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die schweren, seidnen Portieren waren die Stimmen des unruhigen und ahnungsvollen Märztages in den Salon der Gräfin Regina gekommen und machten sie nachdenklich und unsicher. Diese Stimmen blieben in ihrer Seele wie ein langer und gefährlicher Verrat, und es war ihr zuweilen, als ob sie von ihr sprächen, und das wollte sie nicht, Sie wollte alt sein und ihr Leben ohne Kampf zu Ende bringen, und in der Liebe zu Marta Bianka.

      Es war heute sehr still, und keiner sprach ein Wort. Alle fünf sahn einander in die Augen und warteten auf etwas. Regina saß in einem tiefen ungeheuer weichen Schaukelfauteuil und warf von Zeit zu Zeit einen kleinen, lächelnden Seitenblick in einen Spiegel, der verdeckt von Dunkel und Vorhangfalten in einer Ecke schlief. Sie sah nach den weißen Strähnen an ihren Schläfen und lachte leise. Marta Bianka saß blaß und gehorsam zu ihren Füßen, und ihr bernsteingelbes Maar wuchs wie ein Licht zu der Mutter empor. Baron Sterben sah darauf hin und wunderte sich, daß der Salon beinahe hell wurde in der Nähe Marta Biankas. Und wenn sie ihre großen, kindischen Sammtaugen zu ihm aufschlug, da mußte er immer an eine Ampel denken, die schön und träumend irgendwo entbrannte und sanft und leise, aber doch voll süßer und verhängter Glut war.

      Sie muß einen silberweißen Leib haben, träumte er und erschrak, denn Marta Bianka stand langsam auf und verließ den Salon.

      Da sagte die Gräfin Regina plötzlich – und als ob sie sich auf etwas besonnen hätte – und sah dabei den jungen Schauspieler Valentin so starr ins Gesicht, daß er erblaßte:

      Erzählen Sie mir doch die Geschichte von der kleinen Valeska, lieber Daniel Jesus, die Sie einmal erwürgen wollte, während Sie schliefen.

      Daniel Jesus fuhr auf. Er hatte die ganze Zeit auf dem hohen schimmernden Teppich gesessen, der den Fußboden zudeckte und mit phantastischen und bunten Linien um die breiten Füße des Tisches herum nach den Wänden griff. Daniel Jesus tat das stets, und Regina duldete es mit einem mitleidigen und seltsamen Lächeln, wenn kein Fremder dabei war, der mit den Blicken fragte. Er fühlte sich unwohl auf den hohen Stühlen und Dingen, auf denen die andern Menschen saßen und auf denen er mit den dünnen Beinen schlenkern mußte wie ein Kind. Dann glaubte er, daß alle Leute nach seinem Rücken hinsähen und konnte ihnen doch nicht die neugierigen Augen zerkratzen und mußte es dulden. Darum kauerte er sich am liebsten irgendwo auf der Erde zusammen, wo alles über ihn hinwegschaute, wo er wie ein atmender Schatten im Dunkeln blieb und nur sein gigantischer Schädel zuweilen vor den andern auftauchte, wenn er sprach.

      Er hatte wohl eine Viertelstunde schweigend so gesessen und mit einem spöttischen und verkniffnen Munde dem Spiel des Barons mit der zwölfjährigen Marta Bianka zugeschaut und der feindseligen nutzlosen Abwehr zwischen Regina und Valentin, Der junge Schauspieler hatte einen Kopf wie ein Hunne, breit und knochig und verfallen im Gesicht mit beinahe lächerlich tiefen, sengenden Augen. Die große, schlanke Gräfin mit den sichern und mühelosen Gebärden und den weißen, strengen Händen, in denen es noch heute wie eine ungeheure, verhaltne Sinnlichkeit flackerte, war ein Rätsel für ihn, nach dessen Lösung ihn hungerte. Regina fürchtete sich ein wenig vor ihm, und dieses Grauen wieder zu ihm hinzog. Und heute waren von draußen, von der Gasse, die halben Worte und war ein kleiner, wollüstiger Reiz, der sie immer Stimmen des Märztages in ihren Salon gekommen, geheimnisvoll und wie ein ferner, im Winde zerflatterter Schrei. Sie war unruhig und trotzig, und dann hob sie langsam ihre müden Pupillen von seinen nervösen Füßen zu seinem Gesicht und starrte ihn an wie eine Lampe.

