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Waffe noch gelber gefärbtem Gesicht und in den rauhen Gewändern, die ihre mageren Glieder umhüllten, kaum menschlich erscheinenden Gestalt, schien sie eine von bösen Geistern zum Spott gegen die Majestät der menschlichen Form geschaffene Mißgestalt, – eine verkörperte Satyre alles Beklagenswerthesten in der Gebrechlichkeit und Abstoßendsten im Alter zu sein.

      In dem Augenblicke, wo sie Hermanrich sah, streckte sie ihren Körper noch weiter über das Schild hervor, deutete nach dem Innern des Wagens und mnrmelte leise das furchtbare, ausdrucksvolle Wort:

      »Todt!«

      Ohne auf weitere Erklärung zu warten, stieg der junge Gothe auf das Fuhrwerk und sah, als er an die Seite der Matrone gelangte, auf ihren Kräuterbündeln ausgestreckt, in der schönen erhabenen Stille des Todes – die Leiche von Goiswinthen’s letztem Kinde.

      »Ist Hermanrich erzürnt?« winselte die Vettel vor dem festen, vorwurfsvollen Blicke des jungen Mannes zusammenzuckend. »Ich log, als ich sagte, daß Brunhild größer sei als Hermanrich. Hermanrich ist mächtiger als sie! Schau, die Verbände sind auf die Wunden gelegt worden und sollen nicht, wenn auch das Kind gestorben ist, die versprochenen Schätze mir zu Theil werden? Ich habe gethan, was ich konnte, aber meine Geschicklichkeit beginnt, mich zu verlassen, denn ich bin alt – alt – alt! Ich habe mein Geschlecht vorübergehen sehen! Aha, ich bin alt, Hermanrich, ich bin alt!«

      Als der junge Krieger das Kind erblickte, sah er, daß die Alte die Wahrheit gesprochen hatte und das Kind nicht durch ihre Schuld gestorben sei. Das Gesicht des Knaben war bleich und heiter und zeigte, wie ruhig sein Tod gewesen war. Die Verbände waren geschickt angefertigt und sorgfältig auf seine Wunden gelegt worden, aber Leiden und Entbehrungen hatten den schwachen Widerstand der menschlichen Kräfte auf dem Wege nach dem letzten, gefürchteten Ziele vernichtet und die Hinterlist des kaiserlichen Rom’s wieder gesiegt, wie sie es gewohnt war – über ein Kind gesiegt!

      Als Hermanrich mit der Leiche herabstieg, war Goiswintha beim Betreten des Bodens der erste Gegenstand, welchen seine Augen erblickten. Die Mutter nahm ihm seine leblose Last wortlos und thränenlos ab. Die Ausströmung ihrer frühern, liebevollern Natur, welche der Schluß der Erzählung ihrer Leiden hervorgerufen hatte, war von nun an durch den Tod ihres letzten Kindes auf ewig in ihr erloschen.

      »Seine Wunden hätten den« Knaben zum Krüppel gemacht,« sagte der junge Mann düster, »er hätte nie mit unsern Kriegern kämpfen können! Unsere Väter tödteten sich selbst, wenn sie keine Kraft mehr zum Kampfe besaßen; besser für ihn, daß er gestorben ist.«

      »Rache!« stöhnte Goiswintha, dicht an seine Seite gedrängt. »Wir wollen Rache für das Blutbad von Aquileja nehmen! Wenn in den Palästen von Rom das Blut strömt, so erinnere Dich an meine hingewordeten Kinder und eile nicht, Dein Schwert in die Scheide zu stecken.«

      In diesem Augenblicke hörte man, wie, um die bereits auf dem Gesichte des jungen Gothen erweckte grimmige Entschlossenheit noch weiter zu befestigen, die Stimme Alarich’s dem Heer den Befehl, zum Vorrücken geben. Hermanrich fuhr auf und zog das racheglühende Weib mit sich zum Könige hin. Dort stand vollständig gewaffnet und durch seine höhere Gestalt über die ihn umgebende Menge hervorragend, der gefürchtete Anführer der gothischen Heerschaaren. Sein Helm war zurückgeschoben, so daß er seine über die ihn umgebende Menge strahlendem hellen, blauen Augen sehen ließ, er deutete mit dem Schwerte gen Italien und als Glied vor Glied seine Leute die Waffen ergriffen und sich jubelnd zum Marsche fertig machten, öffneten sich seine Lippen zu einem Triumphlächeln, und ehe er sich aufmachte, um sie zu begleiten, sprach er:

      »Krieger der Gothen, unsere Rast im Gebirge ist nur kurz gewesen, aber die Müden mögen darüber nicht klagen, denn der ruhevolle Rastort, welcher nach unsern Mühseligkeiten unserer wartet, ist Rom. Es ist unser Vorrecht, den Fluch Odins, als er sich in der Kindheit unsers Volkes vor den Myriaden des Kaiserreiches zurückzog, zu erfüllen! Uns ist es vorbehalten, den künftigen Untergang, womit er Rom bedrohte, zu bewerkstelligen! Erinnert Euch an Eure Geißeln, die die Römer ermorden, Eure Besitzungen, deren sich die Römer bemächtigt, Euer Vertrauen, welches die Römer verrathen haben! Erinnert Euch, daß ich, Euer König, in mir den übernatürlichen Antrieb fühle, welcher nie täuscht, und der mir mit aufmunternder Stimme zuruft: – Rücke vor und, das Kaiserreich ist Dein! Versammle Deine Krieger, und die Stadt der Welt soll den erobernden Gothen anheimfallen. Wir wollen ohne Zögern vorwärts eilen! unsere Beute erwartet uns! – unser Sieg ist nicht mehr fern, unsere Rache naht sich!«

      Er schwieg, und in diesem Augenblicke gab die Trompete das Zeichen zum Marsch.

