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Wächtern befand sich Einer, der auf mich, die Augen der Begierde warf. Eine Nacht nach der andern ergoß er seine Bitten in mein unwilliges Ohr, denn er glaubte in seiner Eitelkeit und Schamlosigkeit, daß ich, eine Gothin und die Gattin eines Gothen, von ihm, der nur römischen Geblüts war, gewonnen werden könne! Bald ging er von Bitten zu Drohungen über und eines Nachts erschien er mit Lächeln vor mir und rief, daß Stilico, dessen Wunsch es war, mit den Gothen Frieden zu schließen, für seine Hingebung an unser Volk die Todesstrafe erlitten, daß die Zeit des Verderbens für uns Alle nahe, und daß er, den ich verschmähe, allein im Staude sei, mich vor dem Zorne Rom’s zu bewahren.

      »Nach diesen Worten näherte er sich mir, aber ich, die ich mich schon auf vielen Schlachtfeldern befunden hatte, fühlte keine Furcht vor der Aussicht auf Krieg und ich trieb ihn mit Hohnlachen von mir.

      »Jetzt erschien mein Feind einige Nächte hindurch nicht wieder vor mir. Eines Abends aber, als ich mit dem Kinde, welches Du gesehen hast, auf der Terrasse vor dem Hause saß, fiel plötzlich ein Helmschmuck vor meinen Füßen nieder und eine Stimme rief aus dem Garten unter mir herauf:

      »Priulf, Dein Gatte, ist von den Kriegern Rom’s im Streite erschlagen worden! Schon sind die Legionen, bei denen er gedient hat, nach der Stadt unterwegs, denn das Gebot ist ergangen, die Geißeln umzubringen. Sprich nur ein Wort und ich kann Dich noch jetzt retten!

      »Ich blickte auf den Helmschmuck, er war blutig und es war der Seine! Auf einen Augenblick zuckte mir das Herz, als ich an den Krieger, den ich geliebt hatte, dachte. Dann, als ich hörte, wie sich der Todesbote unter Verwünschungen aus seinem Versteck im Garten entfernte, entsann ich mich, daß jetzt meine Kinder nur noch ihre Mutter hatten, um sie zu vertheidigen, und daß die Feinde ihres Geschlechts ihnen Gefahr bereiteten. Außer dem Kleinen auf meinem Arme besaß ich noch zwei, die im Hause schliefen. Als ich mich verwirrt und verzweifelt umschaute, um zu sehen, ob wir noch Aussicht auf Entrinnen besäßen, ertönte durch die Abendstille das Schmettern einer Trompete und auf der Straße unter mir erschallte der Schritt Gewaffneter. Jetzt erhob sich aus allen Theilen der Stadt zu gleicher Zeit im gleichen Augenblicke das Kreischen von Weibern und das Geschrei von Männern. Als ich nach den Betten meiner Kinder stürzte, hatten die Dämonen Rom’s bereits die Treppen erstiegen und schwangen im blutigen Triumph ihre dampfenden Schwerter. Ich gelangte an die Treppe, und als ich aufblickte, warfen sie mir die Leiche meines jüngsten Kindes herab. O Hermanrich! Hermanrich! es war das schönste und geliebteste von allen. Was, wie die Priester sagen, Gott für uns sein soll, das war der lieblichste von meinen Sprößlingen für mich!

      »Als ich es verstümmelt und todt sah ich, die ich es kaum eine Stunde vorher an meiner Brust in den Schlaf gewiegt hatte! – verließ mich mein Muth, und als die Mörder auf mich eindrangen, schwankte ich und fiel. Ich fühlte wie die Schwertspitze meinen Hals verwundete, ich sah den Dolch über dem Kinde in meinen Armen blitzen, ich hörte den Todesschrei des letzten Opfers oben, und dann verließen mich die Sinne und ich vermochte nichts mehr zu hören, mich nicht mehr zu regen!

      »Ich muß lange bewegungslos am Fuße jener Treppe gelegen haben, denn als ich aus meiner Ohnmacht erwachte, war der Lärm in der Stadt verstummt und der Mond schien mild vom Firmamente herab aus das öde Haus. Ich lauschte, um sicher zu sein, daß ich mich mit meinen gemordeten Kindern allein befinde. Ich vernahm in der Wohnung keinen Laut, die Mörder hatten sich entfernt, in dem Glauben, daß ihr Blutwerk zu Ende sei, als ich unter ihren Schwertern fiel; und ich konnte mich ungefährdet zu dem letzten meiner Kinder schleppen, welches von den Römern erschlagen worden war. Das Kleine an meiner Brust athmete noch. Ich stillte mit von meinen Kleidern abgerissenen Stücken die Blutung seiner Wunden, legte es sanft neben der Treppe im Mondschein nieder, damit ich sehen konnte, wenn es sich bewegte, und fühlte mich im Schatten der Mauer zu dem erstgemordeten Jüngstgeborenen, zu dem Jüngsten und Schönsten meiner Kinder, das sie vor meinen Augen geschlachtet hatten, hin! Als ich den Körper berührte, war er vom Blute schlüpfrig, ich befühlte sein Gesicht und es war kalt, ich erhob es in meinen Armen und seine Glieder waren bereits im Tode erstarrt! Dann dachte ich an das älteste Kind, welches todt oben im Zimmer lag; aber meine Kräfte verließen mich schnell. Ich hatte ein Kind, welches noch gerettet werden konnte und wußte, daß, wenn der Morgen mich noch in dem Hause erblickte, alle Aussicht des Entrinnens mir für immer benommen war. Ich nahm also das todte und das verwundete in meine Arme, obgleich mir das Herz erstarrte, daß ich die Leiche meines ältesten Kindes in der Gewalt der Römer lassen mußte, und begab mich in den Garten und von dort nach dem an der See liegenden Theile der Stadt.

