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Gott, die Sache ist die. Ich schrieb Ihnen, daß wir jetzt nicht im Stande sind, uns zu schlagen. Ich sagte Ihnen in meinem Brief, daß es uns an Allem fehle, an Leuten, an Geld, an Brod, an Bekleidungsstücken, an Munition. Ich bat Sie, Alles, was in Ihren Kräften stünde, zu thun, um den Frieden zwischen dem Königreich der beiden Sicilien und der Republik noch eine Zeit lang zu erhalten. Wie es aber scheint, ist mein Bote zu spät gekommen. Wahrscheinlich waren Sie schon fort oder er ist verwundet worden, – was weiß ich? Erzählen Sie uns doch die ganze Geschichte, Hector. Wenn mein Brief in die Hände unserer Feinde gefallen ist, so ist dies allerdings ein großes Unglück, ein noch größeres Unglück aber wäre es, wenn mein lieber Salvato an seinen Wunden stürbe, denn sagten Sie nicht, er sei verwundet, man habe ihn ermorden wollen, oder so etwas?

      »Und zu drei Viertheilen ist es auch gelungen. Man hatte ihn ausspioniert und war ihm nachgeschlichen. Beim Herauskommen aus dem Palast der Königin Johanna in Mergellina lauerten ihm sechs Mann auf. Sie, der Sie Salvato kennen, können sich leicht denken, daß er sich nicht abwürgen ließ wie ein junges Huhn. Er tödtete zwei seiner Angreifer und verwundete zwei, endlich aber warf einer der Sbirren, ihr Anführer, Pasquale de Simone, der im speciellen Dienste der Königin steht, sein Messer nach ihm und dieses drang ihm bis ans Heft in die Brust.

      »Und wo und wie ist er gefallen?«

      »O, in dieser Beziehung beruhigen Sie sich, mein General. Es gibt Leute, welchen das Glück nie untreu wird. Salvato fiel in die Arme der schönsten Frau von Neapel, die ihn vor Aller Augen verborgen hält, natürlich auch vor denen ihres Mannes.«

      »Und die Wunde? die Wunde?« rief der General. »Sie wissen, Hector, daß ich Salvato liebe wie meinen Sohn.«

      »Die Wunde ist schwer, sehr schwer, aber nicht tödtlich. Uebrigens ist es der erste Arzt von Neapel, einer der Unsern, der ihn in Behandlung genommen und für sein Wiederaufkommen bürgt. O, er hat sich herrlich gehalten, unser Salvato. Er hat Ihnen seine Geschichte niemals erzählt. Dieselbe ist ein, förmlicher Roman und zwar ein furchtbarer Roman, mein lieber General, gleich dem Macduff Shakespeares ist er aus dem Leibe einer Todten geschnitten worden. Er wird Ihnen dies Alles eines Tages oder vielmehr eines Abends im Bivouac erzählen, um Ihnen die Zeit zu vertreiben. Jetzt aber handelt es sich um etwas Anderes. Das Niedermetzeln der Unsern hat in Neapel begonnen. Cirillo war, als er sich zu mir begeben wollte, um mir die Nachricht, die ich überbringe, mitzutheilen, zwei Stunden lang auf dem Quai aufgehalten worden.«

      »Und wodurch? Durch einen Scheiterhaufen, welcher den Weg versperrte und auf welchem die Lazzaroni die beiden Brüder della Torre lebendig verbrannten.«

      »Die Verworfenen!« rief Championnet.

      »Denken Sie sich! Ein Dichter und ein Bücherwurm, ich frage Sie, was konnten diese Leute gethan haben? Uebrigens spricht man von einem großen Cabinetsrath, welcher im Palast stattgefunden haben soll. Ich weiß es von Nicolino Carracciolo, welcher der Geliebte der San Clemente, einer der Ehrendamen der Königin, ist. Der Krieg gegen die Republik ist beschlossen. Oesterreich liefert den General.«

      »Kennen Sie ihn?«

      »Ja, es ist der Baron Carl Mack.«

      »Na, dies ist kein Name, dem ein sonderlichen Schrecken einjagender Ruf voranginge.«

      »Allerdings nicht, aber weit furchtbarer ist der Umstand, daß England sich in die Sache mischt und das Geld liefert. Eine Armee von sechzigtausend Mann steht bereit, in acht Tagen gegen Rom zu marschieren, wenn es sein muß und dann – doch, ich glaube, das ist Alles, was ich zu melden habe.«

      »Zum Teufel, es ist mehr als genug, wie mir scheint,« antwortete Championnet.

