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      2. Szene

      (Der Wirt. Die Vorigen.)

      Wirt (den Kopf voransteckend). Ist es erlaubt, meine gnädige Herrschaft?—

      Franziska

      Unser Herr Wirt?—Nur vollends herein.

      Wirt (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und ein Schreibezeug in der Hand). Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen einen untertänigen guten Morgen zu wünschen—(zur Franziska) und auch Ihr, mein schönes Kind—

      Franziska

      Ein höflicher Mann!

      Fräulein

      Wir bedanken uns.

      Franziska

      Und wünschen Ihm auch einen guten Morgen.

      Wirt Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie Ihro Gnaden diese erste Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet?—

      Franziska Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirt, aber die Betten hätten besser sein können.

      Wirt

      Was höre ich? Nicht wohl geruht? Vielleicht, daß die gar zu große Ermüdung von der Reise—

      Fräulein

      Es kann sein.

      Wirt

      Gewiß, gewiß! denn sonst—Indes sollte etwas nicht vollkommen nach Ihro Gnaden Bequemlichket gewesen sein, so geruhen Ihro Gnaden nur zu befehlen.

      Franziska Gut, Herr Wirt, gut! Wir sind auch nicht blöde; und am wenigsten muß man im Gasthofe blöde sein. Wir wollen schon sagen, wie wir es gern hätten.

      Wirt Hiernächst komme ich zugleich—(indem er die Feder hinter dem Ohr hervorzieht).

      Franziska

      Nun?—

      Wirt

      Ohne Zweifel kennen Ihro Gnaden schon die weisen Verordnungen unserer Polizei.

      Fräulein

      Nicht im geringsten, Herr Wirt—

      Wirt

      Wir Wirte sind angewiesen, keinen Fremden, wes Standes und Geschlechts er auch sei, vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen, Heimat, Charakter, hiesige Geschäfte, vermutliche Dauer des Aufenthalts und so weiter gehörigen Orts schriftlich einzureichen.

      Fräulein

      Sehr wohl.

      Wirt Ihro Gnaden werden also sich gefallen lassen—(indem er an einen Tisch tritt und sich fertig macht zu schreiben).

      Fräulein

      Sehr gern—Ich heiße—

      Wirt

      Einen kleinen Augenblick Geduld!—(Er schreibt.) "Dato, den 22.

      August a.c. allhier zum Könige von Spanien angelangt"—Nun Dero Namen, gnädiges Fräulein?

      Fräulein

      Das Fräulein von Barnhelm.

      Wirt (schreibt). "von Barnhelm"—Kommend? woher, gnädiges Fräulein?

      Fräulein

      Von meinen Gütern aus Sachsen.

      Wirt (schreibt). "Gütern aus Sachsen"—Aus Sachsen! Ei, ei, aus Sachsen, gnädiges Fräulein? aus Sachsen?

      Franziska

      Nun? warum nicht? Es ist doch wohl hierzulande keine Sünde, aus

      Sachsen zu sein?

      Wirt Eine Sünde? Behüte! das wäre ja eine ganz neue Sünde!—Aus Sachsen also? Ei, ei! aus Sachsen! Das liebe Sachsen!—Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein und hat mehrere—wie soll ich es nennen?—Distrikte, Provinzen.—Unsere Polizei ist sehr exakt, gnädiges Fräulein.—

      Fräulein

      Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thüringen also.

      Wirt

      Aus Thüringen! Ja, das ist besser, gnädiges Fräulein, das ist genauer.

      –(Schreibt und liest.) "Das Fräulein von Barnhelm, kommend von ihren Gütern aus Thüringen, nebst einer Kammerfrau und zwei Bedienten"—

      Franziska

      Einer Kammerfrau? das soll ich wohl sein?

      Wirt

      Ja, mein schönes Kind.—

      Franziska Nun, Herr Wirt, so setzen Sie anstatt Kammerfrau Kammerjungfer.—Ich höre, die Polizei ist sehr exakt; es möchte ein Mißverständnis geben, welches mir bei meinem Aufgebote einmal Händel machen könnte. Denn ich bin wirklich noch Jungfer und heiße Franziska; mit dem Geschlechtsnamen Willig; Franziska Willig. Ich bin auch aus Thüringen. Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnädigen Fräuleins. Es heißt Klein-Rammsdorf. Die Mühle hat jetzt mein Bruder. Ich kam sehr jung auf den Hof und ward mit dem gnädigen Fräulein erzogen. Wir sind von einem Alter, künftige Lichtmess einundzwanzig Jahr. Ich habe alles gelernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat. Es soll mir lieb sein, wenn mich die Polizei recht kennt.

      Wirt

      Gut, mein schönes Kind, das will ich mir auf weitere Nachfrage merken.

      –Aber nunmehr, gnädiges Fräulein, Dero Verrichtungen allhier?—

      Fräulein

      Meine Verrichtungen?

      Wirt

      Suchen Ihro Gnaden etwas bei des Königs Majestät?

      Fräulein

      O nein!

      Wirt

      Oder bei unsern hohen Justizkollegiis?

      Fräulein

      Auch nicht.

      Wirt

      Oder—

      Fräulein

      Nein, nein. Ich bin lediglich in meinen eigenen Angelegenheiten hier.

      Wirt

      Ganz wohl, gnädiges Fräulein, aber wie nennen sich diese eigne Angelegenheiten?

      Fräulein

      Sie nennen sich—Franziska, ich glaube, wir werden vernommen.

      Franziska

      Herr Wirt, die Polizei wird doch nicht die Geheimnisse eines

      Frauenzimmers zu wissen verlangen?

      Wirt Allerdings, mein schönes Kind: die Polizei will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse.

      Franziska

      Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu tun?—So hören Sie nur, Herr Wirt—aber daß es ja unter uns und der Polizei bleibt!—

      Fräulein

      Was wird ihm die Närrin sagen?

      Franziska

      Wir kommen, dem Könige einen Offizier wegzukapern—

      Wirt

      Wie? was? Mein Kind! mein Kind!—

      Franziska

      Oder uns von dem Offiziere kapern zu lassen. Beides ist eins.

      Fräulein Franziska, bist du toll?—Herr Wirt, die Nasenweise hat Sie zum besten. —

      Wirt Ich will nicht hoffen! Zwar mit meiner Wenigkeit kann sie scherzen so viel, wie sie will; nur mit einer hohen Polizei—

      Fräulein Wissen Sie was, Herr Wirt?—Ich weiß mich in dieser Sache nicht zu nehmen. Ich dächte, Sie ließen die ganze Schreiberei bis auf die Ankunft meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen. Er verunglückte zwei Meilen von hier mit seinem Wagen und wollte durchaus nicht, daß mich dieser Zufall eine Nacht mehr kosten sollte. Ich mußte also voran. Wenn er vierundzwanzig Stunden

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