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auszurichten, und besorgte viel von dem getrennten Bunde. – 1799 und 1800 wußte Herr X abermals viel poetisches über das friedliche System zu sagen, Herr Y aber meinte, es dürfte die höchste Zeit seyn, den militärischen Charakter in einer großen Kraftäußerung, und demjenigen Bunde, den der Augenschein empföhle, zu zeigen. Herr X war für das System der sogenannten Physiokraten, Herr Y meinte, der Ackerbau sey die Wurzel, aber doch nicht der ganze Stamm. – 1805 erhob Herr X den Grafen Haugwitz bis in die Wolken, daß er unter so kritischen Verhältnissen dennoch den Krieg zu vermeiden gewußt habe, Herr Y erkrankte vor Schmerz, daß das Schwert noch nicht ergriffen worden sei. – 1806 weissagte Herr X lauter Triumphe, Herr Y konnte seine Thränen nicht zurückhalten. Herr X las Kriegslieder vor, Herr Y entwarf Plane für den Feldzug, die der Zeit angemessen waren, und suchte ihnen, aber vergeblich, Gehör zu verschaffen. Als der Feind sich der Residenz näherte, eilte Herr X nach Königsberg, Herr Y bot sich an, als Freiwilliger die Waffen zu nehmen, und trug dann die Bürde des Kriegs gleich den andern Mitbürgern. Wer war der redlichste Patriot? fragte hier der Erzähler.

      Ein Anwesender meinte: hm, man muß den Willen der Regierung vollziehn. – O das that Herr Y auch überall gewissenhaft. Hier ist von seinen Gefühlen und Ideen die Rede. – Ein Dritter rief: o wäre der brave Mann gehört worden. – Ein Vierter: Ich entscheide nicht wer der beste Patriot war, aber ich verwette Kopf und Kragen, Herr X ward korpulent und Herr Y blieb mager!

      Ein Rezept zu unfehlbarer baldigen Sittenverderbniß eines Volkes ist: Leitet Kunsttheurung ein! Sie bringt große Reichthümer in wenige Hände. So werden Einige Vornehmen glänzenden Luxus zeigen. Der Mittelmann gereizt, und nicht vermögend auf rechtem Wege nachzuahmen, wird betrügen, der Arme, der das Brot nicht mehr bezahlen kann, stehlen. —

      Als Eduard III von England, mit einer großen Macht in Frankreich eingedrungen war, rückte er vor Calais, welches ihm die Thore nicht öffnen wollte. Nach einer langen Belagerung, schickte er sich zum Sturme an. Nun begehrten die Einwohner zu unterhandeln, was er aber nur auf eine Bedingung eingehen wollte, über die sie noch dazu nur drei Stunden Bedenkzeit erhielten. Die Bedingung hieß: Die Stadt sollte dem Könige Sechs der vornehmsten Bürger ausliefern, ein Hemd, einen Strang um den Hals, die man sogleich an den Thoren aufknüpfen würde. Durch ein so schauderhaftes Beispiel wollte er alle Städte erschüttern, die er ohnehin im Gesichtspunkt rebellischer Unterthanen betrachtete, und sich daher herbe Strenge erlaubte.

      Verzweifelnd liefen die Bürger der Stadt umher, niemand wollte eine so verhaßte Wahl treffen, als Sechs der angesehensten Männer aus eigenem Antriebe hervortraten, und sich als Opfer stellten. Dank und Freudenthränen folgten ihnen aus den heimatlichen Mauern, der schreckliche Feind konnte seine Bewunderung ihnen nicht versagen. Eduards Gemahlin erflehte ihre Gnade. —

      Half, ein alter Norwegischer König, machte sich durch glückliche Züge zur See berühmt. Kein Krieger ward in seinem Heere aufgenommen, er hätte denn zuvor gültige Beweise von Kraft und Tapferkeit abgelegt. Bei ihm fanden sie nun erst eine Schule, wo alles dahin strebte, ihnen Todesverachtung zu erziehn.

      Viele Jahre waren im Kriegsgetümmel dahin gewichen, und nun beschloß Half in die Heimath zurück zu segeln. Unterwegs traf ihn ein heftiger Sturm. Sein Schiff war mit Menschen überladen und drohte zu sinken. Kein anderes Mittel blieb, als einige über Bord zu werfen, um die andern zu retten. Half that also den Vorschlag, daß man loosen wollte, und schloß sich selbst nicht aus. Aber kaum hatte er ausgeredet, als sich ein jeder ohne Loos anbot. Es sprangen um die Wette so viele über Bord, bis das Fahrzeug die gehörige Leichtigkeit hatte.

      Wenn man staunend diese Geschichten der Vorwelt liest und dann auf die nächsten Zeitgenossen hinblickt, scheint es, eine ganz entartete Menschheit bewohne nunmehr den Erdball. Entartet ist sie nun freilich, doch der Stoff der Kraft keinesweges erstorben. Langes Unheil des Krieges, und die Menschen werden wieder groß.

Ende des ersten Buches

      Zweites Buch

      Erstes Capitel.

