpfen, hatte sich Arthur Blanchard mit seiner Cousine verlobt. Die Hochzeit hatte im nächsten Sommer, wo die junge Dame ihr zwanzigstes Jahr zurücklegte, mit großen öffentlichen Festlichkeiten gefeiert werden sollen.

      Der Monat Februar aber hatte Veränderungen in der Familie herbeigeführt. Mr. Henry Blanchard hatte bemerkt, daß die Gesundheit seines Sohnes zu wanken beginne, weshalb er Norfolk verlassen und ärztlichem Rathe zufolge den jungen Mann mit sich genommen hatte, um das Klima von Italien zu versuchen.

      Anfangs März hatte Arthur Blanchard ebenfalls, doch nur auf ein paar Tage, Thorpe-Ambrose verlassen, da seine Geschäfte seine Anwesenheit in London erforderten. Diese Geschäfte führten ihn nach der City. Da die ewigen Hindernisse in den Straßen auf dem Wege dorthin ihn aber langweilten, kehrte er in einem der Flußdampfboote nach dem Westende zurück; allein unterwegs trug sich Etwas zu, das seinen Tod zur Folge hatte.

      Als nämlich das Dampfboot von der Brücke abstieß, bemerkte er neben sich eine Frau, die beim Besteigen des Schiffes sich durch ein merkwürdiges Zögern bemerklich gemacht hatte und die letzte Person gewesen war, die ihren Platz auf dem Schiffe eingenommen. Sie war sauber in schwarze Seide gekleidet, trug einen gewirkten Shawl und verbarg ihr Gesicht hinter einem dichten Schleier. Arthur Blanchard war von der seltenen Eleganz und Anmuth ihrer Gestalt frappirt und fühlte die flüchtige Neugier eines jungen Mannes, ihr Gesicht zu sehen. Doch sie hob weder ihren Schleier auf, noch wandte sie den Kopf nach seiner Seite um. Nachdem sie ein paarmal zögernd auf dem Verdeck hin und her gegangen war, begab sie sich plötzlich nach dem Hintertheile des Schiffes. Eine Minute später erscholl ein Schreckensruf von dem Mann am Steuer, und die Dampfmaschinen wurden augenblicklich zum Stehen gebracht. Jene Frau war über Bord gesprungen.

      Die Passagiere stürzten alle an den Schiffsrand, um ins Wasser zu schauen; Arthur Blanchard allein sprang, ohne eine Sekunde zu zögern, in den Fluß. Er war ein vortrefflicher Schwimmer und erreichte die Frau, als sie nach dem ersten Sinken wieder an die Oberfläche kam. Hilfe war zur Hand und sie wurden beide sicher ans Ufer geschafft. Die Frau ward nach der nächsten Polizeistation gebracht und erlangte bald ihr Bewußtsein wieder; ihr Retter aber gab, wie dies bei solchen Fällen üblich ist, dem Wache habenden Inspector seinen Namen und seine Adresse an, und dieser empfahl ihm, sofort ein warmes Bad zu nehmen und sich trockene Kleider aus seiner Wohnung holen zu lassen. Arthur Blanchard, der seit seiner Kindheit nie eine Stunde krank gewesen, lachte über den Rath und kehrte in einem Fiaker zurück. Allein am folgenden Tage war er bereits zu krank, um der Untersuchung vor Gericht beizuwohnen, und vierzehn Tage darauf war er todt.