      »Auf auf!« rief Hermanrich, indem er Goiswintha’s Arm ergriff und auf den Wagen zeigte, der schon anfing sich zu bewegen. »Bereite Dich zur Reise, ich will für das Begräbniß des Kindes sorgen. Noch ein Paar Tage und unser Lager kann vor Aquileja sein. Sei geduldig, ich werde Dich in den Palästen Rom’s rächen.«

      Die mächtige Masse bewegte sich. Die Menge breitete sich aus über den unfruchtbaren Boden, und jetzt sahen die Krieger im Nachtrab der Armee Diejenigen, die an der Spitze derselben die letzte Reihe von Pässen erstiegen: welche zwischen den Ebenen Italien’s und den Gothen lag.

      Kapitel II

      Der Hof

      Der Reisende, der den gewöhnlichen Weg der Touristen im heutigen Italien so weit verläßt, daß er die Stadt Ravenna besucht, erinnert sich mit Erstaunen, wenn er ihre stillen und melancholischen Straßen durchschreitet, und Weinberge und Sümpfe über eine Ausdehnung von vier Meilen zwischen dem adriatischen Meere und der Stadt ausgebreitet sieht, daß dieser jetzt halb verödete Ort einst die volkreichste der römischen Festungen war, und daß da, wo sich jetzt Felder und Wälder den Augen darbieten, einst die Flotten des Reiches sicher vor Anker lagen, und der Kaufmann von Rom seine kostbaren Ladungen am Thore seines Lagerhauses ausschiffte.«

      Als die Macht Rom’s abnahm, fing das adriatische Meer seltsamer Weise an, die Festung, deren Schutz es bisher gebildet hatte, zu verlassen. Gleichzeitig mit der stufenweisen Entartung des Volkes trat das allmählige Zurückziehen des Ozeans von den Stadtmauern ein, bis sichgn Anfange des sechsten Jahrhunderts schon da, wo einst der Hafen des August war, ein Pinienhain zeigte.

      Zur Zeit unsrer Geschichte waren, obgleich das Meer schon damals sichtlich zurückgetreten war, die Gräben um die Mauern noch gefüllt, und die Kanäle liefen noch beinahe in derselben Art, wie sie jetzt Venedig durchschneiden, durch die Stadt.

      An dem Morgen, den wir jetzt beschreiben wollen, war der Herbst, seit dem im vorhergehenden Kapitel erwähnten Ereignissen, nur einige Tage vorgeschritten. Obgleich die Sonne jetzt hoch am Osthimmel stand, gab doch die Unruhe, welche die Hitze hervorbrachte, einigen Müßiggängern von Ravenna den Muth, der Schwüle der Atmosphaire in der eiteln Hoffnung Trotz zu bieten, daß sie eine Brise vom adriatischen Meere begrüßen würde, wenn sie die seewärts gelegenen Walle der Stadt erstiegen. Als sie die beabsichtigte Höhe erreicht hatten, wandten diese hoffenden Bürger das Gesicht mit fruchtloser verzweifelnder Sorgfalt nach jeder Weltgegend; aber kein Lufthauch kam, um ihre Ausdauer zur belohnen. Nichts konnte die unverminderte Allgemeinheit der Hitze vollkommener andeuten, als die Aussicht nach allen Richtungen hin von der Stellung her, welche sie inne hatten. Die steinernen Häuser der Stadt hinter ihnen glänzten mit einer, die stärksten Augen überwaltigenden, blendenden Helle. Die leichten Vorhänge hingen unbeweglich über den einsamen Fenstern. Kein Schatten unterbrach die glänzende Einförmigkeit der Mauern, oder milderte das Flimmern auf dem Wasser der Fontänen unter ihnen. Keine Welle bewegte die Oberfläche des breiten Kanals, welcher jetzt den alten Hafen ersetzte, kein Windhauch entfaltete die ausgedörrten Segel der verlassenen Schiffe am Quai; über den fernen Marschen hing sein heißer, zitternder Dunst, und in den Weinbergen bei der Stadt bewegte sich nicht ein Blatt an seinen schlanken Stengeln. Auf der Seeseite lag der glühende Sand weit ausgestreckt und eben da und jenseits desselben dehnte sich der weiße Ozean, wogenlos, träge und in eine Fluth blendenden Glanzes aufgelöst, bis zu dem wolkenlosen Horizonte, der die sonnenhelle Aussicht begrenzte.

      In der Stadt selbst, in den Straßen, wo die hohen Häuser dunkle Schatten auf die breiten Steine der Straße warfen, konnte man hier und dort die Gestalten einiger Sklaven sehen, die an der Mauer schliefen oder träge über die Fehler ihrer Herren schwatzten. Manchmal war

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