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in mir habe, hätte können besser angewendet werden? Habe ich von den Fähigkeiten, mit denen mich Gott begabt, den besten Gebrauch gemacht, den ich davon machen konnte, und wenn ich mir eine Ausgabe vorgesetzt, habe ich sie auch gut vollbracht? Antworte mir, mein Dominique.«

      Zum zweiten Male sank Dominique, vor seinem Vater aus die Kniee.

      »Mein edler Vater,« sagte er, »ich kenne keinen Menschen unter dem Himmel, der redlicher und edelmüthiger, als Sie es gethan, seine Kräfte im Dienste einer Sache verwendet hat, die ihm gerecht und gut schien; ich kenne keine höhere Rechtlichkeit, als Ihre Rechtlichkeit, keine uneigennützigere Ergebenheit, als Ihre Ergebenheit. Ja, mein edler Vater, Sie haben Ihre Ausgabe aus dem Gesichtspunkte erfüllt, aus dem Sie sich dieselbe auferlegt hatten, und die Zelle, in der wir zu dieser Stunde sind, ist das materielle Zeugniß Ihrer Seelengröße und Ihrer erhabenen. Selbstverleugnung.«

      »Meinen Dank, Dominique,« antwortete Sarranti; »und tröstet mich etwas über den Tod, so ist es der Gedanke, daß mein Sohn das Recht hat, stolz aus mein Leben zu sein. Ich werde Dich also, mein einziges Kind, ohne Gewissensbisse, ohne Bedauern verlassen. Und ich hatte doch noch Kräfte im Dienste des Vaterlands; ich war kaum, – mir scheint das wenigstens heute so, – ich war kaum bei der Hälfte meiner Ausgabe, und ich glaubte, – in einer dunklen Ferne, welche zu erreichen mir aber möglich gewesen wäre, – den leuchtenden Strahl eines besseren Lebens, etwas wie die Befreiung meines Vaterlands, und, wer weiß? vielleicht in Folge der Befreiung meines Vaterlands die Befreiung der Nationen zu erschauen!«

      »Ah! mein Vater!« rief der Abbé, »ich stehe Sie an, verlieren Sie diesen leuchtenden Strahl nicht aus dem Blicke: denn das ist die Feuersäule, welche Frankreich nach dem gelobten Lande führen soll. Mein Vater, hören Sie mich an, und Gott lege die Ueberredung in den Mund seines demüthigen Dieners.«

      Herr Sarranti strich mit der Hand über seine feuchte Stirne, als wollte er sie von den materiellen Wolken befreien, welche seine Gedanken verdunkeln und das Wort seines Sohnes bis in seinen Geist zu gelangen verhindern konnten.

      »Hören Sie also nun mich an, mein Vater: Sie haben so eben mit einem einzigen Worte die sociale Frage erleuchtet, der die edlen Menschen, wer sie auch sein mögen, ihr Leben weihen: der Mensch und die Idee

      Die Augen aus seinen Sohn geheftet, machte Herr Sarranti ein Zeichen der Beistimmung.

      »Der Mensch und die Idee. Alles liegt hierin, mein Vater. Der Mensch, in seiner Hoffart, glaubt der Herr der Ideen zu sein, während im Gegentheile die Idee Gebieterin des Menschen ist. Die Idee, o mein Vater, ist die Tochter Gottes, und Gott hat ihr, um ihr ungeheures Werk zu vollbringen, die Menschen als Werkzeuge gegeben . . . hören Sie das wohl, mein Vater: ich werde manchmal dunkel.

      »Durch die Periode der Zeiten strahlt die Idee wie eine Sonne, die Menschen verblendend, die ihren Gott daraus gemacht haben. Sehen Sie dieselbe geboren werden, wo der Tag geboren wird: da, wo die Idee ist, ist das Licht: in allem Uebrigen ist die Nacht.

      »Als die Idee über dem Ganges erschien und hinter der Kette des Himalaya ausging, jene Urcivilisation, von der wir nur noch Traditionen bewahrt haben, jene Ahnstädte erleuchtend, von denen wir nur. noch die Trümmer kennen, da strahlten ihre Flammen um sie und beleuchteten zugleich mit Indien alle benachbarten Nationen: nur war die Intensität des Lichtes da, wo die Idee war. Aegypten, Persien, Arabien waren in der Halbtinte: die übrige Welt in der Dunkelheit: Athen, Rom, Carthago, Cordova, Florenz und Paris, diese zukünftigen Herde, diese zukünftigen Leuchtthürme waren noch nicht aus der Erde hervorgegangen, und man wußte noch nicht einmal etwas von ihrem Namen.

      »Indien vollbrachte sein Werl der patriarchalischen Civilisation. Diese Mutter des Menschengeschlechts, welche als Symbol die Kuh mit den unversiegbaren Eutern angenommen hatte, reichte den Ecepter Aegypten, seinen dreihundert Namen, seinen dreihundert und dreißig Königen und seinen sechsundzwanzig Dynastien. Man weiß nicht, wie lange Indien gedauert hat: Aegypten dauerte dreitausend Jahre. Es erzeugte Griechenland: nach der patriarchalischen Regierung und der theokratischen Regierung die republikanische Regierung. Die antike Gesellschaft hatte die heidnische Vollkommenheit erreicht.

