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sofort zu retten.

      Seine Mutter schloss das Fenster, und er drehte sich um und sah sie an.

      „Das sind nur einige der Aufgaben, die vor dir liegen“, sagte sie. „Dein Kind braucht dich; Gwendolyn braucht dich; dein Volk braucht dich – und darüber hinaus musst du dich auf den Tag vorbereiten, an dem du König werden wirst.“

      Thor riss seine Augen auf.

      „Ich? König?“

      Seine Mutter nickte.

      „Das ist dein Schicksal, Thorgrin. Du bist die letzte Hoffnung. Du musst der König der Druiden werden.“

      „Der König der Druiden?“, fragte er, und versuchte die Worte seiner Mutter zu verstehen. „Aber… Ich verstehe es nicht. Ich dachte, ich wäre im Land der Druiden?“

      „Die Druiden leben hier nicht mehr“, erklärte sie. „Wir befinden uns im Exil. Sie leben nun in einem weit entfernten Königreich in den Weiten des Empire, und sie sind in großer Gefahr. Es ist dir bestimmt, ihr König zu werden. Sie brauchen dich, und du brauchst sie. Ihre und deine Kräfte müssen vereint werden für die Schlacht gegen die größte Macht, die sich uns je entgegengestellt hat. Eine Gefahr, die noch viel grösser ist als die Drachen.“

      Thor starrte sie an.

      „Mutter, ich bin verwirrt“, gab er zu.

      „Das kommt daher, weil deine Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist. Du hast große Fortschritte gemacht, doch du bist noch nicht einmal annähernd auf der Stufe angekommen, die du erreichen musst, um ein großer Krieger zu werden. Du wirst mächtige neue Lehrer treffen, die dich auf Ebenen führen werden, die sich deiner Vorstellungskraft entziehen. Du hast noch nicht einmal begonnen, dein Potential als Krieger auszuloten. Du wirst all ihr Training brauchen“, fuhr sie fort. „Du wirst dich gigantischen Reichen gegenübersehen, Königreichen, die großartiger sind, als alles, was du bisher gesehen hast. Du wirst wilden Tyrannen begegnen, gegen die Andronicus gar nichts ist.“

      Seine Mutter betrachtete ihn aus wissenden und mitfühlenden Augen.

      „Das Leben ist immer noch ein wenig großartiger, als du es dir vorstellen kannst, Thorgrin“, erklärte sie. „Immer ein wenig grösser. In deinen Augen ist der Ring ein großes Königreich, das Zentrum der Welt. Doch es ist klein verglichen mit dem Rest der Welt, nicht mehr als ein Fleckchen auf der Landkarte des Empire. Thorgrin, es gibt Welten, die alles übertreffen, was du dir vorstellen kannst. Sie sind grösser als alles, was du je gesehen hast. Du hast noch nicht einmal zu leben begonnen.“

      Sie hielt inne. „Du wirst das hier brauchen.“

      Thor sah seine Hand an, als er etwas um sein Handgelenk spürte. Er sah, wie seine Mutter einen breiten Armreif umlegte, der seinen halben Unterarm bedeckte. Er bestand aus glänzendem Gold mit einem einzelnen, schwarzen Diamanten in der Mitte. Es war das schönste, mächtigste Ding, das er je gesehen hatte, und als sich um seinen Arm schloss, spürte er, wie die Macht des Armreifs pulsierte und in ihn eindrang.

      „Solange du das hier trägst“, sagte sie, „kann kein Mann der aus dem Schoss einer Frau hervorgegangen ist, dir ein Leid zufügen.“

      Thor sah sie an, und vor seinem geistigen Auge blitzten die Bilder wieder auf, die er vor dem kristallenen Fenster gesehen hatte. Er spürte wieder den Drang Guwayne, Gwendolyn und sein Volk zu retten.

      Doch ein Teil von ihm wollte diesen Ort nicht verlassen, diesen Ort seiner Träume, zu dem er nie wieder zurückkehren konnte. Er wollte seine Mutter nicht hier zurücklassen.

      Er sah den Armreif an, und spürte seine überwältigende Macht. Er hatte das Gefühl, als würde er einen Teil seiner Mutter bei sich tragen.

      „Ist das der Grund, warum es uns bestimmt war, uns zu begegnen?“, fragte Thor. „Damit ich den Armreif bekomme?“

      Sie nickte.

