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Herr Jackal, sagen Sie mir zwei Dinge . . . «

      »Mit großem Vergnügen, lieber Herr Salvator.«

      »In welcher Absicht haben Sie diesen Paß vorbereitet?«

      »Das ist das erste von den zwei Dingen, die Sie mich zu fragen haben?«

      »Ja.«

      »Ei! in der Absicht, Ihnen angenehm zu sein.«

      »Ich danke . . . Wie haben Sie nun gewußt, Sie werden mir angenehm sein, wenn Sie einen Paß aus den Namen von Herrn Dominique Sarranti ausfertigen lassen?«

      »Weil Herr Dominique Sarranti Ihr Freund ist, so weit ich es an dem Tage, wo Sie ihn am Bette von Herrn Colombau trafen, beurtheilen konnte.«

      »Sehr gut! Doch wie haben Sie errathen, er sei im Begriffe, eine Reise zu machen?«

      »Ich habe es nicht errathen: er hat es selbst Seiner Majestät gesagt, als er sie um einen Aufschub von fünfzig Tagen bat.«

      »Er hat Seiner Majestät aber nicht gesagt, wohin er gehe.«

      »Oh! ein schöner Witz, lieber Herr Salvator! Herr Dominique Sarranti verlangt einen Aufschub von fünfzig Tagen vom König, um eine Reise von dreihundert fünfzig Meilen zu machen. Wie weit ist es nun von Paris nach Rom? Dreizehnhundert Kilometer auf der Straße von Siena, vierzehnhundert dreißig Kilometer auf der Straße von Perugia; die mittlere Summe ist also dreihundert fünfzig Meilen. Mit wem kann es Herr Sarranti unter den Umständen, in denen er sich befindet, zu thun haben? Mit dem Papste, denn er ist Mönch: der Papst ist der König der Mönche; und Ihr Freund will es in Rom versuchen, den König der Mönche für seinen Vater zu interessieren, damit er den König von Frankreich um seine Begnadigung bitte; das ist das Ganze, lieber Herr Salvator. Ich könnte Sie glauben lassen, ich sei ein Zauberer; ich will Ihnen lieber ganz einfach die Wahrheit sagen. Sie sehen nun, der Erste der Beste hätte, von Deduction zu Deduction fortschreitend , die Sache so geschickt als ich zu ihrem Ziele geführt. Herr Dominique hat mir also nur noch in Ihrem und in seinem Namen zu danken und nach Rom abzureisen.«

      »Nun wohl,« sagte Salvator, »das wird er sogleich thun.«

      Sodann den Mönch rufend:

      Mein lieber Dominique, hier ist Herr Jackal bereit, Ihre Danksagungen zu empfangen.«

      Der Mönch näherte sich, dankte Herrn Jackal, und dieser nahm die Complimente von Dominique mit derselben Treuherzigkeit und Einfachheit hin, die er während der ganzen Scene zur Schau gestellt hatte.

      Die zwei Freunde verließen die Präfectur.

      Sie machten stillschweigend ein Hundert Schritte.

      Nach hundert Schritten blieb der Abbé Dominique stehen, legte seine Hand auf den Arm seines nachdenkenden Begleiters und sagte:

      »Ich bin unruhig, mein Freund.«

      »Ich auch,« erwiderte Salvator.

      »Die Zuvorkommenheit dieses Polizeimannes scheint mir nicht natürlich.«

      »Mir auch nicht . . . Doch lassen Sie uns weiter gehen; ohne Zweifel folgt man uns und bespäht uns.«

      »Welches Interesse glauben Sie, daß er gehabt hat, um so meine Reise zu erleichtern?« fragte der Abbé der Ermahnung von Salvator gehorchend.

      »Ich weiß es nicht, doch ich glaube wie Sie, daß er eines gehabt hat.«

      »Glauben Sie an das, was er Ihnen von seinem Wunsche, Ihnen angenehm zu sein, gesagt hat?«

