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aus der Straße.

      Der schwarze Mann folgte mir, selbst gefolgt von seinem Hunde und in seiner Hand seinen Stock haltend.

      Beim Scheine der Laternen schien es mir, er werfe mir einen schlimmen Blick zu.

      Dann sprach er zu mir mit düsterer Stimme, im dem er mit dem Ende seines Stockes aus die Rue du Val-de-Grace deutete: .

      »Gehen Sie rechts.«’

      Und er rief seinen Hund zurück, der, mich mit einer empörenden Indiskretion beriechend, – als ob das beste Stück meiner Person in einem gegebenen Momente ihm gehören sollte, – mir einen Blick zuwarf, welcher das Seitenstück zum Blicke seines Herrn bildete, und sich von mir entfernte; alsdann verschwanden Herr und Hund links, während ich mich gegen rechts wandte.

      Vor dem Gitter angelangt, blieb ich stehen.

      Durch die Gitterstangen tauchte mein Blick in die mysteriösen Tiefen dieses Gartens, welchen zu besichtigen mir endlich gestattet ward. Es war ein seltsames Schauspiel, melancholisch, anbetungswürdig, allerdings ein wenig düster, aber unaussprechlich ergreifend. Der Mond, der so eben ausgegangen war und in seiner ganzen Pracht glänzte, setzte aus die Stirne der großen Baume etwas wie eine Krone von Opal, von Perlen und von Diamanten; die hohen Gräser funkelten Smaragden ähnlich; die Glühwürmer sandten, da und dort in den Tiefen des Waldes zerstreut, den Veilchen, den Moosen und dem Epheu ihre bläulichen Scheine zu; bei jedem Winde kamen endlich, wie aus den Wäldern Asiens, tausend unbekannte Wohlgerüche und tausend geheimnißvolle Geräusche hervor, welche die Bezauberung der Augen durch die Wollust des Gehörs und des Geruchs vervollständigten.

      Welche Glückseligkeit mußte es für den Dichter sein, der, Paris mitten in Paris entschlüpfend, das Recht hatte, Tag und Nacht in diesem Zauberlande zu lustwandeln!

      Ich war in diese stumme Betrachtung versunken, als sich ein Schatten zwischen mich und das magische Schauspiel, das ich vor den Augen hatte, zu stellen schien.

      Es war mein schwarzer Mann, der durch das Innere gegangen war und am Gitter erschien.

      »Wollen Sie immer noch herein?« fragte er.

      »Mehr als je!« antwortete ich.

      Und nun entstand ein Geräusch von Riegeln, die man zog, von eisernen Stangen, die man aushob, von Ketten, die man entrollte, ein Geklirr von altem Eisenwerk, ziemlich ähnlich dem der eisenbeschlagenen Gefängnißthüren, die man schwerfällig hinter dem Gefangenen niederfallen läßt.

      Doch das war nicht Alles: als der schwarze Mann diese verschiedenen Operationen, welche bei ihm ein tiefes Studium der Schlosserei beurkundeten, vollendet hatte; als er die Thüre von allem Geräth, das sie verbarricadirte, befreit hatte, und ich mich. indem ich mit meinen ungeduldigen Händen an die Gitterstangen drückte, anstemmte, um sie auf ihren Angeln rollen zu machen, da weigerte sich das Gitter völlig, trotz der Anstrengungen, die der schwarze Mann selbst vollbrachte, trotz des Gebells des Hundes, – den man hörte, ohne ihn zu sehen, und der wirklich unsichtbar blieb, so maßlos hoch waren die großen Gräser.

      Der schwarze Mann wurde zuerst müde; ich, ich hätte bis zum nächsten Morgen fortgearbeitet.

      »Kommen Sie an einem andern Tage,« sagte er zu mir.

      »Warum dies?«

      »Weil ein Berg von Erde vor der Thüre ist, und man diesen vorher wegräumen muß.«

      »Räumen Sie ihn weg.«

      »Wie, ich soll ihn heute Abend wegräumen?«

      »Allerdings; da Sie früher oder später dieses Geschäft verrichten müssen, so ist es besser, sie thun es sogleich.«

      »Sie haben also große Eile?«

      »Ich reise morgen auf drei Monate ab.«

      »Dann lassen Sie mir Zeit, eine Haue und einen Spaten zu holen.«

      Und er verschwand mit seinem Hunde unter dem dichten Schatten, den die Riesenbäume um sich her verbreiteten.