      Coraims weitere Erzählung

      Ring bat Coraim nunmehr, die Neugier nicht auf dem halben Wege der Geschichte stehn zu lassen. Der Türk theilte ihm also in kurzem mit, was ihm selbst weiter von der schönen Isabelle bekannt war.

      Die Bestürzung in des Spaniers Hause ergriff alle. Der Vater raufte das graue Haar, Coutances schwur dem Räuber furchtbare Rache, das Gesinde weinte, da Isabelle jedermanns Liebe gewonnen hatte. Doch keiner von ihnen konnte das unbegreifliche Räthsel lösen. Jeder Eisenstab der Fenstergitter hatte die alte Festigkeit, die Thür zeigte keine Spur von gewaltsamer oder listiger Oeffnung, auf beide hatte auch um so weniger etwas unternommen werden können, als im Hofe sowohl, wie im Hausflur Wache gehalten worden war.

      Untersuchung über Untersuchung. Endlich fiel es jemand bei, den Kasten einer Flötenuhr zu öffnen, die der Consul vor einiger Zeit aus Europa bekommen hatte. Ein lauter Schrei! Was ist das: Alles stürzt hinzu.

      Man ward mit Schrecken inne, daß das Uhrwerk aus dem Kasten genommen war, daß sein Boden fehlte, und ein Ausbruch des Fußbodens in den Keller hinabging.

      Alles eilte jetzt zu der Stiege, die in den Keller führte. Mit mühsamer bewundernswerther Kunst, waren sowohl Stützen wie andere Geräthschaften angebracht worden, um die Oeffnung in das Gewölbe zu brechen, nächstdem die Cederplatten, womit der Zimmerboden getäfelt war, zu durchschneiden, und so in den Kasten der Uhr zu gelangen. Die Hauptarbeit mußte immer bei Tage vollendet worden sein, wo Isabelle sich nicht auf diesem Zimmer befunden hatte, der Platz unter der Uhr war gewählt, daß man nicht etwa etwas von Verletzung des Bodens zu früh wahrnähme, (der, wie sich deutlich zeigte, mit breiten glühenden Messern durchschnitten war.) Das Herausnehmen des Uhrbodens und Räderwerks hatte man zum Geschäft der letzten Nacht aufgespart, dann das unglückliche Mädchen im, trauriger Weise, grade so tiefen Schlaf überfallen, durch Knebel ihren Hülferuf gehindert, und sie so in den Keller gebracht, wo sicher ein Ausweg weiter führte.

      Dieser wurde auch sogleich entdeckt. Nach dem Keller des Nachbars fand sich ein gewaltsamer Durchbruch.

      Indem die Versammelten wehklagten, tobten, Verwünschungen ausstießen und jeder der Meinung war, es müsse ein Schelm im Hause stecken, der Mittwisser sei, da Fremden die Gelegenheit nicht so kundig hätte sein können – vernahm man in einem Winkel ein leises schmerzliches Aechzen.

      Eine Fackel in der Hand eilt Coutances nach der Stelle. Wer malt sein Erstaunen, da er – Signor Perotti erblickt!

      Der Italiener liegt am Boden mit gebundenen Händen und Füßen, ein dickes Tuch in den Mund gewürgt.

      Seine ersten Worte, da man ihm die Sprache befreit hat, sind: Erstecht mich! Schlagt mich todt, ich will nicht leben!

      Auch Wuth und Rache erfüllen solche Forderung nicht. Wie konnte sie hier aber gehört werden, wo es vor allen Dingen ja die Entschleierung eines ganz unerklärlichen Geheimnisses galt, die von Niemand als dem Italiener erwartet werden konnte?

      Du sollst meinem Zorn nicht entfliehen, rief Coutances, erst aber erkläre: wohin Isabelle kam?

      Es fiel schwer, Signor Perotti zu andern Worten zu bringen, als: Ich will sterben. Er schien ganz von Verzweiflung zerrissen, durch seine peinliche körperliche Lage sowohl, als durch gequälten Seelenzustand höchst entkräftet. Er bedurfte Erfrischungen, mit Gewalt sogar ihm eingeflößt, denn er weigerte sich, sie zu nehmen.

      Endlich entschloß er sich zur Erklärung. Wohl hab ich Isabellen rauben wollen, hub er an, sie ist meine Sklavin, und mir auf widerrechtlichem Wege entrissen. Ich übte daran kein Unrecht. Doch sollte sie dem Vater nicht vorenthalten bleiben. Um den Preis ihrer Hand, den er mir zusagte, der mir gebührt, um den des Franzosen Hinterlist mich bringen will, sah er sein Kind gleich wieder im Hause. Nur versichern wollte ich mich ihrer Person, um meine gerechten Bedingungen von Neuem aufstellen zu können.

      Coutances machte eine Bewegung der Wuth gegen ihn, die Alonzo (der Spanier) zurückhielt, und Signor Perotti aufforderte, fortzufahren.

      Es geschah. Mit großer Mühe, und mehr als Dreihundert Piastern Aufwand, setzte ich meinen Entschluß ins Werk. Bei dem nebenan wohnenden Kopten miethete ich den Keller. Der Mann, meistens nach dem Gebrauch von Cairo, in seinem Arbeitsladen vor der Thür,

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