      „Und aus einem noch viel wichtigeren Grund“, sagte sie. „Um meine Liebe zu empfangen. Als Krieger musst du lernen zu hassen. Doch genauso wichtig ist es, dass du lernst zu lieben. Die Liebe ist die stärkere der beiden Mächte. Hass kann einen Mann töten, doch Liebe kann ihn aufrichten. Es bedarf stärkerer Macht zu heilen, als zu töten. Du musst den Hass kennen, doch auch die Liebe darf dir nicht fremd sein – und du musst lernen, wann du das eine oder das andere wählen musst. Du musst nicht nur lernen zu lieben, vielmehr noch musst du lernen, dir zu erlauben, Liebe zu empfangen. Genauso wie wir Nahrung brauchen um zu leben, brauchen wir Liebe. Du musst wissen, wie sehr ich dich liebe, wie stolz ich auf dich bin, und dass ich immer bei dir sein werde. Und du musst wissen, dass wir uns wieder begegnen werden. In der Zwischenzeit, lass zu, dass meine Liebe dich trägt. Und noch viel wichtiger: akzeptiere und liebe dich selbst.“

      Thors Mutter umarmte ihn. Es fühlte sich so gut an, sie in den Armen zu halten, zu wissen, dass er eine Mutter hatte, eine echte Mutter. Während er sie festhielt, spürte er, wie ihre Liebe ihn erfüllte, ihn nährte, und er fühlte sich wie neu geboren – bereit, sich zu allem stellen, was das Schicksal für ihn bereithielt.

      Thor blickte ihr in die Augen. Sie sahen genau wie seine Augen aus: grau und leuchtend. Sie legte beide Hände um seinen Kopf und küsste seine Stirn. Thor schloss die Augen und wünschte sich, dass dieser Augenblick niemals enden würde.

      Plötzlich spürte er eine kalte Brise, hörte das Rauschen der Wellen und spürte die feuchte Meeresluft. Er öffnete die Augen und sah sich überrascht um.

      Zu seinem großen Schrecken, war seine Mutter verschwunden. Das Schloss war verschwunden, und ebenso die Klippen. Er sah sich um und stand an einem Stand – dem roten Strand, der vor dem Eingang zum Land der Druiden lag. Irgendwie hatte er das Land der Druiden verlassen. Er war allein.

      Seine Mutter war verschwunden.

      Thor blickte zu seinem Handgelenk hinunter, auf seinen neuen Armreif mit dem schwarzen Diamanten in der Mitte, und fühlte sich verändert. Er spürte, dass seine Mutter bei ihm war, fühlte ihre Liebe, und war bereit, die Welt zu erobern. Er fühlte sich stärker denn je. Er war bereit, es mit jedem Gegner aufzunehmen, um seine Gemahlin und sein Kind zu retten.

      Er hörte ein schnurrendes Geräusch, und als er sich umsah, war er hoch erfreut Mycoples ganz in der Nähe sitzen zu sehen. Sie schnurrte und kam auf ihn zu. Er spürte, dass auch sie bereit war.

      Als sie näher kam, erschrak er, als er etwas am Strand hinter ihr liegen sah. Es war weiß, groß und rund – es war ein Ei. Das Ei eines Drachens.

      Mycoples sah Thor an und er erwiderte erschrocken ihren Blick. Mycoples sah sich traurig nach dem Ei um, als ob sie es nicht verlassen wollte, und doch wusste, dass sie es tun musste. Thor sah das Ei verwundert an, und fragte sich, welcher Drachen aus der Verbindung von Mycoples und Ralibar hervorgehen würde. Er spürte, dass das der größte Drache der Menschheitsgeschichte sein musste.

      Thor stieg auf Mycoples Rücken und nach einem langen letzten Blick verließen sie das Land der Druiden, diesen mysteriösen Ort, der Thor willkommen geheißen und wieder hinausgeworfen hatte. Es war ein Ort, vor dem Thor großen Respekt hatte, ein Ort, den er niemals ganz verstehen würde.

      Thor drehte sich um, und blickte auf das Meer hinaus.

      „Es ist Zeit, in den Krieg zu ziehen, liebe Freundin“, sagte Thor selbstbewusst. Seine Stimme war die Stimme eines Mannes, eines Krieger, dem es bestimmt war, König zu werden. Mycoples schrie, schlug mit ihren großen Flügel und erhob sich in die Luft, über den Ozean, fort von diesem Ort, zurück zu Guwayne und Gwendolyn – zu Romulus, seinen Drachen, und der Schlacht des Lebens.

      .

      KAPITEL VIER

      Romulus stand am Bug seines Schiffes, das den tausenden Schiffen seiner Flotte voraussegelte und blickte zufrieden zum Horizont. Über ihm flogen seine Dachen. Ihre Schreie im Kampf gegen Ralibar füllten die Luft. Romulus hielt sich

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