      »Ei! mein Gott, das ist streng genommen möglich: es ist ein seltsamer Mensch, der zuweilen, man weiß nicht warum, noch wie, von Gefühlen erfaßt wird, die seinem Stande nicht anzugehören scheinen. In einer Nacht, als ich durch die verlorenen Quartiere der Stadt zurückkehrte, hörte ich in einer von jenen Straßen, welche keinen oder vielmehr einen sehr unglücklichen Namen haben, – ich hörte am Ende der Rue de la Tuerie13, in der Nähe der Rue de la Vieille-Lanterne, dumpfe Schreie. Ich bin immer bewaffnet, – Sie müssen begreifen, warum, Dominique; ich eilte nach der Seite, wo ich das Geschrei hörte. Ich sah von der schmutzigen Treppe herab, welche von der Rue de la Tuerie nach der Rue de la Vieille-Lanterne führt, einen Mann, der sich mit Händen und Füßen zwischen drei Männern wehrte, die ihn durch die offene Thüre einer Abzucht nach der Seine zu schleppen suchten. Ich nahm mir nicht die Zeit, die Treppe hinabzusteigen: ich schlüpfte unter dem Geländer durch, und ließ mich auf die Straße fallen. Ich war zwei Schritte von der Gruppe; Einer von denen, welche sie bildeten, machte sich davon los und sprang mit aufgehobenem Stocke auf mich zu. Er rollte in demselben Augenblicke von einem Pistolenschusse getödtet in die Gosse. Bei diesem Anblicke, beim Lärmen des Schusses entflohen die zwei anderen Männer, und ich befand mich allein mit dem, welchem mich die Vorsehung auf eine so wunderbare Weise zu Hilfe geschickt hatte. Es war Herr Jackal. Ich kannte ihn damals nur dem Namen nach, – wie ihn Jedermann kennt. Er sagte mir, wer er sei, und wie er sich hier befinde: er sollte eine Haussuchung in einem schlechten Garni vornehmen, das in der Rue de la Vieille-Lanterne ein paar Schritte von der Treppe, liegt; da er eine Viertelstunde vor seinen Agenten ankam, so hielt er sich am Gitter der Abzucht verborgen, als sich plötzlich das Gitter öffnete und drei Männer über ihn Herfielen. Diese drei Männer waren gleichsam die Abgeordneten aller Diebe und aller Mörder von Paris, welche geschworen hatten, sich des Herrn Jackal zu entledigen, dessen Beaufsichtigung eine Geißel für sie war. Und in der That, sie waren im Begriffe, ihr Versprechen zu halten und sich von ihm zu befreien, als ich zu ihrem Unglücke, und besonders zum Unglücke von dem, welcher zu meinen Fußen röchelte, Herrn Jackal zu Hilfe kam . . . Seit jenem Tage hat Herr Jackal eine gewisse Dankbarkeit für mich und leistet mir, mir und meinen Freunden, alle die kleinen Dienste, die er mir leisten kann, ohne seine Pflicht als Ches der Sicherheitspolizei zu verletzen.«

      »Es ist also in der That möglich, daß er die Absicht gehabt hat, Ihnen angenehm zu sein,« sagte der Abbé Dominique.

      »Das ist möglich: doch lassen Sie uns in mein Haus gehen: Sehen Sie jenen trunkenen Menschen: er folgt uns von der Rue de Jerusalem an: sobald wir jenseits der Thüre sind, wird er seinen Rausch verloren haben.«

      Salvator zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Gangthüre, ließ Dominique vorangehen, und schloß die Thüre wieder hinter sich.

      Roland hatte seinen Herrn gerochen: die zwei jungen Leute fanden auch den Hund im ersten Stocke und Fragola Salvator vor der Thüre ihrer Wohnung erwartend.

      Das Mittagsbrod stand bereit, denn die Zeit war unter diesen verschiedenen Ereignissen verlaufen, und es hatte sechs Uhr geschlagen.

      Obschon ernst, war das Gesicht der beiden Männer doch ruhig. Es war also nichts wirklich Aergerliches vorgefallen.

      Fragola befragte Salvator mit dem Blicke.

      »Alles geht gut,« erwiderte dieser mit einem Halblächeln.

      »Der Herr Abbé erweist uns die Ehre, unser Mahl zu theilen?« sagte Fragola.

      »Geben Sie mir nun Ihren Paß, mein Bruder,« sprach Salvator.

      Der Mönch zog aus seiner Brust den zusammengefalteten Paß.

      Salvator entfaltete den Paß, untersuchte ihn sorgfältig, drehte ihn hin und her, jedoch ohne etwas Verdächtiges zu bemerken.

      Endlich hielt er ihn an eine Fensterscheibe.

      In der Durchsichtigkeit des Papiers erschien ein Buchstabe, der in jeder andern Lage, als in der, in welche Salvator das Papier gebracht hatte, unsichtbar gewesen wäre.

      »Sehen Sie?« sagte Salvator.

      »Was?« fragte der Abbé.

      »Dieser Buchstabe.«

      Und er deutete mit dem Finger auf den Buchstaben.

      »Ein S

      »Ja, ein S; begreifen Sie?«

      »Nein.«

      »Ein S ist der erste Buchstabe des Wortes surveillance14«

      »Nun?«

      »Nun,

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<p>13</p>

Metzelei Straße.

<p>14</p>

Überwachung.