      Erzählen Sie mir doch von Valeska, Daniel, sagte die Gräfin – bitte, bitte, nicht wahr, Baron, er soll erzählen.

      Sterben hatte soeben von einem jungen, blonden Walde geträumt.

      Drin standen die Bäume hoch und schlank, und ein weißer, toll gewordner Schimmel lief durch den Wald, ohne Sattel und Bänder mit schäumenden Nüstern, der Frühling. Und droben hing der Himmel auf die jungen Bäume herab, gelb und voll Sonne wie bernsteingoldnes Mädchenhaar. Er ging weiter. Da kam er zu einer Birke, von der die Rinde in Stücken herabhing, und rotes, schauerndes Blut rann aus dem Stamme, und daran war mit Riemen und Ketten ein Kind gebunden, ein silberweißer, gequälter, nackter Leib. Und er erschrak und lief weiter, aus dem Walde hinaus, dort wo die Lichtung war und das Feld, und da sah er der Gräfin Regina ins Gesicht und sagte:

      Ja, Gräfin, ja.

      Daniel Jesus schlug seine langen Arme um die Knie und begann:

      Valeska war noch sehr jung, als ich sie verführte – ich glaube, kaum ein Jahr älter als Marta Bianka. Sie war die Tochter eines Beamten aus meiner Fabrik. Zuerst kam sie heimlich, und als der Vater es erfuhr, schlug er sie eine Stunde lang so mit einem schweren Stock, daß er ihr dabei den linken Arm zerbrach. Seit dieser Zeit blieb sie ganz bei mir. Die Leute wollten mich damals dem Gericht anzeigen, weil ich ein unerwachsnes Kind verführt hätte. Aber sie haben es später doch nicht gewagt und Valeska blieb in meinem Hause. Ich kann nicht sagen, daß sie mich liebte, aber sie fürchtete mich, und ihre Angst war die Sklavin, die mir die Liebe gab statt ihrer. Sie fürchtete in mir den Menschen, der in ihre Seele und in ihr Blut als erster die Flamme gebracht hatte, die sie mit ihren dreizehn Jahren noch kaum verstand und die ihr schon das Glück und ein großes, weites Stück ihres Lebens und das schöne Lächeln des Schlafes und den lauschenden Frieden des Herzens vernichtet hatte. Sie liebte mich nicht, aber sie gab sich mir hin mit einem Taumel und einem Weinen, in dem nichts von Reue lag, aber auch nicht das kleinste Stückchen von Kraft für Zukünftiges, Fernes. Sie hatte vergessen, daß sie in einer Welt war, in der vielleicht noch tausend Tage und tausend Wochen vor ihr standen und ihre Worte erwarteten. Sie wußte dem Leben nichts zu sagen, und in der Einsamkeit und hilflosen Not ihres Herzens wurde sie krank. Ihre Seele verdarb in der Dunkelheit, und vergebens suchte sie nach der Liebe. Was sollte sie an mir auch lieben? Ich war bucklig und roh. Und einen andern kannte sie nicht. So ging ihre Seele zugrunde, und ihr Herz erfror. Zuerst fing sie an, Silberzeug und Geld in meinem Hause zu stehlen, obschon ich ihr alles gab, was sie mochte. Als ich das erfuhr, schlug ich sie unbarmherzig, wie es einmal ihr Vater getan hatte. Ich war roh und ließ sie ohnmächtig liegen. Seit dieser Zeit ward sie noch störrischer und schlimmer und sprach ganze Tage lang zu mir kein Wort.

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