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Joan Madou hob den Kopf. «Das ist etwas anderes. Portiers wissen mehr als Agenten. Das kann etwas sein. Kennen Sie ihn gut?»

      «Ja.»

      Ravic war überrascht. Sie hatte auf einmal ganz geschäfts – mäßig gesprochen. Das geht ja schnell, dachte er. «Es ist ein Freund von mir. Er heißt Boris Morosow», sagte er. «Er ist seit zehn Jahren in der Scheherazade. Sie haben da immer eine ziemlich große Show. Die Nummern wechseln oft . Morosow ist mit dem Manager befreundet. Wenn in der Scheherazade nichts für Sie frei ist, weiß er sicher etwas anderes – irgendwo. Wollen Sie es versuchen?»

      «Ja. Wann?»

      «Am besten so um neun Uhr abends. Dann ist noch nichts zu tun, und er hat Zeit für Sie. Ich werde ihm Bescheid sagen.» Ravic freute sich bereits auf das Gesicht Morosows. Er fühlte sich plötzlich besser. Die leichte Verantwortung, die er immer noch gespürt hatte, war verschwunden. Er hatte getan, was er konnte, und nun mußte sie weitersehen. «Sind Sie müde?» fragte er.

      Joan Madou blickte ihm gerade in die Augen. «Ich bin nicht müde», sagte sie. «Aber ich weiß, daß es kein Vergnügen ist, mit mir hier zu sitzen. Sie haben Mitleid mit mir gehabt, und ich danke Ihnen dafür. Sie haben mich aus dem Zimmer genommen und mit mir gesprochen. Das war viel für mich, denn ich habe seit Tagen kaum mit jemand ein Wort gewechselt. Ich werde jetzt gehen. Sie haben mehr als genug für mich getan. All die Zeit schon. Was wäre sonst aus mir geworden!» Mein Gott, dachte Ravic, jetzt fängt sie auch noch damit an.

      «Es war kein Mitleid», sagte Ravic.

      «Was sonst?»

      «Wir werden jetzt einen guten, alten Armagnac trinken», sagte Ravic. «Das ist die beste Antwort. Glauben Sie mir: Ich bin kein so besonderer Menschenfreund. Es gibt viele Abende, wo ich allein irgendwo herumsitze. Halten Sie das für besonders interessant?»

      «Nein, aber ich bin ein schlechter Partner, und das ist schlimmer.»

      «Ich habe verlernt, nach Partnern zu suchen. Hier ist Ihr Armagnac. Salute!»

      «Salute!» Ravic setzte sein Glas nieder. «So, und jetzt werden wir aus dieser Menagerie hier verschwinden. Sie möchten doch noch nicht ins Hotel zurück?»

      Joan Madou schüttelte den Kopf.

      «Gut. Dann werden wir weitergehen. Und zwar zur Scheherazade. Wir werden da trinken. Das haben wir beide scheinbar nötig, und Sie können dann gleich ansehen, was dort los ist.»

      Es war gegen drei Uhr nachts.

      Sie standen vor dem Hotel Milan. «Haben Sie genug getrunken?» fragte Ravic.

      Joan Madou antwortete nicht sofort. «Ich dachte, es wäre genug in der Scheherazade. Aber jetzt verstehe ich, es war nicht genug.Vielleicht gibt es hier im Hotel noch etwas. Sonst gehen wir in eine Kneipe und kaufen eine Flasche. Kommen Sie.»

      Sie sah ihn an. Dann sah sie die Tür an. «Gut», sagte sie. Doch sie blieb stehen. «Da hinaufgehen», sagte sie. «In das leere Zimmer …»

      «Ich werde Sie hinauf-bringen. Und wir werden eine Flasche mitnehmen.»

      Der Portier erwachte. «Haben Sie noch etwas zu trinken?» fragte Ravic.

      «Champagnercocktail?» fragte der Portier.

      «Danke. Etwas Herzhafteres. Kognak. Eine Flasche.»

      «Courvoisier, Martell, Hennessy, Biscuit Dubouche?» «Courvoisier.»

      «Sehr wohl, mein Herr. Ich werde den Kork ziehen und die Flasche heraufb ringen.»

      Sie gingen die Treppe hinauf. «Haben Sie Ihren Schlüssel?» fragte Ravic die Frau.

      «Das Zimmer ist nicht abgeschlossen.»

      «Man kann Ihnen Ihr Geld und Ihre Papiere stehlen, wenn Sie nicht abschließen.»

      «Das kann man auch, wenn ich abschließe.»

      «Das ist wahr. Trotzdem – es ist dann nicht ganz so einfach.»