      Dann wendete er sich zu dem Gesandten und fuhr fort:

      »Sie sehen, mein lieber Garat, daß kein Augenblick zu verlieren ist. Zum Glück habe ich gestern zwei Millionen Patronen erhalten. Allerdings haben wir keine Kanonen, aber mit zwei Millionen Patronen und zehn- oder zwölftausend Bajonetten werden wir die Kanonen der Neapolitaner nehmen.«

      »Ich dächte, Salvato hätte uns gesagt, Sie hätten nur neuntausend Mann.«

      »Ja, aber ich zähle auf dreitausend Mann Verstärkung. Sind Sie müde, Hector?«

      »Nein, durchaus nicht.«

      »Dann sind Sie wohl bereit, nach Mailand abzureisen?«

      »Ja wohl, sobald ich gefrühstückt und die Kleider gewechselt haben werde, denn ich sterbe fast vor Hunger, und bin, wie Sie sehen, mit Schmutz bedeckt. Ich bin über Isoletta, Agnani und Frosinone gekommen und die Wege sind durch den Gewitterregen fast grundlos geworden. Ich finde es sehr verzeihlich, daß Ihre Schildwachen mich in dem Zustande, in dem ich mich befinde, nicht bei Ihnen vorlassen wollten.«

      Championnet zog die Klingel und sein Kammerdiener trat ein.

      »Ein Frühstück, ein Bad und Kleider für den Bürger Hector Caraffa. Das Bad muß in zehn Minuten, die Kleider in zwanzig, das Frühstück in einer halben Stunde fertig sein.«

      »Mein General,« sagte der Kammerdiener, »von Ihren Kleidern wird keines dem Bürger Caraffa passen. Er ist ja einen ganzen Kopf größer als Sie.«

      »Hier,« mischte Garat sich ein, »ist der Schlüssel zu meinem Koffer; öffnet denselben und nehmt Wäsche und Kleider für den Grafen von Ruvo heraus. Er ist so ziemlich von meiner Statur und übrigens heißt es hier einmal: Im Kriege geht es nicht anders.«

      »In Mailand werden Sie Joubert treffen. Ich spreche mit Ihnen, Hector; hören Sie mich!«, hob Championnet wieder an.

      »Ich verliere kein Wort, mein General.«

      »In Mailand werden Sie Joubert treffen. Sagen Sie ihm, er solle sich einrichten, wie er wolle, aber ich brauchte dreitausend Mann oder Rom sei verloren. Er mag sie, wenn es geschehen kann, unter Kellermanns Befehl stellen. Dieser ist ein ausgezeichneter Cavalleriegeneral und namentlich fehlt es uns überall an Cavallerie. Sie werden dieselbe gleich mitbringen und nach Civita Castellane dirigieren. Dort werden wir uns wahrscheinlich wieder treffen. Eile brauche ich Ihnen nicht erst zu empfehlen.«

      »Mein General, ein Mann, welcher in achtundvierzig Stunden siebzig Meilen auf Gebirgswegen zurückgelegt hat, bedarf dieser Empfehlung allerdings nicht.«

      »Sie haben Recht.«

      »Uebrigens,« sagte Garat, »mache ich mich anheischig, den Bürger Caraffa bis nach Mailand zu bringen. Meine Postchaie muß spätestens morgen eintreffen.«

      »Sie werden nicht auf Ihre Postchaie warten, mein lieber Gesandter, sondern die meinige nehmen,« sagte Championnet. »Unter den Umständen, in welchen wir uns befinden, ist keine Minute zu verlieren. Macdonald, ich bitte, schreiben Sie in meinem Namen an alle Chefs der Corps, welche Terracina, Piperno, Proffeti, Frosinone, Veroli, Tivoli, Ascoli, Farmo und Macerata besetzt halten, daß sie keinen Widerstand leisten, sondern sobald als Sie erfahren, daß der Feind die Grenze überschritten hat, sich jedem Gefecht ausweichend auf Civita Castellane zurückziehen sollen.«

      »Wie!« rief Garat, »Sie wollen Rom den Neapolitanern überlassen, ohne es zu vertheidigen zu suchen?«

      »Wenn ich kann, so werde ich es verlassen, ohne einen Schuß abzufeuern. Aber seien Sie unbesorgt. Es geschieht jedenfalls nicht auf lange.«

      »Natürlich verstehen Sie dies Alles besser als ich, mein General.«

      »Ich, ich verstehe von dem Kriege weiter gar nichts als das, was Macchiavelli davon sagt.«

      »Und was sagt Macchiavelli?«

      »Muß ich das Ihnen sagen, einem Diplomaten, welcher den Macchiavelli auswendig wissen sollte? Wohlan, er sagt – hören Sie wohl, Hector – hören auch Sie, Macdonald – er sagt: Das ganze Geheimniß des Krieges besteht in zwei Dingen. Erstens muß man Alles thun, was der Feind nicht muthmaßen kann, und zweitens muß man ihn Alles thun lassen, was man vorausgesehen, daß er es thun würde. Wenn man die erste dieser Vorschriften befolgt, so vereitelt man die Vertheidigungspläne des Feindes, und wenn man die zweite beobachtet, so macht man seine Angriffspläne vergeblich. Lesen Sie Macchiavelli, das ist ein großer Mann, mein lieber Garat, und wenn Sie ihn gelesen haben –«

      »Nun, wenn ich

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