      »Dann kam Rom, Rom, die privilegierte Stadt, wo die Idee Mensch werden und über die Zukunft herrschen sollte . . . – Mein Vater, verbeugen wir uns Beide: ich will den Namen des Gerechten aussprechen, der nicht nur für die Gerechten starb, die man nach ihm opfern sollte, sondern auch für die Schuldigen: mein Vater, ich spreche den Namen Christi aus.«

      Sarranti neigte das Haupt: Dominique bekreuzte sich.

      »Mein Vater, in dem Augenblicke, wo der Gerechte seinen letzten Ausruf von sich gab, rollte der Donner, zerriß der Vorhang im Tempel, öffnete sich die Erde . . . Dieser Spalt, der von einem Pole zum andern ging, war der Abgrund, der die alte Welt von der neuen trennte. Alles war wiederanzufangen, Alles war neu zu machen: man hätte glauben sollen, Gott, der Unfehlbare, habe sich getäuscht, hätte man nicht, von Stelle zu Stelle, wie an seinem eigenen Lichte angezündete Leuchtthürme, die großen Vorläufer erkannt, die man Moses, Aeschylos, Plato, Sokrates, Virgil und Seneca nennt.

      »Die Idee hatte vor Jesus Christus ihren antiken Namen: Civilisation, gehabt: sie hatte nach Jesus Christus ihren modernen Namen: Freiheit. In der heidnischen Welt war die Freiheit nicht nöthig für die Civilisation: sehen Sie Indien, sehen Sie Aegypten, sehen Sie Arabien, sehen Sie Persien, sehen Sie Griechenland, sehen Sie Rom. In der christlichen Welt gibt es keine Civilisation ohne Freiheit; sehen Sie Rom, Carthago, Granada fallen, sehen Sie den Vatican geboren werden . . . «

      »Mein Sohn,« fragte Sarranti mit einer Art von Zweifel, »ist der Vatican wirklich der Tempel der Freiheit?«

      »Er war es wenigstens bis zu Gregor VII. . . . Ah! mein Vater, hier muß man abermals den Menschen von der Idee trennen! Die Idee, die den Händen des Papstes entwischt, geht in die Hände von König Ludwig dem Dicken über, welcher vollendet, was Gregor VII. begonnen hat. Frankreich wird Rom fortsetzen; in diesem Frankreich, das kaum das Wort Gemeinde stammelt; in diesem Frankreich, dessen Sprache sich bildet, bei welchem die Leibeigenschaft aufgehoben werden wird, in diesem Frankreich werden sich fortan die Geschicke der Welt debattieren. Rom hat nur noch den Leichnam Christi: Frankreich hat sein Wort, seine Seele, – die Idee! . . . Seht sie sich erheben unter dem Namen Gemeinde. Gemeinde, das heißt Volksrechte, Demokratie, Freiheit!

      »O mein Vater, die Menschen glauben, sie benützen die Ideen, während im Gegentheile es die Idee ist, welche die Menschen benützt.

      »Hören Sie, mein Vater, denn in dem Augenblicke, wo Sie Ihr Leben Ihrem Glauben opfern, muß man Licht machen um diesen Glauben, damit Sie wohl sehen, ob die von Ihnen angezündete Fackel Sie dahin geführt hat, wohin Sie gehen wollten.«

      »Ich höre,« erwiderte der Verurteilte, indem er seine Hand an seine Stirne drückte, als wollte er sie verhindern, vor der Minerva zu zerspringen, die er ganz gerüstet unter dem Gewölbe seines Gehirnes sich bewegen fühlte.

      »Die Ereignisse sind verschieden,« fuhr der Mönch fort, »doch die Idee ist dieselbe. Nach der Gemeinde kommen die Pastoureaux; nach den Pastoureaux kommt die Jacquerie; nach der Jacquerie kommen die Maillotins; nach den Maillotins kommt der Krieg des öffentlichen Wohls; nach dem Kriege des öffentlichen Wohls die Ligue; nach der Ligue die Fronde; nach der Fronde die französische Revolution. Nun, mein Vater, alle die Empörungen, – mögen sie Gemeinde, Pastoureaux, Jacquerie, Maillotin, Krieg des öffentlichen Wohls, Ligue, Fronde, Revolution heißen, – das ist immer die Idee, die Idee, die sich verwandelt, bei jeder Verwandlung aber wächst.

      »Der Blutstropfen, der von der Zunge des ersten Menschen fällt, welcher auf dem öffentlichen Platze von Cambrai: Gemeinde, ruft, und dem man die Zunge als einem Gotteslästerer ausschneidet, ist die Quelle der Demokratie; zuerst Quelle, dann Bach, dann Fluß, dann Strom, dann See, dann Ocean.

      »Sehen wir nun, mein Vater, auf diesem Ocean den vom Herrn erwählten Steuermann schiffen, den man Napoleon den Großen nennt . . . «

      Der Verurtheilte, der nie solche Worte gehört hatte, sammelte sich und hörte.

      Der Mönch fuhr in folgenden Ausdrücken fort:

      »Drei

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