      Joan Madou warf ihren Mantel und ihre Baskenmütze auf das Bett und sah Ravic an. Ihre Augen waren hell und groß in dem blassen Gesicht. Sie stand einen Augenblick so da. Dann begann sie in dem kleinen Raum hin und her zu gehen, die Hände in den Taschen ihrer Jacke, mit langen Schritten.

      Ravic sah sie aufmerksam an. Sie hatte plötzlich Kraft und eine ungestüme Grazie, und das Zimmer schien viel zu eng für sie. Es klopfte. Der Portier brachte den Kognak herein. «Wollen Sie noch etwas essen? Kaltes Huhn. Sandwiches …»

      «Nein.» Ravic bezahlte ihn und schob ihn hinaus. Dann schenkte er zwei Gläser ein.

      «Hier. Trinken Sie das.»

      «Und dann?»

      «Dann trinken Sie das nächste.»

      «Ich habe das versucht. Es ist nicht gut, betrunken zu sein, wenn man allein ist.»

      «Sie müssen etwas zu tun haben.» Ravic zündete sich eine Zigarette an. «Schade, daß wir Morosow nicht getroffen haben. Ich wußte nicht, daß er heute seinen freien Tag hatte. Gehen Sie morgen abend hin. Gegen neun. Irgend etwas wird er schon für Sie finden. Und wenn es Arbeit in der Küche wäre. Dann sind Sie nachts beschäftigt. Das wollen Sie doch?»

      «Ja.»

      Joan Madou hörte auf, hin und her zu gehen. Sie trank das Glas Kognak und setzte sich auf das Bett. «Ich bin draußen herumgegangen jede Nacht. Solange man geht, ist alles besser. Ich habe oft genug darauf gewartet, daß wenigstens einer zu mir spricht!»

      Sie warf das Haar zurück und nahm das Glas, daß Ravic ihr gab.

      «Ich weiß nicht, warum ich davon spreche. Ich will es gar nicht. Vielleicht, weil ich stumm war all die Tage.»

      «Ich trinke», sagte Ravic. «Sagen Sie, was Sie wollen. Es ist Nacht. Niemand hört Sie. Ich höre auf mich selbst. Morgen ist alles vergessen.»

      Er lehnte sich zurück. An das Fenster klopfte immer noch mit weichen Fingern der Regen. Ich muß schon betrunken sein, dachte Ravic. Früher als sonst, heute. Er hörte nicht auf das, was Joan Madou sprach. Er kannte es und wollte es nicht mehr kennen.

      «Danke», sagte Joan Madou.

      «Warum?»

      «Weil Sie mich sprechen ließen, ohne zuzuhören. Es war gut. Ich brauchte das.»

      Ravic nickte. Er sah, daß ihr Glas wieder leer war. «Gut», sagte er.

      «Ich werde Ihnen die Flasche hierlassen.»

      Er stand auf. Ein Zimmer. Eine Frau. Nichts weiter. Ein blasses Gesicht, in dem nichts mehr leuchtete. «Wollen Sie gehen?» fragte Joan Madou.

      «Hier ist die Adresse Morosows. Sein Name, damit Sie ihn nicht vergessen. Morgen abend um neun.» Ravic schrieb es auf einen Rezeptblock. Dann riß er das Blatt ab und legte es auf den Koffer.

      Joan Madou war aufgestanden. Sie griff nach ihrem Mantel und ihrer Mütze. Ravic sah sie an. «Ich will nur nicht hierbleiben. Nicht jetzt. Ich will noch irgendwo herumgehen.»

      «Warum bleiben Sie nicht hier?» «

      Es ist bald Morgen. Wenn ich zurückkomme, wird es Morgen sein. Dann ist es einfacher.» Ravic ging zum Fenster. Es regnete immer noch.

      «Kommen Sie», sagte er. «Wir trinken noch ein Glas, und Sie legen sich schlafen. Das ist kein Wetter für Spaziergänge.»

      Er griff nach der Flasche. Joan Madou war plötzlich dicht neben ihm. «Laß mich nicht hier», sagte sie «Laß mich nicht allein hier, nur heute nicht. Ich kann jetzt nicht allein sein.»

      Ravic stellte die Flasche hin.

      «Ich kann hier schlafen. Es hat keinen Zweck, noch anderswo hinzugehen. Ich brauche ein paar Stunden Schlaf. Muß morgen um neun operieren. Kann ebenso gut hier schlafen wie bei mir.»

      Sie stand noch immer dicht neben ihm.

      «Ich muß um halb acht ’raus.»

      «Das macht nichts. Ich werde aufstehen und Frühstück für Sie machen, alles …»

      «Sie

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