      In der That, hatte nun der Westwind seit langen Jahren an die Thüre Staubwolken getrieben und der fallende Regen einen Mörtel daraus gemacht, oder war es eine einfache Aufquellung des Bodens, es hatte sich jenseits des Gitters, auf der

      Seite des Gartens, ein Hügelchen von ungefähr achtzehn Zoll Höhe gebildet, das durch das große, an den eisernen Gitterstangen emporsteigende Gras verborgen war.

      Nach einem Augenblicke kam der schwarze Mann mit einer Haue zurück. Durch das Gitter und mit den riesigen Verhältnissen, die meine Einbildungskraft, in ihrer Exaltation, den gewöhnlichen Dingen gab, machte er auf mich den Eindruck eines mit seiner Framea bewaffneten Galliers; es war nur die rußschwarze Oberhaut, was der Aehnlichkeit schadete.

      Er fing an die Erde aufzuhacken; so oft sein Werkzeug wieder niederfiel, stieß er eine Art von Seufzer aus, ähnlich denen, welche die Bäcker von sich geben, und von denen ihr Name geindres15 herrührt.

      Das war die Zeit, wo Löwe Weimars Hoffmann übersetzt hatte; ich hatte den Kopf voll von den Geschichten: das Majorat, Kater Murr, die Cremoneser Geige; ich war überzeugt, ich schwimme mitten in einer Fantasiewelt.

      Nach einigen Augenblicken hörte der schwarze Mann zu arbeiten auf, stützte sich auf seine Haue, und sagte zu mir:

      »Nun ist es an Ihnen.«

      »Wie, an mir?«

      »Ja . . . Drücken Sie.«

      Ich gehorchte dieser Aufforderung, und drückte und stieß mit den Händen und den Füßen an die Thüre; sie machte noch einen Augenblick Umstände, endlich aber entschloß sie sich und öffnete sich plötzlich, und zwar so heftig, daß sie den schwarzen Mann an die Stirne schlug und ins Gras niederwarf.

      Der Hund, der ohne Zweifel diesen Unfall für eine Kriegserklärung nahm, fing an wüthend zu bellen und war ganz bereit, auf mich loszustürzen.

      Ich schickte mich zu einer doppelten Vertheidigung an; denn ich bezweifelte nicht, sobald er aufgestanden, werde der schwarze Mann mich mit allem Ungestüm angreifen. Doch zu meinem großen Erstaunen gebot aus der Tiefe des Grases, wo er begraben lag, mein Führer dem wüthenden Thiere Schweigen, stand murmelnd: »Es ist nichts!« wieder auf und erschien an der Oberfläche des Grases.

      Wenn ich sage an der Oberfläche, so sage ich die reine Wahrheit; denn als sich der schwarze Mann, mich einladend, ihm zu folgen, wieder in Marsch setzte, hatten wir das Gras bis am Halse. Der Boden krachte unter meinen Füßen, mir schien, ich gehe auf Kastanienhülsen; es war sicherlich über der Erde eine wenigstens einen Fuß dicke Lage von Moos, dürren Blättern und Epheu.

      Ich wollte aufs Gerathewohl in das Dickicht eindringen, als mich mein Führer zurückhielt.

      »Einen Augenblick Geduld!« sagte er.

      »Was gibt es denn noch?« fragte ich.

      »Man muß die Thüre schließen, wie mir scheint.«

      »Unnöthig, da wir sogleich wieder hinausgehen werden.«

      »Man geht nicht hier hinaus,« antwortete mir der schwarze Mann, indem er mir einen Blick zuwarf, der mich in meiner Tasche suchen machte, ob ich nicht irgend eine Waffe darin fände.

      Natürlich fand ich keine Waffe.

      »Und warum geht man nicht hier hinaus?« fragte ich.

      »Weil das die Eingangsthüre ist.«

      Dieses Argument, so unbestimmt es war, befriedigte mich: ich war entschlossen, das Abenteuer bis zum Ende zu verfolgen.

      Nachdem die Thüre geschlossen war, setzten wir uns wieder in Marsch.

      Er schien mir in jenen undurchdringlichen Urwald einzudringen, von dem man den Kupferstich aus den Boulevards sieht: nichts fehlte dabei, nicht einmal der liegende Baum, der als Brücke dient, um über die Schlucht zu passieren. Die Epheu schossen wie Furien vom Fuße der Bäume empor und fielen dann hängend und zerzaust wieder in den Raum. Zwanzig Windepflanzen umschlangen sich, krümmten

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<p>15</p>

Le geindre heißt der Oberbäckerknecht; geindre heiß ächsen, wimmern.