      Die Nachricht von diesem Unglücke erreichte Henry Blanchard und seinen Sohn in Mailand; binnen einer Stunde nach Empfang derselben befanden sie sich auf dem Heimwege nach England. Der Schnee auf den Alpen war in diesem Jahre früher als gewöhnlich von der Sonne erweicht worden, und es war bekannt, daß die Pässe im höchsten Grade gefährlich seien. Vater und Sohn, die in ihrer eignen Equipage reiften, begegneten auf dem Gebirge der umkehrenden Post, welche die Briefe durch Fußboten weiter gesandt hatte. Warnungen, die unter gewöhnlichen Umständen ihre Wirkung geübt haben würden, wurden jetzt von den beiden Engländern unbeachtet gelassen. Ihre Ungeduld, nach dem Unglücke, das ihre Familie getroffen, wieder zu Hause zu sein, wollte sich keinem Verzuge fügen, und die reichen Belohnungen, die sie den Postillons versprachen, verlockten diese, die Reise fortzusetzen. Der Wagen fuhr weiter und war bald im Nebel verschwunden. Derselbe ward erst wiedergesehen, als er aus der Tiefe eines Abgrundes hervor gegraben wurde, wo eine Lavine ihn ereilt hatte; Menschen, Pferde, Equipage lagen in einer entsetzlichen Masse da.

      In dieser Weise waren die drei Menschenleben vom Tode dahingerafft worden. Und so hatte der selbstmörderische Sprung, den eine Frau in den Fluß gethan, Allan Armadale zu dem Besitze der Güter von Thorpe-Ambrose verholfen.

      Wer war jene Frau? Der Mann, der ihr das Leben rettete, erfuhr es nie. Der Richter, der sie zurückschickte, der Kaplan, der sie ermahnte, der Zeitungsberichterstatter, der ihr Bild in der Zeitung brachte – sie alle erfuhren es nie. Es ward mit Verwunderung von ihr gemeldet, daß sie, obgleich wohlgekleidet, sich in Noth zu befinden vorgegeben. Obgleich sie die tiefste Zerknirschung gezeigt, hatte sie doch einen Namen als den ihrigen angegeben, der augenscheinlich ein falscher war; sie hatte ferner eine alltägliche Geschichte über sich erzählt, die ebenso offenbar eine Erfindung war, und endlich hatte sie jeden Aufschluß über ihre Angehörigen verweigert. Eine Dame, die zu einer Mildthätigkeitsanstalt gehörte, hatte, durch ihre außerordentliche Eleganz und Schönheit für sie eingenommen, sich erboten, sie unter ihren Schutz zu nehmen und zu einer besseren Sinnesart zu bringen. Allein die Erfahrung, die man am ersten Tage mit der reuigen Sünderin gemacht hatte, war nichts weniger als ermuthigend, und die des zweiten entscheidend gewesen. Sie hatte die Anstalt heimlich verlassen, und obgleich der Geistliche derselben, der ein besonderes Interesse an dem Falle genommen, alles Mögliche aufbot, um sie wieder aufzufinden, so waren seine Bemühungen doch völlig erfolglos geblieben.

      Während diese nutzlose Untersuchung, die auf Allan’s ausdrückliches Verlangen angestellt ward, vor sich ging, hatten die Rechtsanwälte die vorläufigen Formalitäten in Bezug auf den Antritt der Erbschaft zum Abschluß gebracht. Es blieb jetzt nichts weiter zu thun übrig, als daß der neue Herr von Thorpe-Ambrose bestimmte, wann er sich persönlich auf dem Gute niederlassen wolle, dessen rechtmäßiger Besitzer er jetzt geworden war.

      Da er in dieser Angelegenheit nothwendigerweise seiner eigenen Führung überlassen war, entschied Allan nach seiner gewohnten übereilten, großmüthigen Weise über dieselbe. Er weigerte sich entschieden, Besitz zu nehmen, ehe Mrs. Blanchard und ihre Nichte, denen es bisher aus Höflichkeitsrücksichten gestattet gewesen war, in ihrem alten Hause zu verweilen, sich von dem Schlage erholt haben würden, der sie getroffen, und sich wieder in der Stimmung befanden, ihre Pläne für die Zukunft festzustellen. Dieser Erklärung Allan’s folgte eine Privatcorrespondenz in der er unumschränkte Anerbietungen über alles machte, was

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