      »Ich schritt durch die verlassenen Straßen. Zuweilen stieß ich an die Leiche eines Kindes, zuweilen erblickte ich im Mondscheine das dem Himmel zugewendete todtenbleiche Antlitz eines Weibes meiner Nation, das ich geliebt hatte; aber ich eilte weiter, bis ich an die Mauer der Stadt gelangte und hörte, wie sich außerhalb derselben die Meereswellen auf dem ebenen Strande brachen.

      »Ich blickte um mich. Die Thore waren, wie ich wußte, geschlossen und bewacht. Die Mauer bot mir die einzige Aussicht auf Rettung. Aber ihr Gipfel war hoch und die Seiten glatt. Verzweifelnd und ermattet legte ich meine Last an einer dunkeln, versteckten Stelle nieder und that einige Schritte vorwärts, denn das Stehenbleiben war eine Qual, die ich nicht ertragen konnte. In geringer Entfernung sah ich einen Soldaten, an ein Haus gelehnt, schlafen. Neben ihm stand unter einem Fenster eine Leiter. Als ich aufschaute erblickte ich den Kopf einer Leiche, der auf der Spitze derselben lag. Das Opfer konnte erst vor Kurzem getödtet sein, denn sein Blut tröpfelte noch langsam in ein neben dem Soldaten stehendes Weingefäß.

      »Als ich die Leiter sah, lebte die Hoffnung in mir wieder auf, ich trug sie an die Mauer, ich stieg»empor und legte mein todtes Kind auf die breiten Steine auf ihrer Spitze – ich kehrte zurück und legte meinen verwundeten Knaben neben die Leiche. Langsam und mit großer Anstrengung zog ich die Leiter herauf, bis das eine Ende durch seine eigne Last auf der andern Seite niederfiel. Eben so wie ich herausgekommen war, stieg ich auch wieder hinab. Ich höhlte im Sande eine Grube aus und legte den Leichnam meines Kindes hinein, denn ich konnte die Last Beider nicht mehr tragen; dann schleppte ich mich mit meinem verwundeten Knaben in eine weiterhin an der Küste liegende Höhle. Dort lag ich den ganzen folgenden Tag verborgen – allein mit meinem Körperleiden und meiner Herzenspein – bis die Nacht herabsank und ich meine Reise nach dem Gebirge antrat, denn ich wußte, daß zu Aemona, im Lager der Krieger meines Volkes, meine einzige Zufluchtsstätte auf Erden war. Schwach und langsam, bei Tage versteckt und bei Nacht reisend, schleppte ich mich weiter, bis ich an den See im Gebirge gelangte, wo mich die Vorhut des Heeres fand und vom Tode errettete.«

      Sie schwieg. Während des letzten Theiles ihrer Erzählung war ihre Haltung ruhig und trübe gewesen und sie verweilte mit dem peinlichen Nachdruck des Kummers bei jedem einzelnen Umstande, der sich auf die von ihr erlittenen Verluste bezog; ihre Stimme sänftigte sich zu den Tönen stiller Wehmuth, welche den einfachsten Worten Eindringlichkeit verleihen und die schwankendsten Laute wohlklingend machen. Es schien, als ob die zarteren, liebevolleren Empfindungen, welche die Reize ihrer Kinder einst in ihrem Herzen geweckt hatten, von der Erinnerung wieder in ihr belebt worden seien, während sie bei dem Berichte von ihrem Tode verweilte. Sie blickte eine Zeitlang fest und forschend in das halb von ihr abgewendete Gesicht Hermanrich’s, welches eine dessen edeln Zügen unnatürliche wilde, rachsüchtige Düsterkeit zeigte, dann kehrte sie sich von ihm hinweg, begrub ihr Gesicht in den Händen und machte keinen weitern Versuch, seine Aufmerksamkeit zu erregen, oder ihn zur Antwort aufzufordern.

      Das feierliche Schweigen des unglücklichen Weibes und des brütenden Mannes hatte einige Minuten gedauert, als eine rauhe, zitternde Stimme von dem Wagen her rief:

      »Hermanrich! Hermanrich!«

      Anfangs blieb der junge Mann von den mißtönigen, abstoßenden Lauten unberührt; sie wiederholten seinen Namen jedoch so oft und ausdauernd, daß er endlich darauf achtete und plötzlich, wie über die Unterbrechung unmuthig auffahrend, nach der Seite des Wagens schritt, von welcher die geheimnißvolle Aufforderung zu kommen schien.

      Als er aufblickte, schwieg die Stimme»und er sah, daß die Alte, welcher er das Kind anvertraut, Diejenige war, welche ihn vor wenigen Augenblicken so hastig gerufen. Ihr in Bärenfelle gehüllter, zitternder Körper war über einen großen dreieckigen Schild von polirtem Erz gelehnt, auf welchen sie ihre dürren, verschrumpften Arme stützte. Ihr Kopf zitterte

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