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Minna von Barnhelm. Gotthold Ephraim Lessing
Читать онлайн.Название Minna von Barnhelm
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gotthold Ephraim Lessing
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Wirt (der den Major gewahr wird). St! st! Herr, Herr, Herr Just—seh Er sich doch um; Sein Herr—
Tellheim
Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?
Wirt Oh, Ihro Gnaden! zanken? da sei Gott vor! Ihr untertänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken?
Just
Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürfte!—
Wirt
Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig.
Aber daran tut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe ihn darum.—
Just
Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!
Wirt Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt. Denn ich bin gewiß versichert, daß Ihro Gnaden keine Ungnade deswegen auf mich geworfen haben, weil—die Not—mich notwendig—
Tellheim Schon zuviel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir in meiner Abwesenheit das Zimmer aus; Sie müssen bezahlt werden; ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!—
Wirt Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht helfen.—Ich gehe, gnädiger Herr—
Tellheim
Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben.—
Wirt Und Ihro Gnaden sollten glauben, daß ich aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung?—Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Ihro Gnaden bezahlen können, sobald Sie nur wollen.—Das versiegelte Beutelchen— fünfhundert Taler Louisdor stehet drauf—welches Ihro Gnaden in dem Schreibepulte stehen gehabt—ist in guter Verwahrung.—
Tellheim
Das will ich hoffen; so wie meine übrige Sachen.—Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat.—
Wirt Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand.—Ich habe immer Ihro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgibt.—Aber dennoch—wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte—
Tellheim
Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie.—Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen.—
Wirt
Aber, gnädiger Herr—
Tellheim Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du tun sollst.—
Wirt
Ich gehe ja schon, gnädiger Herr!—Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.
4. Szene
(v. Tellheim. Just.)
Just (der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!
Tellheim
Was gibt's?
Just
Ich ersticke vor Bosheit.
Tellheim
Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.
Just Und Sie—Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn—hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen.—
Tellheim
Bestie!
Just
Lieber Bestie als so ein Mensch!
Tellheim
Was willst du aber?
Just
Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.
Tellheim
Und dann?
Just
Daß Sie sich rächten.—Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering.—
Tellheim Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen kannst.—
Just
So? eine vortreffliche Rache!—
Tellheim
Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.
Just
Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?
Tellheim
Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.
Just Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?
Tellheim
Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?
Just
Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung—
Tellheim
Wahrhaftig?
Just
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte—
Tellheim Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre.—Ich bin dir sehr verbunden, Just.—Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen.—Es ist mir doch lieb, daß ich es erraten habe.—Höre, Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.—
Just
Wie? was?
Tellheim
Kein Wort mehr; es kömmt jemand.—
5. Szene
(Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.)
Dame
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr!—
Tellheim
Wen suchen Sie, Madame?—
Dame
Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen.
Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters—
Tellheim
Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung!—
Dame
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh beschwerlich fallen, Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten.—
Tellheim (zu Just). Geh, laß uns allein.—
6. Szene
(Die Dame. v. Tellheim.)
Tellheim Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?
Dame
Mein Herr Major—
Tellheim Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund,